Anzeige

Die Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus stellen weltweit die Gesundheitssysteme vor große Herausforderungen. Doch die Zahl der Todesfälle in diesem Zusammenhang variiert von Land zu Land, von Region zu Region. Wie werden die Auswirkungen auf die Gesamtzahlen der Sterbefälle sein? Denn gerade der Vergleich der Sterbefälle über die vergangenen Jahre könnte eine Auskunft darüber geben, wie „schlimm“ die Epidemie im Land verläuft. Durch den in Deutschland bisher doch recht glimpflichen Verlauf im Vergleich zu anderen Nationen, setzt sich in immer mehr Diskussionen die Sichtweise durch, das all die Maßnahmen übertrieben waren.  

Und schaut man sich die bisher zugänglichen Daten nur oberflächlich an, könnte man zu der Feststellung kommen: alles nicht so schlimm bei uns! Schnell blendet man dann gerne mal die Bilder und Zahlen aus dem Ausland oder die zeitlichen Zusammenhänge der Ausbreitung des Virus in Deutschland aus. Auch das es regionale Unterschiede im Infektionsgeschehen – und dadurch auch im Bereich der Fallsterblichkeit – gibt, wird dann gerne ignoriert. Und natürlich ist es richtig und wichtig, über Art und Dauer der einschränkenden Maßnahmen im Saarland zu diskutieren. Doch das kleinste Bundesland der Republik hat durchaus mit problematischen Corona-Infektionen zu kämpfen – die im schlimmsten Falle eben auch mit dem Tode enden.

Anzeige

Zur Beantwortung der Frage der Übersterblichkeit stellte das Statistische Bundesamt am vergangenen Donnerstag nun die mit Spannung erwartenden vorläufige Auszählungen von Sterbefallmeldungen der Standesämter als Sonderauswertung zur Verfügung, die bis zum 5. April 2020 diesen Jahres reicht. Auf Facebook und in den Medien wird diese nun immer öfters dahingehend interpretiert, dass es eben doch nicht so schlimm war mit Corona, mit den Infektionen und mit der Anzahl der Sterbefälle.

Anzeige

Und tatsächlich: von Januar bis März diesen Jahres lässt sich statistisch kein großer Unterschied zu den Vorjahren ablesen. Im Jahresverlauf der Sterbefallstatistik sind die typischen Schwankungen während der Grippezeit ab ungefähr Mitte Dezember zu beobachten. Dies wird beim Blick auf die Zahlen aus den Vorjahren deutlich: Im März 2019 starben in Gesamt-Deutschland beispielsweise etwa 86 400 Menschen, im März 2018, also in einem Jahr, als die Grippewelle besonders heftig ausfiel, waren es 107 100. Auch ohne Corona können die Sterbefallzahlen demnach in der typischen Grippezeit stark schwanken. Von diesen Schwankungen sind insbesondere die Sterbefallzahlen in der Altersgruppe ab 65 Jahren betroffen.

Jahr Januar Februar März
2016 81742 76619 83669
2017 96033 90651 82934
2018 84973 85799 107104
2019 84671 80786 86419
2020 85050 79366 85922

Monatsvergleich der Gesamt-Sterbezahlen in Gesamtdeutschland 2016 – 2020

Die Auswirkungen der Grippewelle im Jahr 2020 waren den vorläufigen Sterbefallzahlen zufolge im Vergleich zu den Vorjahren sehr gering ausgeprägt. Im Januar 2020 starben nach der vorläufigen Auszählung etwa 85 000 Menschen. Im Februar 2020 waren es 79 400 Personen. Auch im März 2020 mit insgesamt mindestens 85 900 Sterbefällen ist bei einer monatsweisen Betrachtung kein auffälliger Anstieg der Sterbefallzahlen im Vergleich zu den Vorjahren erkennbar. Im Saarland zeigt sich für das erste Quartal ein ähnliches Bild. Doch der Teufel liegt wie so oft im Detail.

Lassen sich aus einem Monatsvergleich bisher keine besonderen Auswirkungen für 2020 feststellen, sieht die Welt schon wieder anders aus, wenn man den Betrachtungszeitraum ändert. Denn seit der letzten Märzwoche liegen die wochengenauen Zahlen tendenziell über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, im Saarland für die zwei Wochen vor dem 5.April 2020 sogar sehr deutlich. Da die Grippewelle 2020 seit Mitte März als beendet gilt, ist es naheliegend, dass diese vergleichsweise hohen Werte in einem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen. Normalerweise gehen die Sterbefallzahlen zu dieser Jahreszeit zurück.

Doch so – im negativen Sinne – richtig ins Rollen kam die Corona-Epidemie hierzulande eben auch erst Ende März. So gab es bis zum 13.April 2020 beispielsweise im Saarland eine tägliche Steigerung der aktiven Fallzahlen mit Corona (blaue Kurve der folgenden Grafik), d.h. bis zu diesem Zeitpunkt erkrankten täglich mehr Menschen neu an COVID-19. Hierbei ist zu berücksichtigen, das zwischen Infektion und Meldung der Erkrankung ein Meldeverzug – der Zeitraum zwischen Ansteckung, Erkrankung,Konsultierung eines Arztes, Test und Erfassung der Infektion – liegt. Das bedeutet: die erfasste infizierte Person hat sich eigentlich schon Tage vorher irgendwo angesteckt.

Grafik 3: Corona im Saarland

Doch auch wenn die aktiven Fallzahlen seit Mitte April wieder zurückgehen, lässt sich die Auswirkung der Epidemie bei der Betrachtung der Todesfälle im Saarland wahrnehmen. Zunächst bewegt sich allerdings bei Menschen unter 65 Jahren sowohl bundes- als auch saarlandweit alles im allgemein üblichen bzw. zu erwartenden Rahmen. Für die gesamte Bundesrepublik scheint es im Vergleich zu früheren Jahren erfreulicherweise sogar eher weniger Sterbefälle in dieser Altersgruppe zu geben.

Bei der Altersgruppe Ü65 wiederum sieht es aber anders aus. So ist für Anfang April im Saarland für das Jahr 2020 (Rote Kurve) ein Anstieg der Todesfälle belegbar, der den höchsten Wert im besagten Zeitraum von 2016 bis heute markiert. Da die saisonale Grippewelle hier wie oben schon erwähnt kaum mehr Auswirkungen hatte, lassen sich folglich die Todesfälle gegen Ende des Erfassungszeitraumes auch nicht mehr auf Influenza zurückführen. Die Zahlen unterstützen also die Annahme, dass besonders ältere Menschen zu den Risikogruppen gehören.

Anhand der bis zum 04.April vorliegenden Zahlen lässt sich also belegen, dass sich die Corona-Epidemie – trotz der mittlerweile viel kritisierten Maßnahmen – zumindest im Saarland bei den Todeszahlen Ende März/Anfang April bemerkbar macht. Schon jetzt kann man für die folgenden Kalenderwochen eine höhere allgemeine Sterberate erwarten, da die durch das Gesundheitsministerium gemeldeten Corona-Sterbefälle noch deutlich in einer Größenordnung stiegen (KW15:+24 Tote, KW16: +52 Tote), die sich im Saarland auch in der Statistik bemerkbar machen wird.

Für eine generelle Betrachtung oder abschließende Aussage ist es dennoch freilich noch zu früh, da sich die Zahlen bisher nur bis zum 05.April auswerten lassen. Auch auf Grund der vorhandenen Dunkelziffer an Infektionen ist eine vorläufige Auswertung mit Vorsicht zu genießen. Statistiker wie Gerd Antes weisen zudem darauf hin, dass man erst mit einigen Monaten Abstand aus dann validierten Zahlen die über ein längeres Zeitfenster erfasst wurden, eine mögliche Übersterblichkeit durch Corona zeigen könnte.

Anhand der (vorläufigen) Auswertung des Statistischen Bundesamtes wird deutlich, dass sich für die Bundesrepublik eine Übersterblichkeit nicht feststellen lässt. Allerdings ändert sich die Einschätzung auf lokaler Ebene, wenn man einzelne Regionen wie das Saarland oder stark betroffene Landkreise wie z.B. Heinsberg oder Tirschenreuth betrachtet. Sicherlich hat so manche Maßnahme im Saarland ihren Teil dazu beigetragen, dass sich das Virus nicht so schlimm ausgebreitet hat, wie von vielen Seiten befürchtet. Welcher Schaden in den letzten Wochen wirklich abgewendet, wieviel Todesfälle verhindert wurden, wird man nie feststellen können – und zum Glück auch nicht müssen. Aber sollte man zumindest bei den Diskussionen im Hinterkopf behalten: There is no glory in prevention! – Es gibt keinen Ruhm in der Vorsorge! Aber Vorsorge ist immer besser als Nachsorge…

Hintergrund: Eigene Auswertungen zum Jahresverlauf der Sterbefallzahlen sind auf Basis der Sonderauswertung Sonderauswertung “Sterbefälle – Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen und Bundesländern für Deutschland 2016 bis 2020” möglich. Für die Jahre 2019 und 2020 werden erste vorläufige Daten dargestellt. Ein Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 beinhaltet folglich sowohl endgültige als auch vorläufige Daten. Bei den vorläufigen Daten handelt es sich um eine reine Fallzahlauszählung der eingegangenen Sterbefallmeldungen aus den Standesämtern ohne die übliche Plausibilisierung und Vollständigkeitskontrolle der Daten.

Durch gesetzliche Regelungen zur Meldung von Sterbefällen beim Standesamt und Unterschiede im Meldeverhalten der Standesämter an die amtliche Statistik sind aktuelle Aussagen zur Zahl der Sterbefälle mit einem Verzug von etwa vier Wochen möglich. Durch die verzögerten Meldungen können sich die ersten Ergebnisse für das Jahr 2020 noch leicht erhöhen. Die Sonderauswertung wird wöchentlich aktualisiert.

Text: Daniel von Hofen

Anzeige

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein