Für SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger ist die Rolle der Herausforderin nicht neu: Bereits 2017 trat sie bei der saarländischen Landtagswahl an, um Ministerpräsidentin zu werden. Das schaffte sie damals nicht, nun sehen ihre Chancen deutlich besser aus. Für das große Ziel versucht sie, mit einer ganz bestimmten Saarland-Erzählung zu punkten. Ein Porträt.
Spatenstiche für neue Firmengebäude, ein Besuch beim Biobauer oder der Auftritt beim Stadtradeln – gefühlt ist Anke Rehlinger überall. Und das nicht nur im Wahlkampf. Es ist Alltag für die 45-Jährige. Das liegt jedoch nicht daran, dass sie zu viel Freizeit hätte. Sondern es ist der Tatsache geschuldet, dass Rehlinger Ministerin für ziemlich viele Bereiche ist. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr lautet die Jobbeschreibung. Es dürfte wenige Minister in Deutschland geben, die ein solch breites Portfolio abdecken.
Der Nachteil dabei: Ein solches Arbeitspensum erschwert im Zweifel die Arbeit am Detail und verleitet dazu, nur noch in Schlagworten zu argumentieren. In der Tat ist Rehlinger der Griff zur politischen Phrase nicht fremd. Wer regelmäßig Termine mit der SPD-Politikerin absolviert, der kann ihre Schlagworte irgendwann im Schlaf aufsagen: Strukturwandel, Zukunftstechnologien, neue Mobilitätsangebote. Da besteht durchaus Abnutzungsgefahr. Doch Rehlinger kommt zugute, dass sich die Themengebiete in einer großen Erzählung verbinden lassen. Es ist die Erzählung eines Landes, das sich den Herausforderungen der Zukunft stellt, ohne vor ihnen zu verzagen.
Man tritt der 45-Jährigen wohl nicht zu nahe, wenn man sagt, dass sie sich selbst bei dieser Erzählung eine entscheidende Rolle beimisst. Denn selbstbewusst ist Rehlinger ohne Frage. „Es geht darum, einen Plan zu haben, es geht darum Führungsstärke zu haben und auch die Kompetenz, das beste für dieses Land rauszuholen“, sagt sie. Aufgesetzt wirkt das nicht. Im Gegenteil ist die ausgebildete Juristin spürbar davon überzeugt, dass sie diese Kompetenzen mitbringt. Und so sehen es ausweislich der Umfragen auch viele Saarländer. Die SPD-Politikerin ist beliebt im Land, liegt bei den persönlichen Umfragewerten deutlich vor Ministerpräsident Tobias Hans. Durchaus ungewöhnlich, schließlich gibt es gerade bei Landtagswahlen meist einen Amtsbonus für den amtierenden Regierungschef.
Eine Erklärung dafür lautet, dass die Frau aus dem Nordsaarland äußerst bekannt ist. Bereits seit acht Jahren übt sie ihr Amt aus, große Skandale musste sie nicht überstehen. Das erweckt den Eindruck, dass die SPD-Politikerin ihren Laden im Griff hat. Im krisengeschüttelten Saarland kommt das gut an. Dazu kommt die energische, zupackende Art der Frau, die einen Landesrekord im Kugelstoßen hält. Verzagtheit dürfte ihr kaum jemand unterstellen. Ihre Persönlichkeit scheint somit genau zur Erzählung eines Landes zu passen, das mit Entschlossenheit die Herausforderungen des Strukturwandels angehen muss. Das schafft Authentizität. Kein Wunder, dass Rehlinger genau diesen Punkt hervorhebt, wenn es um ihre Eignung als Ministerpräsidentin geht. „Ich glaube, es geht den Saarländern darum, wer die Dinge vordenkt und sie aus Haltung und Überzeugung heraus macht.“
Vordenken möchte die ausgebildete Juristin in vielen Bereichen. Sei es die Förderung wasserstoffbasierter Antriebe in der Automobilindustrie, die Ansiedlung von zukunftsträchtigen Technologien, der Aufbau einer Gigabitgesellschaft oder der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs – Rehlinger hat viel vor. Ob sich das alles so umsetzen lässt, bleibt natürlich dahingestellt. Aber alleine die Überzeugung in der Rehlinger diese Punkte vorbringt, erwecken beim Wahlvolk offensichtlich den Eindruck, dass hier jemand einen Plan hat.
Wie nachhaltig dieser Eindruck letztlich ist, wird sich an den Wahlurnen zeigen. Entgegen kommt der SPD-Politikerin, dass sie eine rot-rot-grüne Koalition in diesem Jahr kaum in Erwägung ziehen muss, um eine Machtoption vorweisen zu können. „Die Linke ist tief zerstritten und ich glaube nur bedingt handlungsfähig“, schließt sie ein solches Bündnis mehr oder weniger aus. Das klang vor fünf Jahren noch ganz anders, da sorgte nicht zuletzt das Liebäugeln mit einer solchen Koalition dafür, dass sie gegen Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer keine Chance hatte.
Ohnehin hat man bei Rehlinger nicht unbedingt das Gefühl, dass sie geneigt wäre, Unternehmern im Land ihre Arbeit unnötig schwer zu machen. Mit den Wirtschaftsbossen im Land steht sie jedenfalls nicht auf Kriegsfuß, bei Terminen mit Firmenlenkern herrscht meist eine herzliche Stimmung. Von daher scheint eine Koalition unter Einbeziehung der FDP durchaus möglich. Wenn das überhaupt nötig, denn vielleicht reicht es ja auch für Rot-Grün. Oder eben ein erneutes Bündnis mit der CDU – freilich unter veränderten Vorzeichen, wenn es nach Rehlinger geht. „Wir haben gut zusammen regiert mit der CDU. Ich glaube aber, dass sich das Land unter einer SPD-geführten Landesregierung noch besser schlagen kann “ Da ist es wieder, das Selbstbewusstsein der Herausforderin.