Florian Spaniol, DIE LINKE - Bild: Stephan Bonaventura

HOMBURG1: Sollte die B423 neu gebaut werden?

Florian Spaniol: Nein. Jeder Straßenneubau zieht mehr Verkehr nach sich. Und dieser ist noch rund 35 Millionen teuer und ein Rieseneingriff in die Natur – in Zeiten von Klimaschutz und Verkehrswende das absolut falsche Signal! Die Millionen wären besser für Bus und Bahn eingesetzt. Die Planungen für diese hoch umstrittene Umgehung mitten in der Mastau gehören eingestampft. Wir brauchen endlich vielmehr wirksame Maßnahmen, um eine nachhaltige Entlastung der Ortsdurchfahrten zu erreichen. Dazu müssen die LKW’s raus aus Stadt und Ort, der ÖPNV muss bezahlbar ausgebaut werden und mehr Lärmschutz bringt mehr als der Neubau einer Straße. Außerdem sind die Daten zum Verkehr veraltet, das Verkehrsaufkommen dort ist wohl rückläufig – eine neue Zählung ist angekündigt. Auch lebt im Gebiet der Mastau definitiv die Wildkatze, die den Straßenneubau erschwert, wie es auch aus dem Fachausschuss des Landtages heißt. Das alles sind für mich Argumente gegen die B 423 neu.

HOMBURG1: Sollte die Bahnlinie Homburg-Blieskastel reaktiviert werden?

Florian Spaniol: Definitiv ja. Die Reaktivierung von Bahnstrecken ist das Gebot der Stunde, hier hängt das Saarland ziemlich hinterher. Wenn die S-Bahn Homburg-Zweibrücken endlich auf der Schiene ist, was wir LINKE seit Jahren fordern, wäre in einem zweiten Schritt laut DB die Verlängerung von Homburg nach Blieskastel kein Problem. Die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt und ich hoffe, dass das Land in die Umsetzung geht. Die Wiederbelebung dieser Bahnstrecken ist eine Chance für unsere Biosphärenregion, für die ich werben will.

HOMBURG1: Sollte der Bund die Altschulden von finanzschwachen Kommunen wie Homburg übernehmen?

Florian Spaniol: Das ist eine ewige Forderung von uns. Ohne Hilfe des Bundes und des Landes, ohne eine gerechte Steuerpolitik und ohne eine faire Altlastenregelung
ist den Städten und Kommunen nicht wirklich zu helfen. Unsere Stadt Homburg ist mit ihrer schwierigen finanziellen Situation auch nicht allein im Reigen der deutschen Städte und Gemeinden. Wir als drittgrößte Stadt im Land müssen auch gerade in Zeiten der Pandemie Verantwortung weiter wahrnehmen können. Hier sehen wir nach wie vor Land und Bund in der Pflicht. Denn allein werden die Städte wie Homburg und die Gemeinden nicht aus diesem Haushalts-Loch herauskommen können. Die kommunalen Rettungsschirme greifen zu kurz, deshalb darf das Thema „Altschuldenregelung“ aus meiner Sicht definitiv nicht vom Tisch. Ein Schulterschluss mit anderen Bundesländern, die auch hoch verschuldete Städte und Kommunen haben, wäre hier zielführend.

HOMBURG1: Wie können die Arbeitsplätze bei den Autozulieferern in der Region gesichert werden?

Florian Spaniol: 11.000 Arbeitsplätze sind hier bei uns mit der Automobilindustrie verbunden. Dahinter stehen 11.000 Menschen mit ihren Familien, die direkt von den politischen Entscheidungen rund um das Thema Strukturwandel betroffen sind, und deren Existenz davon abhängt, was die Politik entscheidet. Daher braucht es wirklich neue Instrumente, dafür muss man sich politisch klar bekennen. 
Vorbildlich ist aus meiner Sicht die „Zukunftsvereinbarung“ von Schaeffler, wodurch Alternativen und Perspektiven gefunden werden konnten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben damit signalisiert, die Transformation im Sinne von Mitarbeiterschaft und Unternehmen umzusetzen: der Dialog spielt dabei eine gewichtige Rolle ebenso wie in die Zukunft gerichtete Strategien und Innovationen sowie Qualifizierung und ein klares Bekenntnis zur Tarifbindung. Industriearbeitsplätze konnten damit erhalten werden und das ist der richtige Weg.
Deshalb müssen Industrie- oder Wirtschaftsdialoge auf regionaler Ebene mit den Handelnden vor Ort möglich werden: mit der Politik vor Ort, mit Betriebsräten und Gewerkschaften, mit den Arbeitgeberverbänden und den Kammern etc.

Die Zukunft der Automobil- und Zuliefererindustrie, insbesondere am zweitgrößten saarländischen Wirtschaftsstandort in Homburg, braucht diese Wege und Lösungen. Hierzu haben wir LINKE im Stadtrat Homburg eine klare Resolution eingebracht, die mit großer Mehrheit verabschiedet wurde: „Stoppt den geplanten Stellenabbau am Standort Homburg!“ Der Wandel in der Automobilbranche gelingt nur, wenn die Beschäftigten eingebunden und mitgenommen werden. Die Unternehmen sind in der Pflicht, für Transparenz bei der Neuausrichtung zu sorgen. Wir brauchen unsere Auto- und Autozulieferindustrie auch weiterhin mit neuen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen – fair bezahlt und zu guten Bedingungen. Wir brauchen alternative Arbeitsplätze in neuen, zukunftsorientierten Produktionsbereichen. Gemeinsam mit den Gewerkschaften werden wir LINKE weiter dafür kämpfen. Dafür waren wir mit vielen Beschäftigten vor den Werkstoren auf der Straße.

HOMBURG1: Sollen Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030 verboten werden?

Florian Spaniol: DIE LINKE fordert einen Ausstieg aus dem Konzept des Verbrennungsmotors: dies ist nur mit einer klaren zeitlichen Vorgabe möglich, denn die Automobilindustrie braucht endlich Planungssicherheit, um Arbeitsplätze zu sichern. Das funktioniert nur durch eindeutige staatliche Vorgaben. Früh muss signalisiert werden, in welche Richtung geforscht und entwickelt werden muss, sodass wir das Klima effektiv schützen können und Arbeitsplätze durch rechtzeitige Zuteilung erhalten bleiben.

Der Individualverkehr wird weiterhin von erheblicher Bedeutung sein, gerade im Saarland, im ländlichen Raum. In den kommenden Jahren muss es deshalb bereits einen vernünftigen Gebrauchtwagenmarkt mit bezahlbaren und modernen Autos geben, denn nur so wird klimafreundlicher Verkehr auf Dauer möglich.

Dennoch fordern fast alle großen Parteien eine Erhöhung der Spritpreise, als ob das die Antwort auf den CO2-Ausstoß und die hohen Emissionen wäre. Wir haben doch in der Coronakrise durchaus gesehen, dass extrem schwankende Benzin- und Dieselpreise eben überhaupt keinen Einfluss auf die Anzahl der Autos auf der Straße haben. Als die Preise sanken, waren nicht mehr Autos auf der Straße und als er stieg auch nicht weniger. Das liegt vor allem daran, dass die arbeitende Bevölkerung nicht mit dem Auto fahren will, sondern es benutzen muss – das ist doch das eigentliche Problem, weil es keine vernünftigen Alternativen gibt. Deswegen sagen wir: statt Verbote müssen Alternativen geschaffen werden!

HOMBURG1: Sollten in unserer Region mehr Windkraftanlagen gebaut werden?

Florian Spaniol: Windkraft ist ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Energiewende. Die verfügbaren Flächen für Windkraftanlagen sind jedoch bei uns in unserem dicht besiedelten Land und in der Region vielfach ausgeschöpft. Und wenn für den Bau neuer Windräder massiv Wald abgeholzt wird, wie vor Jahren am Höcherberg, dann hat das mit Natur- und Klimaschutz leider wenig zu tun. Der Protest der Bürgerinnen und Bürger – wie in derzeit in Blieskastel und Gersweiler sowie vor Jahren in Mandelbachtal zu geplanten Windkraftanlagen – muss ernster genommen werden. Hier braucht es lokale Bündnisse. Windräder dürfen nicht zu nah an Wohngebiete gebaut werden, es müssten bessere Mindestabstände mit der 10-H-Regelung wie in Bayern möglich werden. Das ist bei uns in der Region aber schwierig. Deshalb liegt im Ausbau der Photovoltaik eine große Chance. CO2 kann auch eingespart werden durch mehr Solarzellen auf den Dächern, auch auf öffentlichen Gebäuden und durch verstärkte Wärmedämmung.

HOMBURG1: Sollte das Homburger Waldstadion drittligatauglich saniert werden?

Florian Spaniol: Auf jeden Fall. Hier geht es auch um die Frage, wie stehe ich zu unserer Stadt, zu unserem Club, zu unserem Stadion. Ich bin selbst bei vielen Spielen vor Ort mit dabei und kann sagen: die Sanierung ist kein Luxus, sondern dringende Notwendigkeit. Ich habe daher mit meiner Fraktion im Stadtrat klar für das Konzept der Stadt hierzu gestimmt, das umsetzbar ist. Homburg braucht als drittgrößte Stadt im Land ein vorzeigbares Stadion.

HOMBURG1: Sollte das Diakonie Klinikum Neunkirchen wieder in die öffentliche Hand überführt werden?

Florian Spaniol: 

Gesundheit ist keine Ware und Krankenhäuser dürfen kein Spielball der Privatisierungsbefürworter sein. Derzeit sind schon zwei Fachabteilungen geschlossen, die Sorgen sind groß. Als die Diakonie das ehemalige „Städtische“ übernommen hat, haben die Beschäftigten dort zum Teil Rechte und Gehalt einbüßen müssen. Deshalb gehört das Krankenhaus in Neunkirchen wieder in öffentliche Hand, damit Neunkirchen Krankenhausstandort bleiben kann. Belegschaft, Bürger und die Gewerkschaft ver.di müssen mehr mitbestimmen können. Und die Landesregierung, die für die Krankenhausplanung zuständig ist, muss hier mehr Druck machen.

HOMBURG1: Wie kann einer Verödung der Innenstädte in unserer Region entgegengewirkt werden? Sollte beispielsweise eine Paketsteuer eingeführt werden?

Florian Spaniol: Zusätzliche große Verkaufsflächen verdrängen immer wieder inhabergeführte Geschäfte. Deshalb: mehr Vielfalt an kleinen Geschäften mit breitem Angebot statt neue Einkaufscenter mit überholten Konzepten. Wir brauchen ein wirkungsvolles Management gegen den Leerstand, damit unsere Innenstädte wieder „aufleben“ – und zwar barrierefrei. Und dazu müssen auch die Öffnungszeiten wirklich „passen“. Auch muss es wieder die Dorfläden in den Stadtteilen geben, damit vor allem die Älteren ihre Einkäufe einfacher erledigen können.

Städtisches Leben ist jedoch mehr als reines Shoppen: Homburg ist z. B. Uni-Stadt, man merkt es nur kaum. Für junge Leute, für Studierende wird viel zu wenig geboten. Statt über die Schließung der Mensa auf dem Campus des UKS zu diskutieren, sollte sie als Uni-Treffpunkt viel mehr ausgebaut werden. Hier ist das Land in der Pflicht. Eine bezahlbare Szene mit guter Gastro für die Jüngeren gehört in jede Innenstadt. 

Corona und Lockdown haben im Einzelhandel Grenzen aufgezeigt. Hier muss allen Beteiligten Gerechtigkeit widerfahren. Die Lösung kann nicht darin bestehen, dass jetzt nur noch online gekauft wird und Amazon und andere Online-Handelsriesen, die ihr Personal schlecht bezahlen und sich vor der Steuer drücken, noch weiter gefüttert werden. Vielmehr könnten diese Wettbewerbsverzerrungen mit einer Extra-Steuer auf den Online-Handel gemildert werden. Auch eine Paketabgabe für den Onlinehandel wird zu Recht diskutiert. Damit könnten Finanzmittel für die Unterstützung der in Not geratenen Innenstädte und Ortskerne erreicht werden. Wichtig ist allerdings, dass diese Abgabe dann in einen Innenstadtfonds fließt und unmittelbar den Kommunen für gezielte Maßnahmen zur Stärkung ihrer Zentren zur Verfügung steht. Die Wettbewerbssituation der Einzelhändler in den Ortskernen, die unter den Corona-Schließungen besonders gelitten haben, könnte auch durch Steuervorteile verbessert werden. Und um Anreize für das Einkaufen vor Ort statt im Netz zu schaffen, braucht der Einzelhandel in einer Stadt die besten Bedingungen.

HOMBURG1: Sollte der Saarpfalz-Kreis vor dem Hintergrund von LGBTQ-freien Zonen in Polen an der Partnerschaft mit den polnischen Landkreisen festhalten?

Florian Spaniol: Dass sich immer mehr Kommunen in Polen zu „schwulen- und lesbenfreien Zonen“ erklären, ist menschenverachtend, spalterisch, zutiefst diskriminierend und der politischen Situation dort vor Ort geschuldet. Solchen Tendenzen muss bei deutsch-polnischen Begegnungen immer wieder entgegen getreten werden. Dafür aber langjährige wertvolle Partnerschaften seitens des Kreises aufzukündigen, ist der falsche Weg. Da hängt viel Engagement mit drin, da sind Schulen beteiligt, da geht es um europäische Jugendarbeit wie über Spohns Haus in Gersheim – all das sollte gerade weiter ausgebaut werden, um Homophobie und Rassismus zu ächten und zu überwinden.

HOMBURG1: Sollten Corona-Einschränkungen weiterhin in erster Linie an den Inzidenzwert gekoppelt werden?

Florian Spaniol: Die Inzidenz ist nach wie vor ein wichtiger Wert und Maßstab, war und ist aber als alleinige Entscheidungsgrundlage für Coronamaßnahmen sehr problematisch. Insbesondere Schülerinnen und Schüler mussten unter Schulschließungen leiden, weil punktuell in einem Kreis die Zahlen hochgingen, welche mit Schulen nichts zu tun hatten. Heute sind viel mehr Menschen zweifach geimpft – Klinikbelegungen und Intensivbettenbelegungen gehören mit in den Fokus. Die Mischung dieser Indikatoren ist richtig.

Kitas und Schulen haben für mich Priorität und müssen im Sinne der Kinder und Jugendlichen um jeden Preis vor künftigen Schließungen bewahrt bleiben. Dazu ist es notwendig, nicht nur auf Inzidenzen zu blicken.

HOMBURG1: Sollen in Restaurants, Kinos und anderen Freizeiteinrichtungen zukünftig nur noch Corona-Geimpfte und Corona-Genesene Zutritt haben?

Florian Spaniol: Nein, das ist ein viel zu großer Eingriff in unsere Freiheiten und Grundrechte. Getestete müssen gleichgestellt werden und die gleichen Chancen haben. Durch den öffentlichen Druck mit „2 G“ wird letztlich doch eine Impfpflicht verlangt, die politisch ja von vielen abgelehnt wird. Druck auf Ungeimpfte ist der falsche Weg. Hier braucht es viel mehr Respekt für individuelle Entscheidungen, die ja auch oft gesundheitlich begründet sind.

HOMBURG1: Sollte es einen Bürgerentscheid über die Abwahl des Homburger Oberbürgermeisters Rüdiger Schneidewind geben?

Florian Spaniol: Um weiteren Schaden von Amt und Stadt abzuwenden, sollte der Oberbürgermeister endlich die Möglichkeit nutzen, freiwillig die Versetzung in den Ruhestand – verbunden mit einer Beibehaltung seiner Bezüge ohne große Abstriche – zu beantragen. Diesen „Heldennotausgang“ gibt es schließlich per Gesetz. Weitere anhaltende monatelange Unklarheiten kann sich die Stadt jedenfalls nicht mehr leisten.

Das angekündigte Abwahlverfahren gegen den OB ist ein Mittel, den Druck zu erhöhen, aber die Hürden sind bekanntermaßen hoch. Ich werde mit meiner Fraktion im Stadtrat trotzdem für die Abwahl stimmen. Viele Fehltritte wie die unwürdige Mitarbeiterüberwachung, die Verschwendung öffentlichen Geldes so als wäre es das eigene, Ermittlungen, zahlreiche Feststellungen der Kommunalaufsicht mit Blick auf Verwaltungsversagen etc. haben Vertrauen verspielt. Diese Hängepartie muss beendet werden – das kann am besten der OB selbst.

 

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