Serafino Russo in seinem Friseursalon in Homburg. - Bild: Stephan Bonaventura
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HOMBURG1:

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Hallo Herr Russo. Sie sehen glücklich aus, der wirtschaftliche Lockdown für Ihr Handwerk ist aktuell aufgehoben, wie haben Sie die Zeit denn erlebt?

Serafino Russo:

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Ich habe mir viele Gedanken gemacht und die Zeit war für mich auf jeden Fall sehr wertvoll. Als kleiner Selbstständiger hat man oft das Problem, dass man in einem Hamsterrad ist und nie diesen Blick von außen nach innen hinbekommst weil man permanent Aufgaben erledigt und einfach nur funktioniert.

Als Familienvater möchte ich meine Zeit optimal nutzen. So, dass man später auch etwas davon hat. Die Zeit mit der Familie, mit meinen Kindern, ist unersetzbar. Dagegen ist das Geschäft vergleichsweise „wie Plastik“, es vergeht , es ist recyclebar. Die Coronazeit war bisher jedenfalls geschäftlich das teuerste Seminar meiner Karriere – aber auch das wertvollste. Ich habe darüber nachgedacht wie die nächsten 10 bis 20 Jahre meines Lebens aussehen sollen. Dabei bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich weiterhin genau so bleibe, spreche, handle wie ich es bisher getan habe und tue. Jeder, der mit mir zu tun hat, muss mit dieser Art klarkommen, Punkt. Mein Prozess der Selbstreflexion ist somit abgeschlossen und da gibt es auch kein Verhandlungsspielraum.

Ich bin schon schon 14 Jahre Chef und habe oft gehört:“ Das hätten Sie jetzt aber auch anders sagen können.“ Nein, ich rede, tue, mache was und wie ich es will und es mir gefällt. Alle, die in dieser Welt mitspielen wollen oder können, müssen sich damit arrangieren – egal ob Freunde, Familie, Kunden oder Mitarbeiter. Es gefällt mir wie ich bin und so möchte ich auch bleiben.

Serafino Russo und Mitarbeiterin Jacqueline Grund – Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1:

Als Chef haben Sie ob mit oder ohne Pandemie stets viele Hürden zu überwinden. Erzählen Sie uns davon, wie Sie damit umgehen und was das im Umkehrschluss für die Mitarbeiter*innen bedeutet.

Serafino Russo:

Wir sitzen ja alle im gleichen Boot. Wer mich kennt weiß, dass ich nie über Corona etwas Negatives poste oder schreibe. Ich habe in der ganzen Zeit viel mehr Geld verloren als jeder Angestellte. Es ist jedenfalls gut zu sehen, dass der Angestellte auch finanziell an dieser Krise beteiligt wird. Dieser Satz „Es ist ja nicht mein Laden, ist ja nicht mein Risiko“, das kannst du als kleiner Selbstständiger nicht mehr hören.

Das bedeutet, dass durch die Kurzarbeit, die Produktivität der Mitarbeiter über allem steht. Wenn wir jetzt drei bis vier Wochen gut zu tun haben und danach bricht es wieder ein, dann bricht es nicht nur bei mir ein sondern auch bei dem Mitarbeiter. Der Mitarbeiter muss jetzt mithelfen, wo und wie kann ich Kunden für meinen Arbeitsplatz gewinnen. Freund, Mutter, Vater, Schwester, Bekannte, die müssen hierher kommen. Da entsteht jetzt auch eine neue Eigendynamik der Mitarbeiter, das gefällt mir. Ich sehe das Leben so: Wenn du einer Blume Wasser gibst, dann blüht sie und wenn du einem Menschen positive Gedanken gibst, dann blüht der auf. Wenn du immer nur jammerst und überlegst wann man angepasst auf die aktuelle Situation wieder öffnen darf, verliert man den Fokus und reagiert zu spät. Es geht darum frühzeitig nachzudenken und stetig zu planen. Es geht mir gut wenn ich merke, dass das ganze Team so denkt und gemeinsam am Erfolg arbeitet. Das ermöglicht, dass es im Endeffekt allen gut geht und das ist ja mein Ziel.

Es gilt aber auch: Vergeßt nicht den Macher, der Chef muss über allem stehen. Ein Chef verdient den nötigen Respekt. Als Beispiel nehmen wir die Pandemie: Es ist eine riesige Verantwortung, die auf mir, dem Verantwortlichen, lastet. Das Rechtliche, die ganzen Gespräche mit dem Steuerberater, stundenlange Telefonate mit Ämtern, Anträge formulieren, Bankengespräche und vieles mehr. Das geht an den Angestellten alles vorbei.

Serafino Russo – Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1:

Wie lief denn alles mit den Ämtern?

Serafino Russo:

Aus meiner Erfahrung lief alles sehr sehr schleppend. Wir haben jetzt Anfang/Mitte März und ich hab immer noch nicht das Kurzarbeitergeld von Januar bekommen, d.h. ich bin zwei Monate in Vorleistung mit den Löhnen und gleichzeitig zwei Monate im Rückstand von den Ämtern bzgl. Kurzarbeitergeld. Von vielen anderen habe gehört, dass es da besser läuft aktuell, komischerweise war es bei mir im letzten Dezember auch wesentlich unkomplizierter. Egal wo der Fehler ist, es meldet sich ja niemand und sagt: Herr Russo, dies und das ist falsch. Man muss sich selbst darum kümmern, man ist ja Chef.

Die Kunden sind froh, dass Friseurdienstleistungen wieder erlaubt sind – Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1:

Wie haben die Kunden bei der Wiedereröffnung reagiert und wie kamen Sie mit dem Andrang zurecht?

Serafino Russo:

Wir bedienen hier ja eine sehr treue Zielgruppe. Da schneidet sich niemand aus der Not mal eben selbst die Haare oder lässt jemanden daran experimentieren. Daher kamen die Reservierungen bei uns unmittelbar nachdem unsere Bundeskanzlerin den Öffnungs-Termin öffentlich bekannt gegeben hatte. Durch unsere Erfahrungswerte und gutes Zeitmanagement, konnten wir auch direkt reagieren. Das betone ich deshalb so, weil wir hier in Punkto Planung wieder viel dazugelernt haben. Wenn eine Kundin beispielsweise einen Termin für Farbe und Strähnen haben möchte, lasse ich mir vorab ein aktuelles Haar-Bild schicken. So sehe ich dann genau wie der Ist-Zustand ist und kann die Kundin viel effektiver beraten und auch am Tag selbst die Zeit im Team und für die entsprechende Leistung viel besser einteilen und koordinieren. Davon profitieren am Ende alle, denn es gibt keinen unverhofften „Stau“ durch unerwartete Dienstleistungen, die noch nicht kommuniziert wurden. Das kommt auch sehr gut an und ist eine riesen Hilfe im täglichen Workflow.

HOMBURG1:

Sie testen im Team mindestens zweimal die Woche auf Corona. Ist das für Sie selbstverständlich und wie arbeiten Sie weiter an der Sicherheit im Salon?

Serafino Russo:

Es ist ja keine Pflicht aber wir möchten allen Kundinnen und Kunden einfach eine größtmögliche Sicherheit garantieren, daher haben wir diese regelmäßigen Test jetzt fix bei uns im gesamten Team eingeführt. Zusätzlich haben wir mit den Erfahrungswerten des ersten Lockdowns neue Trennwände besorgt, die jetzt an unseren Waschplätzen stehen. Die Plätze sind insgesamt sehr nah beieinander und so gehen wir auch in diesem Punkt auf Nummer sicher. Was die neue 10 m² Regelung angeht, sind wir natürlich froh, hier genug Platz zu haben und daher auch entsprechend Abstände zu den Kunden locker garantiert zu bekommen. 10 m² bedeutet ja Arbeitsfläche, wenn ich etwa 200 m² Salon habe minus Aufenthaltsraum und Toilette, bleiben mir etwa 160 m² Arbeitsfläche. D.h. 10 m² pro Person sind 8 Leute. Heute arbeiten wir z.B. zu zweit, maximal zu dritt, dann dürfen wir gleichzeitig noch 5 Kunden drin haben. Wir verfügen hier außerdem über hohe Decken im Salon, d.h, die Aerosole werden ja auf Kubikmeter berechnet. Manche, die kleine und flache Läden haben, müssen sogar extra Lüftungsanlagen installieren damit die Luft sich auch immer wieder reinigt. Bei uns mit den hohen Decken reicht gutes, stetiges Lüften, was wir auch konsequent und mit Bedacht tun.

Das Team wird in der Woche minestens zweimal auf COVID-19 getestet – Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1:

Wie sieht es mit der Überprüfung der ganzen Maßhnahmen und Regeln in Ihrem Handwerksbereich aus, kommt das oft vor?

Serafino Russo:

In den ersten acht Monaten sind wir hier kein einziges Mal kontrolliert worden. Komischerweise weiß ich aus sicheren Quellen, dass Bildmaterial von Friseuren, die sich nicht an die Regeln und an die Maskenpflicht gehalten haben, an die entsprechenden Stellen. Ordnungsamt und Handwerkskammer, gesendet wurden aber nicht reagiert wurde. Das hat mich ziemlich verwundert und auch geschockt. Ich bin dafür, dass viel mehr kontrolliert wird, denn der Mensch ist geboren um zu betrügen. Daher darf man denen, die sich nicht an die Regeln halten, überhaupt keine Chance dazu geben. Übrigens ist auch das aktuell freiwillige Testen etwas, das man in unserer Branche fest einführen sollte, warum denn auch nicht? So sorgen wir doch nur für um so mehr Sicherheit, was uns hoffentlich entgegenkommt damit wir nicht wieder schließen müssen.

HOMBURG1:

Haben Sie insgesamt Angst vor der aktuellen Situation und dem was noch kommt, wie gehen Sie als „Lebemensch“ mit der Situation um?

Serafino Russo:

Ich habe keine Angst zu sterben. Ich habe nur Angst nicht zu leben. Ich habe alles erreicht was ich erreichen wollte und noch mehr. Ich hab Frau, Kinder, einen Laden, ich bin ein geiler Typ ohne Filter, ich bin mit mir im Reinen. Aber was ist das überhaupt für ein Leben die letzten 12 Monate? Ich hab meine Frau in der Zeit öfter gesehen als in den letzten 25 Jahren. Meine Vorbilder sind Clint Eastwood, Charles Bronson, Rocky Balboa, ich bin ja nicht verheiratet um permanent bei meiner Frau und den Kindern zu sein. Ich muss raus, ich muss Leute kennenlernen, das ist mein Leben aber ich bin seit 12 Monaten eingesperrt. Mich interessiert auch in meinem Leben nicht wieviel Geld ich mit ins Grab nehm, sondern nur wieviel ich ausgegeben habe. Ich habe eine andere Art zu handeln gewohnt wie viele andere Menschen, das weiß ich. Aber ich bin nicht auf der Welt um von allen geliebt zu werden, ich bin hier um mein Ding zu machen und das bedeutet eben auch mit der aktuellen Situation so umzugehen, wie es für mich funktioniert.

Im Salon ist viel Platz – Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1:

Sie sind ein Mann, der immer für Überraschungen gut ist und nie auf der Stelle tritt. Worauf können sich ihre Kunden künftig freuen?

Serafino Russo:

Wir werden etwas total Neues und auch Exklusives anbieten. Ich habe ein Elektroauto besorgt, einen Hyundai Kona. Das ist ein elektrisch angetriebenes SUV, das ab sofort als Shuttle-Service für unsere Kundinnen und Kunden zur Verfügung stehen wird. Für eine kleine Aufwandsentschädigung, brauchen Sie sich keine Sorgen mehr darum zu machen, wie Sie zu uns kommen. Wir kümmern uns um ihr Wohlergehen und das auch noch mit ökologisch tollen Mitteln. Nach Verfügbarkeit gilt das Angebot dann ab Ende März pauschal im 10 km Umkreis. Außerdem planen wir gerade Kooperationen mit diversen lokalen Premiumpartnern. Diese Angebote werden sich in beidseitigem Interesse dann perfekt ergänzen und zusätzlich einem überaus positiven Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden aus nah und fern darstellen. Zuviel sei hier aber noch verraten denn an der Magie arbeiten wir gerade intensiv.

So sieht es aus – das neue Shuttle-Mobil von Serafino Russo – Bild: Privat

HOMBURG1:

Das klingt alles wirklich toll. Herr Russo, wir wünsche Ihnen und dem Team weiterhin viel Erfolg und bleiben Sie gesund.

Das Interview führte Stephan Bonaventura.

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