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Lange Zeit war es rund um die Detektivgeschichte um Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind ruhig gewesen. Doch schon durch einige Statements auf den Jahresempfängen der Parteien wurde deutlich: die Angelegenheit ist keineswegs vergessen. Nun kommt neue Bewegung in die Sache. In einer Pressemitteilung bestätigt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken offiziell: Gegen Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind wird Anklage erhoben!

Laut Anklageschrift vom 01.02.2018 wird gegen den Oberbürgermeister der Kreisstadt Homburg Anklage wegen Untreue gemäß §266 Abs.1 StGB erhoben. Im Juristendeutsch formuliert, liest sich das so: Die Staatsanwaltschaft wirft Schneidewind vor, als Oberbürgermeister der Stadt Homburg seine ihm gegenüber der Stadt Homburg obliegende Treuepflicht unter Verstoß gegen das Vergaberecht sowie unter Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften des KSVG und der GO, mithin unter Verstoß von „Sichervorschriften des Gemeindevermögens“, im Zusammenhang mit der am 03.12.2015 erfolgten Erteilung eines Auftrages an die Düsseldorfer Detektei K. Confidence GmbH“ verletzt zu haben.

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Beauftragt wurde die Detektei von dem Homburger Rathauschef, um Unregelmäßigkeiten von Mitarbeitern beim Baubetriebshof aufzudecken. Im Raum standen Arbeiten, die Mitarbeiter bei Privatpersonen mit städtischen Maschinen während der Arbeitszeit durchgeführt haben sollen. Auch der gewerbsmäßige Verkauf von Holz stand im Raum: Mitarbeiter sollen im Staatsforst und im Stadtwald Bäume gefällt und auf Sammelplätzen gelagert haben, um diese dann nach Feierabend zu verkaufen.

Die Gesamtkosten für die Beauftragung der Detektei summieren sich angeblich auf rund 330.000 Euro. Vorgeworfen wird Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind allerdings “nur” ein Schaden in Höhe von 101.827,19 Euro, da sich der Verdacht der Untreue auf eine Verlängerung der Überwachungsmaßnahme ab Anfang Dezember bezieht. Denn bei einem Gespräch mit der Detektei am 03.Dezember 2016 erwiesen sich die bisherigen Überwachungsmaßnahmen als erfolglos. Dennoch soll Schneidewind die K. Confidence GmbH weiter mit der Observierung beauftragt haben, obwohl keine weiteren Erkenntnisse zum Nachweis einer „Holzmafia“ zu erwarten seien.

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Für den am 03.12.2015 nach Auffassung der Staatsanwaltschaft pflichtwidrig erteilte Beauftragung zur weiteren Observation im bis 18.12.2015 fielen für die Stadt Homburg Kosten in Höhe von 101.827,19 € an. Da nur noch minimale Arbeitszeitverstöße eines Mitarbeiters festgestellt wurden, stellen sich diese Kosten aus Sicht der Anklage als wirtschaftlich sinnlos und wertlos dar, so dass der Stadt Homburg ein Schaden von 101.827,19 € entstanden ist.

Der Anwalt von Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind, Dr.Joachim Giring, kündigte in den Medien eine Stellungnahme nach Sichtung der Anklageschrift an.

Was die Staatsanwaltschaft konkret vorwirft

Im Einzelnen wird dem Angeschuldigten Folgendes zur Last gelegt:

Im Zeitraum Januar bis August 2015 sollen Mitarbeiter der Stadtverwaltung der Stadt Homburg, spätestens ausweislich eines eigenen handschriftlichen Vermerks vom 10.7.2015 auch der hier Angeschuldigte, von dritten Personen darüber in Kenntnis gesetzt worden sein, dass massiv Holz von im Einzelnen benannten städtischen Mitarbeitern während der Arbeitszeit  entwendet und für eigene Zwecke gebraucht worden sei. Trotz dieser Mitteilungen soll der Angeschuldigte seit dem Bekanntwerden dieser Hinweise weder organisatorische Maßnahmen, die zu einer besseren Kontrolle der Mitarbeiter des Baubetriebshofes hätten führen können, ergriffen haben,  noch soll  er Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern des Baubetriebshofes, in denen er diese mit den anonymen Anschuldigungen konfrontieren hätte können, geführt haben.

Stattdessen soll der Angeschuldigte den Leiter des Rechtsamts der Stadt Homburg an einem nicht mehr näher bestimmbaren Tag im August 2015 mit der Prüfung beauftragt haben, ob eine Überwachung der benannten Mitarbeiter durch eine Detektei möglich sei. Der Leiter des Rechtsamts soll in der Folge ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2015 recherchiert haben, wonach personenbezogene Daten eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten nur dann erhoben werden können, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

In einer Besprechung am 07.09.2015, an der neben dem Angeschuldigten der Leiter der Kämmerei, der Leiter des Rechtsamts und der Hauptamtsleiter der Stadt teilgenommen haben sollen,  soll der Leiter des Rechtsamts  das Ergebnis seiner Prüfung dargestellt haben, woraufhin der Angeschuldigte nunmehr den Entschluss gefasst haben soll, eine Detektei zur Überwachung der benannten Mitarbeiter einzuschalten. Zudem soll er entschieden haben, dass aus Gründen der als unabdingbar angesehen Geheimhaltung die Beauftragung der Detektei keinen weiteren Mitarbeitern der Stadt oder Stadtratsmitgliedern mitgeteilt werden sollte.

Am 01.10.2015 soll es im Dienstzimmer des Angeschuldigten zu einem ersten Treffen zwischen dem Angeschuldigten und dem Geschäftsführer L. der  „K. Confidence“ gekommen sein. Der Angeschuldigte soll dem Zeugen L. zunächst den Überwachungsauftrag mitgeteilt haben. Im Anschluss soll der Zeuge L. dem Angeschuldigten anhand des Vertrages die einzelnen Kostenpunkte der Überwachung durch zwei Mitarbeiter der Detektei mitgeteilt haben. Danach waren für jeden eingesetzten Detektiv in der Zeit von 8-18 Uhr jeweils 100 € je Stunde  und in der Zeit von 18-8 Uhr sowie samstags und sonntags 150 € je Stunde zu zahlen. Als Sachkosten waren u.a. Übernachtungskosten nach konkretem Aufwand, eine Bereitstellungspauschale für jedes eingesetzte Kfz von 15 € je Einsatzstunde sowie zusätzlich eine Kilometerpauschale von 1,30 € je km in Rechnung gestellt. Zusätzlich zu den vorgenannten Honorar- und Sachkosten war für die Abwicklung des Auftrages eine Summe von 25 % vom Rechnungsnettobetrag als sog. „Besondere Verwaltungs- und Bearbeitungskosten“ vereinbart. Im Zuge der Erläuterung des Vertrages soll der Zeuge L. darauf hingewiesen haben, dass bei einem beabsichtigten Einsatz von zwei Detektiven an 5 Tagen ein Betrag von mindestens 15.000 € anfallen wird. Im Anschluss soll der Angeschuldigte noch vor Ort den Vertrag unterzeichnet haben, der jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden konnte. Ein genauer Zeitraum der Observation war vertraglich nicht vereinbart.

Ein Folgetreffen soll dann am 03.12.2015 im Dienstzimmer des Angeschuldigten stattgefunden haben. Zum Beleg der bisherigen Ermittlungsergebnisse soll der Zeuge L.  eine CD mit Videosequenzen vorgelegt haben. Obgleich die drei in Rede stehenden Mitarbeiter des Baubetriebshofes nunmehr über mehr als 4 Wochen von drei Angestellten der Detektei während der gesamten Arbeitszeit, zum Teil auch nach Dienstschluss und am Wochenende observiert worden waren, sollen keine Beobachtungen oder Erkenntnisse vorgelegen haben, mit denen die Ausgangslage der Beauftragung  belegt werden konnte. Danach soll der Zeuge L. dem Angeschuldigten eine als „Zwischenübersicht“ bezeichnete detaillierte Aufstellung der in der Zeit vom 02. bis 28.11.2015 angefallenen Nettokosten in Höhe von insgesamt 158.259,69 € vorgelegt haben. Der Angeschuldigte und der Zeuge L. sollen daraufhin die Zahlung eines Abschlags in Höhe von 100.000 € zuzüglich 19.000 € Mehrwertsteuer vereinbart haben.

In Kenntnis der Tatsache, dass er die Wertgrenze für Auftragsvergaben des Oberbürgermeisters bereits mit der erfolgten Überwachung bis zum 28.11.2015 bei weitem überschritten hatte, und in Kenntnis der Tatsache, dass sich auch nach einer über vier Wochen andauernden Observation der Mitarbeiter keine Hinweise für die der ursprünglichen Auftragserteilung zugrunde gelegten Verdachtslage ergeben hatten, so dass auch aus Sicht des Angeschuldigten die Voraussetzungen für eine weitere Überwachung – nämlich tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat – nicht mehr vorlagen, soll der Angeschuldigte davon abgesehen haben, die jederzeit kündbare Beauftragung von „K. Confidence“ mit sofortiger Wirkung  zu beenden, und soll stattdessen im Bewusstsein der dadurch bedingten Kostenerhöhung die Detektei mit einer weiteren Observation bis zum 18.12.2015 beauftragt haben. Dabei soll  der Angeschuldigte zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass die Beauftragung der Detektei am 03.12.2015 mit der Fortführung der Observation für den Zeitraum vom den 04.12.2015 bis zum 18.12.2015 keine weiteren Erkenntnisse zum Nachweis einer „Holzmafia“ erbringen und sich somit als wirtschaftlich wertlos für die Stadt Homburg erweisen wird.

Für den durch den Angeschuldigten am 03.12.2015 nach Auffassung der Staatsanwaltschaft pflichtwidrig erteilten Auftrag zur Observation im Zeitraum vom 04. bis 18.12.2015 fielen für die Stadt Homburg Kosten in Höhe von 101.827,19 € an. Angesichts der Tatsache, dass im Zeitraum vom 04. bis 18.12.2015 insgesamt nur  noch minimale Arbeitszeitverstöße eines Mitarbeiters festgestellt wurden, stellen sich diese Kosten, die der Angeschuldigte haushaltsrechtlich nicht nur formell, sondern auch materiell zweckwidrig verursacht hatte, als wirtschaftlich sinnlos und wertlos dar, so dass der Stadt Homburg ein Schaden von 101.827,19 € entstanden ist.

Der  Angeschuldigte hat über seinen Verteidiger eine Einlassung abgegeben, in der er  einräumt, dass die Beauftragung des Detektivbüros und die Freigabe der Rechnungen Fehler waren. Er sei von Mitarbeitern der Verwaltung über Missstände im Bereich des Baubetriebshofs informiert worden. Zum Teil seien dies Gerüchte gewesen, zum Teil aber auch weiterführende und zumindest aus seiner Sicht konkrete Hinweise auf Straftaten. Die Hinweise aus der Verwaltung hätten aus seiner Sicht Anhaltspunkte gegeben, um nach weiterer Sachverhaltsaufklärung hierauf arbeitsrechtliche Konsequenzen stützen zu können. Die Kosten der Beauftragung der Detektei habe er unterschätzt. Auch bei der Präsentation der bisherigen Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen am 03.12.2015 habe er noch an deren Erfolg geglaubt. Insgesamt sehe er rückblickend seine Bewertung der Kosten und auch der Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahme als „zu subjektiv“.

Die Staatsanwaltschaft weist ausdrücklich darauf hin, dass das Urteil über die Schuld nur den Gerichten zusteht und dass jemand solange als unschuldig zu gelten hat, wie ihm nicht durch rechtskräftiges gerichtliches Urteil seine Schuld nachgewiesen ist.

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