Ulrich Burger ist aktuell natürlich wann immer es geht im Home-Office aktiv. - Bild: Burger
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HOMBURG1: Hallo Herr Burger. Danke, dass sie kurz Zeit für uns gefunden haben. Die meisten Leser kennen sie als Veranstalter der saarlandweit größten Buchmesse ihrer Art, der HomBuch. Hier kämpfen sie normal damit, immer wieder phänomenale Autoren und Stars in unsere Stadt zu holen, privat allerdings tragen sie einen ganz anderen Kampf aus. Erzählen sie uns davon.

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Ulrich Burger: In der jetzigen Zeit ist es wichtig zu sensibilisieren. Risikopatienten sieht man nicht immer an, dass sie Risikopatienten sind und mehr auf sich achten müssen. Gerade auch, wenn diese positiv nach außen wirken. Ich selbst sehe mich gar nicht als Risikopatienten, höre aber immer wieder, dass meine Erkrankung dazu gehört. Vor vier Jahren, es war kurz vor der damaligen HomBuch, kam ich ins Krankenhaus. Es begann mit Kribbeln in den Fußsohlen und das wurde immer schlimmer. Zuerst dachte ich, es läge an meinen neuen Schuhen. Daraufhin kaufte ich mir Fußcreme, dann Einlagen und ähnliches. Als das Kribbeln dann bis Brusthöhe hinaufzog und ich doppelt sah, ging ich erst zum Arzt. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich steuerte gleich einen Neurologen an. Dieser war nur leider nicht da, so ging ich zu einem weiteren, der auch nicht da war. So blieb mir nur noch ein dritter, der mich zum Glück aufnahm. Nach ein paar Untersuchungen schickte er mich gleich ins Universitätsklinikum. Dort fing man direkt mit weiteren Untersuchungen an, obwohl es schon abends war. Ich muss sagen, man hat sich sehr gut um mich gekümmert. Leider konnte ich in jenem Jahr meine HomBuch nicht mitmachen. Der Grund war verständlich, man stellte Multiple Sklerose bei mir fest. Die Therapie begann auch umgehend, da mein Körper voller Entzündungsherde war.

Multiple Sklerose ist eine autoimmune, chronisch-entzündliche neurologische Erkrankung. Sie hat sehr viele unterschiedliche Verlaufsformen, weshalb sie auch „Die Krankheit mit tausend Gesichtern“ genannt wird. Der Körper greift sich selbst an und schädigt Nervenbahnen, was zur Folge haben kann, dass sich Vernarbungen bilden und somit Signale des Gehirns nicht mehr richtig über das Rückenmark weitergeleitet werden können. Sehnerven sowie Bewegungen, oder das Sprechen können zum Beispiel sehr stark beschädigt werden. Heilen kann man diese Erkrankung leider nicht, da man die Ursachen noch nicht kennt, aber man kann sie mit gezielter individueller Therapie positiv beeinflussen. Bei mir verläuft die MS schubförmig. Auch wenn es mir schwerfällt, ich muss mich innerlich ruhig halten und versuchen Stress, soweit es geht, weg zu schieben. Denn je öfter ein Schub kommt, desto schlechter wird das körperliche Empfinden.

HOMBURG1: Die Verbreitung des Coronavirus kam schneller als irgendjemand vermutet hat. Wie haben sie das Thema seit dem ersten Aufkommen aufgenommen. Haben sie die Gefahr selbst direkt realisiert?

Ulrich Burger: Nein. Ich gehöre zu denjenigen, die sich Nachrichten nicht gerne ansehen, da fast nur negativ berichtet wird. Was natürlich seine Daseinsberechtigung hat, aber ich kann schlechte Nachrichten nicht so gut gebrauchen. Ich brauche Harmonie. Zudem gab es Ähnliches schon öfter und immer bekam man es irgendwie in den Griff. Dass sich Covid-19 doch so schnell und in einer solchen Heftigkeit ausbreiten wird, damit hat wohl niemand gerechnet. Schnell hat sich unser aller Leben verändert. Meine Firma macht Kurzarbeit, was bedeutet, dass ich die meiste Zeit zuhause bin. Was eigentlich auch ganz gut ist, abgesehen von dem fehlenden Geld. Meine Kontakte zu anderen Menschen versuche ich so gering wie möglich zu halten.

Welche Gefahr bei diesem Virus für ich besteht kann ich nicht wissen und ehrlich gesagt möchte ich es auch nicht herausfinden. Mit einem Gegenmittel im Hintergrund und ärztlichem Wissen würde ich mich sicherer fühlen. Hoffen wir mal in einem Jahr neu darüber sprechen zu können.

HOMBURG1: Als Multiple Sklerose Patient sind sie auf regelmäßige Behandlungseinheiten angewiesen. Können sie uns von den üblichen Therapieszenarien erzählen? Und wie haben sich diese Methoden aktuell denn verändert bzw. wie sind sie auf die aktuelle Situation angepasst worden?

Ulrich Burger: Zu meinem Glück gibt es keine großen Veränderungen. Alle vier Wochen erhalte ich eine Infusion mit Natalizumab, im Krankenhaus. Nur der Ablauf in der Uni selbst hat sich verändert. Bevor man auf seine Station kann, wird man immer wieder kontrolliert. Mundschutz und Händedesinfektion ist Pflicht. Zudem werden die Infusionspatienten nicht mehr im dafür vorgesehenen Zimmer behandelt, sondern auf einer eigens dafür eingerichteten Etage, wo jeder genug Abstand vom anderen hat. Die Krankenschwestern haben zusätzlich zum Mundschutz noch einen Gesichtschutz, der einer durchsichtigen Schweißermaske gleicht. Ich fühlte mich auf jeden Fall sicher und das ist glaube ich schon viel Wert. Zu meiner Therapie gehört auch Krankengymnastik, die ich für die nächsten Wochen komplett abgesagt habe. Der Kontakt zu anderen Personen ist dort doch schon anders und näher als 1,5m. Auch wenn ich in diesen Situationen positiv denke, muss man nichts herausfordern. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass ich das Virus unbemerkt weitertrage.

HOMBURG1: Haben sie Angst und wie gehen sie mit der Situation um, wie hat sich ihr Alltagsleben verändert?

Ulrich Burger: Angst nicht direkt, eher Respekt. Ich selbst zähle mich ja nicht so zur Risikogruppe. Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Vielleicht ist es eine Art Schutz. In meinem Leben ist so einiges passiert, sodass mich solche Situationen eher heraufordern, als dass sie mich einschüchtern. So ging es auch bei meiner Diagnose. Ich war froh endlich zu wissen, was ich habe, denn nur so konnte ich auch etwas dagegen tun. Und wer weiß denn schon, für was das Virus gut ist? Covid-19 ist ein blödes Virus, doch mir scheint, dass es sehr viele gute Dinge bewirkt. Drücken wir die Daumen, dass unser aller Leben danach ein wenig leichter, stressfreier und glücklicher wird! Für mich selbst hat sich nur verändert, dass ich nicht mehr regelmäßig zur Arbeit kann. Einkaufen geht auch nicht mehr so einfach. Viele Regale sind leider weggehamstert worden.

Was mir von krankheitswegen doch schon etwas zu schaffen macht, ist, dass ich durch verschiedene Entzündungen auch Schluckbeschwerden habe. Zu Beginn war es schlimmer als zum jetzigen Zeitpunkt, aber es zieht mir meine Brust zusammen. Deswegen weiß ich nicht genau, wie sich das Virus bei mir auswirkt. Gegen Verkrampfungen gibt es aber, denke ich, gute Medikamente.

HOMBURG1: Es herrschen strikte Ausgangsbeschränkungen im Land, der Lockdown geht an niemandem vorbei. Ist das in ihren Augen die richtige Methode?

Ulrich Burger: Das mag ich mir gar nicht anmaßen zu beurteilen. Mein Gefühl sagt mir nur, je weniger Kontakte zu anderen Menschen bestehen, desto weniger (schnell) kann sich das Virus verbreiten. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es natürlich eine Katastrophe und ich hoffe sehr, dass alle mit einem blauen Auge davonkommen.

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