Krebspatienten erhalten am UKS in Homburg seit Mitte 2023 eine schonendere, schnellere und präzisere Behandlung. An der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie ist seitdem der „Varian Ethos“ im Einsatz, ein sogenannter Linearbeschleuniger der neuesten Generation, der mit künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert wird.
Das UKS war im Juli 2023 deutschlandweit erst der 7. Standort, der dieses Bestrahlungsgerät in Betrieb genommen hatte. Jetzt wurde damit bereits die 1000. adaptive Bestrahlung durchgeführt – ein Rekordwert, der seinesgleichen sucht.
Zu den drei Säulen der Krebstherapie zählt neben dem Einsatz von Medikamenten und der Operation auch die Bestrahlung. Bei dieser Therapieform wird der Tumor ionisierender Strahlung ausgesetzt. Diese hochintensive Strahlung kann Moleküle im Körper verändern und wird üblicherweise mithilfe von Linearbeschleunigern erzeugt. Die Strahlung soll die Zellen im Tumorgewebe schädigen, insbesondere den Zellkern mit der Erbinformation. Ziel ist es, den Krebs durch die Bestrahlung zu zerstören oder zumindest zu verkleinern, während sich gesundes Gewebe schnell regeneriert.
„Erfreulicherweise hat die Medizintechnik hier in den vergangenen Jahren riesige Fortschritte gemacht. Heute gelingt es, winzige Krebsherde von wenigen Millimetern Größe so gezielt zu bestrahlen, dass das umliegende gesunde Gewebe kaum beeinträchtigt wird“, erklärt Prof. Dr. Markus Hecht, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum des Saarlandes.
Als Meilenstein des technologischen Fortschritts werten Prof. Hecht und sein Team den Einsatz des „Varian Ethos“, an dem Mitte Juli 2023 erstmals ein Patient am UKS behandelt wurde. Künstliche Intelligenz spielt hier eine Schlüsselrolle für die adaptive und hochpräzise Bestrahlung: Innerhalb weniger Minuten ermittelt das Gerät durch seine integrierte Bildgebung mittels Computertomographie die genauen geometrischen Verhältnisse von Tumor und umliegenden Organen. Insbesondere die schwankenden Füllstände der Organe werden dabei berücksichtigt, ebenso ihre Lage sowie die Größe und Lage des Tumors. Anschließend wird die optimale Verteilung der Strahlendosis bestimmt. Dieser KI-basierte Bestrahlungsplan kommt allerdings nicht umgehend zum Einsatz, sondern wird zunächst von erfahrenen Oberärzten und Medizinphysikern geprüft.
Nachdem der Plan überprüft wurde, kann umgehend bestrahlt werden. Für die Planung und die folgende Bestrahlung benötigt der Ethos nur 25 Minuten. „Das ist im Vergleich zum bisherigen Vorgehen enorm schnell. In der Vergangenheit haben wir für die Untersuchung im CT und die anschließende Auswertung samt Erstellung eines Bestrahlungsplanes bis zu drei Arbeitstage veranschlagt“, erläutert Dr. Jan Palm, Leitender Oberarzt in der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie. Da das neue Gerät nicht nur schnell, sondern auch höchst präzise arbeite, seien zudem deutlich weniger Bestrahlungen erforderlich. „Früher erstreckte sich die Bestrahlung eines Prostatakarzinoms über den Zeitraum von sieben Wochen, aktuell behandeln wir mit 20 Bestrahlungen innerhalb von vier Wochen. Unser Ziel ist es, im Rahmen einer klinischen Studie – in Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Klinischen Studienzentrum CTC Saar – die Anzahl der notwendigen Bestrahlungen zukünftig auf fünf zu reduzieren.“
Prostatakarzinome zählen am UKS zu den am häufigsten am Ethos bestrahlten Tumoren. Die Therapie verläuft so erfolgreich, dass immer mehr Männer mit Prostatakrebs auf eine OP verzichten. Auch bei anderen Krebserkrankungen – etwa in der Speiseröhre oder in der Harnblase – erlaubt das neue Gerät eine schonende, nicht-invasive Behandlung, die einen Erhalt der Organe ermöglicht und somit der Lebensqualität der Patienten unmittelbar zugutekommt. Im Zuge der Erfolgserlebnisse steigt auch die Nachfrage: In den vergangenen Monaten haben sich auch vermehrt Patienten aus anderen Bundesländern in der Homburger Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Ethos behandeln lassen.
„Die 1000. Bestrahlung innerhalb von acht Monaten stellt definitiv eine Rekordmarke dar, die bislang deutschlandweit ihresgleichen sucht“, erklärt Horst Dumhard, Geschäftsführer von Varian Deutschland, ein Tochterunternehmen von Siemens Healthineers. Immer mehr Kliniken in Deutschland entscheiden sich für den Ethos Linearbeschleuniger. Die Zusammenarbeit mit dem UKS ist dabei besonders intensiv: Homburg ist das erste und bisher einzige „Siemens Healthineers/Varian Center of Excellence for Advanced Radiation Oncology“. Regelmäßig reisen Ärzteteams aus deutschen und internationalen medizinischen Zentren – zuletzt aus der Schweiz, Spanien, Wales und Belgien – hierher, um sich über die Arbeit mit Siemens Healthineers/Varian Linearbeschleunigern zu informieren und die Geräte im Betrieb zu erleben.
Wie die Bestrahlungen wirken, wie gut Patienten sie vertragen haben und ob dabei Nebenwirkungen aufgetreten sind, erfassen die Mediziner an der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des UKS in einer Registerstudie. Die Ergebnisse werden auf anstehenden Fachkongressen vorgetragen, eine erste Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift ist geplant. Erste Erkenntnisse deuten auf eine sehr gute Verträglichkeit hin. Dennoch hat das Team in den vergangenen acht Monaten auch Optimierungsbedarf ausgemacht: „Bei der Beurteilung des Krebses und bei der teilautomatisierten Planung ist das Gerät in den meisten Fällen schon sehr gut“, erklärt Prof. Hecht. „Bei Patienten, die künstliche Gelenke haben, kann das Metall im Körper jedoch Bildstörungen auf den CT-Aufnahmen verursachen. Das erschwert die Organerkennung. Mit der verbesserten Bildgebung „HyperSight“, welche die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am UKS voraussichtlich im Mai als eine der ersten in Deutschland in Betrieb nehmen wird, können voraussichtlich auch in diesen Fällen die Aufnahmen und somit die Bestrahlungen optimiert werden.“