Bild: Bill Titze

Schon seit Jahren steht die Homburger Uniklinik nicht nur in Bezug auf Spitzenforschung in den Schlagzeilen – auch Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an verschiedenen Kliniken wurden laut. Um diese Vorwürfe aufzuarbeiten und die Betroffenen in den Mittelpunkt zu rücken, wurde die sogenannte Unabhängige Aufarbeitungskommission am UKS (UAK) ins Leben gerufen, die nun im Saalbau vorgestellt wurde. Dabei wurde eines ganz deutlich: Schiedsrichter möchte das Expertengremium nicht spielen.

„Unabhängig“ – dieses Wort war den Rednern an diesem Nachmittag besonders wichtig. „Wäre diese Unabhängigkeit nicht gegeben, niemand von uns hätte dabei mitgemacht“, unterstrich Jörg Ziercke, der von 2004 bis 2014 das Bundeskriminalamt leitete. Und nun Vorsitzender einer Untersuchungskommission ist, die die Missbrauchsverdachtsfälle am Uniklinikum aufarbeiten soll.

Sieben Experten sind des Gremiums, das in den kommenden zwei Jahren Licht ins noch so große Dunkel bringen soll. Aus der Taufe gehoben hat es der Aufsichtsrat des UKS, der schriftlich zugesagt hat, die Unabhängigkeit der neu geschaffenen Institution zu wahren. Heißt: Der Abschlussbericht, der am Ende des Untersuchungsprozesses erscheinen soll, wird dem Aufsichtsrat zwar zur Kenntnis gegeben und erläutert, Einfluss kann der Rat aber nicht.

„Mit der Kommission ist die Erwartung verbunden, dass ein unabhängiges Medium in der Lage ist, für die Betroffenen einen vertrauensvollen Rahmen zu schaffen, in dem sie geschulten Personen ihre Erfahrungen ungefiltert mitteilen können“, formulierte der Aufsichtsratsvorsitzende und Chef der Staatskanzlei, Henrik Eitel, die Zielsetzung. Es gehe dabei vor allem die „Anerkennung des Leides“ der Betroffenen.

Diese Zusammenarbeit wird für die Kommission auch lebensnotwendig sein, denn polizeiliche Befugnisse hat sie nicht. Vielmehr ist das Expertengremium auf die Mithilfe der Betroffenen angewiesen. Akteneinsicht kann nur erfolgen, wenn deren ausdrückliche Zustimmung vorliegt. Zumindest wenn man sich die Besucherzahl im Saalbau anschaut, dürfte dieses Vorhaben nicht einfach werden.

Denn dort waren in erster Linie Offizielle und Pressevertreter zu sehen, obwohl die rund 300 betroffenen Menschen extra angeschrieben worden waren. Der Kommissionsvorsitzende Ziercke machte auch gar keinen Hehl aus diesem Umstand. „Für mich dokumentieren die vielen leeren Stühle den Vertrauensverlust, der in den vergangenen Jahren stattgefunden hat. Wir wissen daher, dass ein erfolgreicher Überzeugungsprozess Zeit braucht.“

Der langjährige Leiter des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, ist Vorsitzender der Aufarbeitungskommission. Bild: Bill Titze

Vielleicht ist es da von Vorteil, dass auch ein Betroffener selbst in der Kommission sitzt. Zwar hat der Politiker und Publizist Matthias Katsch seine Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch nicht am UKS gemacht, sondern an einem Jesuitenkolleg. Doch in seiner sehr einfühlsamen Rede war zu spüren, dass er das Leid der Menschen sehr gut nachvollziehen kann.

Wissen was war sei nur eine Voraussetzung dafür, dass eine persönliche Aufarbeitung überhaupt stattfinden könne. „Ich habe selbst viele Jahre geschwiegen, aber ich hätte mir gewünscht, dass viel früher jemand auf mich zugekommen wäre und das Gespräch gesucht hätte.“ Diese Chance wolle nun die Kommission gewährleisten. “Wir stehen auf der Seite der Opfer und sind keineswegs neutrale Schiedsrichter.”

Aber natürlich soll es nicht nur darum gehen, die vergangenen Fälle aufzuarbeiten, sondern auch für die Zukunft Vorkehrungen zu schaffen, damit so etwas nicht mehr vorkommt. „Wir sind überzeugt davon, dass wir die Schutzkonzepte am UKS mit unserer Arbeit verbessern können“, so Jörg Ziercke. Einen ersten Hinweis darauf, was das bedeuten könnte, gab die neue Ärztliche Direktorin des UKS, Prof. Jennifer Diedler. Aus ihrer Sicht könne nur mit einer offenen Diskussions- und Fehlerkultur verhindert werden, dass solche Taten geschehen könnten. „Dafür ist eine gelebte Kultur der Wertschätzung notwendig. Und genau die müssen wir am UKS leben.“

Anzeige

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein