Wir alle lieben Kunst und Kunst gibt es in so unzählig vielen Formen. Seit jeher entsteht Kunst auf den unterschiedlichsten Wegen, mit den unterschiedlichsten Techniken. Wer bei Kunst an ein traditionelles Handwerk denkt, der muss sich daran gewöhnen umzudenken, denn auch in diesem Bereich hält die künstliche Intelligenz Einzug. Genau dies war ein zentrales Thema einer Veranstaltung im Rahmen der “HomBuch”, dem größten Literatur- und Kulturfestival der Stadt, welche vor wenigen Tagen in der Galerie Julia Johannsen in der Homburger Altstadt stattfand.
Die Galerie, bekannt für ihre vielseitigen und beeindruckenden Kunstausstellungen, war diesmal Schauplatz einer Vernissage, die Kunstwerke unterschiedlichster Stilrichtungen präsentierte. Doch diesmal wurde die Kunst von einem hochaktuellen Thema begleitet: der Frage, ob Künstliche Intelligenz (KI) philosophische und künstlerische Grenzen überwinden kann. Das Event, das ab Ankündigung ruckzuck ausverkauft war, zog viele Besucher an und regte sein kulturbegeistertes Publikum zu tiefgründigen Diskussionen über Kunst, Technologie und Ethik an.
Ein interdisziplinäres Event
“Kann KI Kant?”, diese Frage stellte Reinhard Karger, Sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Er hielt die Keynote und thematisierte die Frage, ob und wie KI in der Lage ist, den Intellekt von Philosophen wie Immanuel Kant nachzuahmen. Hier stand die Beziehung zwischen Künstlicher Intelligenz und menschlicher Philosophie im Mittelpunkt.
Karger, renommierter Wissenschaftler und Experte für KI, stellte klar, dass KI zwar faszinierende technische Fortschritte ermöglicht, aber noch nicht in der Lage ist, das komplexe, abstrakte Denken eines Kants zu reproduzieren. Er plädierte für eine differenzierte Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie. “Wir sollten uns nicht auf ein technisches Orakel einlassen“, betonte er. Stattdessen brauche es eine “aufgeklärte Wissenschafts- und Diskurskultur”, um die Chancen und Risiken von KI zu verstehen.
Man musste schon sehr genau zuhören, um sich in die Materie hinein zu katapultieren und den Faden nicht zu verlieren. Aber genau das war auch beabsichtigt. So wurde die Lesung von Karger, mitsamt seinen aufwerfenden Fragen, zu einem wirklich intellektuellen Sandsturm an Worten und Denkanstößen, was wiederum zeigte, mit wie viel Expertise das HomBuch-Team seine Veranstaltungen und Gäste organisiert und ausgesucht hat.
Kunst und Künstliche Intelligenz im Dialog
Neben der philosophischen Auseinandersetzung bot die Ausstellung in der Galerie Julia Johannsen eine beeindruckende Auswahl an Kunstwerken, die auf ganz verschiedene Weise das Thema Künstliche Intelligenz aufgriffen. Die präsentierten Werke reichten von traditioneller Malerei über digitale Kunst bis hin zu vollständig von KI generierten Bildern. Genau diese Vielfalt spiegelte das Spannungsfeld zwischen analoger und digitaler Kunst wider, das derzeit die Kunstszene so beschäftigt.
Julia Johannsen, die Galeristin, erklärte im Interview mit Homburg1, dass sie bewusst einen Raum für diesen Diskurs schaffen wollte. “Die Idee, der KI einen Raum zu geben, entstand aus der Überlegung, wie sehr Künstliche Intelligenz unser Leben inzwischen beeinflusst”, so Johannsen. In Zusammenarbeit mit Künstlern wie Torsten Becker, der sich ebenfalls intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, wurde eine Ausstellung kuratiert, die sowohl menschliche als auch maschinelle Kreativität beleuchtet.
Eines der vielen Highlights der Ausstellung waren beispielsweise die Werke der jungen Künstlerin Erika Kaisarov, die vollständig mithilfe von KI entstanden sind. Ihre Arbeiten stehen im Kontrast zu denen von Künstlern wie Martin Feifel, der sich nach wie vor der klassischen Malerei verschrieben hat. Während Erika Kaisarov ihre Werke digital erstellte und mit KI-Tools arbeitete, malt Martin Feifel seine “inneren Welten” weiterhin per Hand. Eben diese Gegenüberstellung, die Bilder hingen auch direkt nebeneinander, zeigte eindrucksvoll, wie unterschiedlich Künstler auf die neuen Möglichkeiten der KI reagieren.
Der Einfluss von KI auf die Kunstwelt
Die Frage aller Fragen, ob KI eine Bedrohung oder eine Chance für die Kunstwelt darstellt, wurde während der Vernissage natürlich immer wieder thematisiert. Viele Künstler und Besucher diskutierten rund um Kargers Lesung darüber, wie KI die künstlerische Kreativität beeinflussen kann und ob sie denn eine Gefahr für traditionelle Kunstformen darstelle. Johannsen selbst vertritt die Ansicht, dass KI als Werkzeug akzeptiert werden sollte, jedoch die menschliche Kreativität nicht ersetzen kann. “Ich bin der Meinung, dass KI ein bisschen die Kreativität einschränkt, aber als Bearbeitungswerkzeug absolut konform ist und man den Weg mitgehen muss”, sagte sie und fügt hinzu: “Hätte KI ein Bild im Stil von Julia Johannsen erzeugt, hätte es nicht rot gemalt.” Damit war Johannsens neues Werk gemeint, das eben nicht in ‘typisch blau’ gemalt wurde, sondern abwechslungsreich in Rot und dazu im ‘für das Auge modernen Portraitmodus’.
Auch andere Künstler der Ausstellung, wie der Kommunikationsdesigner Jürgen Frey, sehen in KI sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Julia Johannsen erklärte, dass Frey sowohl analoge Zeichnungen als auch digital bearbeitete Werke ausstellte und KI in seiner Arbeit als Hilfsmittel nutzt. Sie wies jedoch darauf hin, dass Frey die zunehmende Präsenz von KI im Grafikdesign als potenzielle Konkurrenz betrachte. „Im Grafikbereich stellt KI in meinen Augen eine Gefahr dar“, betonte Johannsen und ergänzt, dass Frey trotzdem gewisse KI-Tools verwendet.
Zu den weiteren ausstellenden Künstlern gehörten Marvin Opelt, der sich ebenfalls intensiv mit der Integration von KI in seine Arbeit auseinandergesetzt hat, sowie Tristan Matthias Didion und Hermann Weis, die unterschiedliche Ansätze in der digitalen und analogen Kunst verfolgen. Genau diese Vielfalt an Techniken und Ansätzen ist es, die das breite Spektrum an Möglichkeiten widerspiegelt, die Künstliche Intelligenz in der Kunstwelt bietet.
Zukunft der Kunst in einer technologisierten Welt
Die Ausstellung in der Galerie Julia Johannsen war aber auch ein Ausdruck des Wandels, den die Kunstwelt derzeit durchläuft. Die zunehmende Präsenz von Künstlicher Intelligenz in der Kunstproduktion wirft Fragen nach der Authentizität, Urheberrechten und dem künstlerischen Wert von KI-generierten Werken auf. Während einige Künstler KI als Erweiterung ihrer Möglichkeiten betrachten, sehen andere darin eine echte Bedrohung für die eigene menschliche Schöpfungskraft, für das, was ihre Kunst ausmacht.
Zudem lässt sich die Frage stellen, wie der Betrachter KI-generierte Kunst wahrnimmt? Erkennt der durchschnittliche Kunstliebhaber überhaupt, ob ein Werk von einem Menschen oder einer Maschine erschaffen wurde? Julia Johannsen äußerte Zweifel daran, dass KI in der Lage sei, die gleiche Tiefe und Emotionalität wie ein menschlicher Künstler zu erzeugen. „KI kann noch nicht 100% Emotionen und Dreidimensionalität darstellen“, sagte sie. Doch die technischen Fortschritte auf diesem Gebiet und gleichzeitig rasante Entwicklung könnten diese Einschätzung in Zukunft gewiss ändern.
Ein gelungener Diskurs über Kunst und KI
Es war schon eindrucksvoll zu erleben, wie aktuell und relevant das Thema Künstliche Intelligenz in der Kunstwelt ist. Die Kombination aus Lesung, Diskussion und Kunstausstellung bot den Besuchern in Homburg die Möglichkeit, sich mit den Herausforderungen und Chancen von KI auseinanderzusetzen. Ob KI jemals in der Lage sein wird, die kreativen Prozesse eines menschlichen Künstlers oder Philosophen vollständig zu replizieren, bleibt offen. Doch eines wurde an diesem Abend deutlich: Künstliche Intelligenz wird die Kunstwelt nachhaltig verändern – wie, das hängt von uns allen ab. Die HomBuch 2024 hat mit dieser Veranstaltung jedenfalls beeindruckend gezeigt, dass Kunst und Literatur auch in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen nichts an ihrer Bedeutung für die Gesellschaft verlieren – egal in welcher Form.