Foto: Rosemarie Kappler
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Im Geschichtsbuch der deutschen Fastnacht hat das saarländische Bexbach nun einen festen Platz gefunden. Von hier aus setzten am letzten Donnerstag der Präsident des Bund Deutscher Karneval, Klaus-Ludwig Fess, und Vize-Präsident Peter Krawietz das deutliche Signal: Karneval in der gewohnten Form wird es in keinem der 16 Bundesländer in der Session 2020/2021 geben. Bedeutet: Keine Umzüge, keine Großveranstaltungen.

Ergänzend wurde die für das kommende Jahr geplante 50. Deutsche Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport in der Lanxess Arena in Köln abgesagt. Fess und Krawietz ermunterten die 2,6 Millionen Mitglieder in den 5300 Vereinen und Zünften aber zu Alternativen jenseits der gewohnten Großveranstaltungen und plädierten dafür, dass solche alternativen Veranstaltungsformen nicht durch die Behörden mit einem pauschalen Verbot blockiert werden. „Platzkonzerte unter Einhaltung von Abstandsregeln und digital präsentierte karnevalistische Unterhaltung sollen möglich sein“, hofft Fess auf das Verständnis der entscheidenden Behörden in der Pandemie-Zeit.

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Fess und Krawietz appellierten eindringlich in einer Video-Pressekonferenz an die Vereinsmitglieder, die allgemein gültigen Regeln zur Vermeidung der Corona-Ansteckungsgefahr zu befolgen, Abstand von Großveranstaltungen in Sälen mit großen Menschenansammlungen zu nehmen und Maß zu halten beim Alkoholkonsum, da dieser „nicht unbedingt förderlich ist für vernünftiges und kontrolliertes Verhalten“, so Krawietz. Die ausgesprochenen Mahnungen des Präsidiums gelten insbesondere für jene Mitgliedsvereine, „die sich in einem Gebiet befinden, in dem es von staatlichen Stellen oder Behörden keinerlei Untersagungen und Verbote gibt, die die Zeit bis zum 28. Februar 2021 betreffen.“

Was bei oberflächlicher Betrachtung wie eine rigorose Notstands-Einschränkung auf erwartungsfrohe Fastnachter seitens ihrer Präsidialen wirken kann, steht im Grunde aber völlig im Einklang mit der Ethik-Charta des Bund Deutscher Karneval. Dort heißt es: „Der Bund Deutscher Karneval e.V. versteht sich im positiven Sinne als Sachwalter, Mahner, Bewahrer und Erneuerer des Brauchtums Fastnacht, Fasching, Karneval. Diese sind geprägt von dem jeweiligen gesellschaftlichen Zeitgeist und nicht zuletzt von den Menschen, die das Braumtum erst beleben. Die ersten Wurzeln stammen aus dem 12. Jahrhundert und dokumentieren einen Festkomplex christlicher Prägung.“ Zugegeben: Hier fehlt möglicherweise noch der Einschub, dass auch Notsituationen die Fastnacht verändern können, wie das nunmehr der Fall ist.

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Fess und Krawietz haben sich zu diesem Schritt veranlasst gesehen, weil die Zahl der Corona-Infizierten drastisch steigt, weil Vorgaben und Sanktionen seit Monaten von Bundesland zu Bundesland variieren und weil es in dieser Situation eben unmöglich sei, einheitliche Handlungsempfehlungen für die Mitgliedsvereine auszusprechen und ein bundesweites Organisieren von Gremienarbeit und Veranstaltungen schier unmöglich ist. Die Vereine aber brauchen Verbindlichkkeit, da sie sich mitunter bezüglich Verträgen mit Hallenbesitzern binden, was im Einzelfall zum finanziellen Bumerang werden kann. Betroffen von der gegenwärtigen Situation seien nicht nur die diejenigen, die ausgelassen feiern und fröhlich sein wollen, sondern vor vor allem auch die jungen Tanzsportler in den Garden.

Immerhin gibt es bundesweit 700.000 Jugendlichen in den Mitgliedsvereinen. Ein Großteil übt sich im karnevalistischen Tanzsport. Wegen der Einschränkungen konnten Garden vielfach nicht trainieren. Ein für Meisterschaften erforderliches Leistungsniveau konnte damit nicht erreicht und gehalten werden. In der Folge wurden die Halbfinals abgesagt und nun auch die Deutsche Jubiläumsmeisterschaft. Für letztere hatte man an beiden Tagen mit 14.000 Zuschauern gerechnet, aufgrund der aktuellen Verordnungen könnten es lediglich 2.500 sein.

Schon einmal waren in der jüngeren Vergangenheit karnevalistische Großveranstaltungen abgesagt worden. Das passierte 1991 während des Golfkrieges. Damals hatten gesellschaftliche Gruppen damit gedroht, angesichts der Kriegsdramatik karnevalistische Veranstaltungen zu stören, weil dies nicht zusammenpasse. In der Konsequenz hatte der BDK auf Umzüge entlang der Rheinschiene verzichtet. Doch diesmal ist der Auslöser ein anderer und deshalb appelliert das Präsidium an die Verantwortung jedes Einzelnen und an die Vernunft. Und weil die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, hoffen die obersten Fastnachter auf eine gelingende Session 2022.

 

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