Im Homburger Stadtrat - Foto: Stephan Bonaventura
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Ein von der Linke-Fraktion im Homburger Stadtrat schon lange betriebenes Vorhaben fand nun quasi Fünf vor Zwölf die mehrheitliche Zustimmung des Rates: Homburg soll weitere sechs Ortsräte bekommen.

Vor dem Hintergrund einer Gleichbehandlung aller Stadtteile und um mehr politische Beteiligung der Bürger zu erreichen, hatte Fraktionschefin Barbara Spaniol im Herbst letzten Jahres mit einem entsprechenden formellen Antrag den Grundstein für die jetzt gefasste Grundsatzentscheidung gelegt. In einem langen Diskussionsprozess hatten sich die Fraktionen und die Stadtverwaltung auf eine Kompromisslösung zur Mitgliederanzahl und zum Zuschnitt der künftigen Gemeindebezirke geeinigt.

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Am letzten Donnerstag musste der Beschluss fallen. Andernfalls wäre mit Blick auf die Kommunalwahl in 2024 die Frist verstrichen, so dass erst mit der übernächsten Legislaturperiode Ortsräte möglich geworden wären. Nun sind die Homburger Parteien aufgerufen, möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen, die sich in den neu zu schaffenden Gremien für ihre Stadtteile engagieren wollen. Denn immerhin sind 2024 zehn Ortsräte mit zusammen 94 Mandatsträgern zu besetzen.

Der Beschluss im Stadtrat, der aus Sicht der Antrag stellenden Linke-Fraktion nun gefasst wurde, um die Weichen für mehr Demokratie und politische Mitgestaltung in Homburg zu stellen, war allerdings keinesfalls einmütig. Selbst innerhalb von Fraktionen gab es unterschiedliche Meinungen dazu. Am deutlichsten wurde das bei den Grünen erkennbar, die zur Hälfte gegen die Einführung neuer Ortsräte stimmte. FDP und Freie Wähler lehnten das Vorhaben ebenfalls ab. Aus Reihen der CDU gab es auch eine ablehende Stimme. Vier Grüne und drei Christdemokraten enthielten sich. SPD, Linke und AFD waren einstimmig dafür, ebenso acht CDU-Stadträte. Am Ende waren es damit knapp über zwei Drittel des Rates die sich klar für eine flächendeckende Struktur von Ortsräten aussprachen.

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Die kontroversen Haltungen der letzten Monate wurden nocheinmal in der Sitzung deutlich. Zu Beginn skizzierte Barbara Spaniol die Haltung der Linke: „Es fehlt in vielen Ortsteilen an gewählten Gremien. Das ist eine Ungleichbehandlung. Dem Vertretungsanspruch aller Bürger wird man nicht mehr gerecht. Es geht um ein Stück mehr Mitbestimmung unterhalb der Ratsebene, es geht um ein Stück mehr Demokratie vor Ort, es geht um mehr Verantwortung vor Ort. Die Einführung von Ortsräten ist ein Schritt, um das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Deshalb sollten in allen Stadtteilen demokratisch gewählte Bürgervertretungen möglich werden.“ Das Modell der Ortsvertrauensleute sei nur ein Hilfskonstrukt auf tönernen Füßen: „Das gibt es auch nur in Homburg.“ Die gänzlich entgegengesetzte Position nahm Axel Ulmcke für die Freien Wähler ein. Mit Blick auf Wörschweiler stellte er fest: „Wir leisten uns Ortsräte unter anderem für nur 250 Bürger. Mir fehlt da die Sinnhaftigkeit. Es wäre besser, wenn man das erforderliche Geld für die Verbesserung der EDV einsetzt, damit Bürger ihre Anliegen direkt an die Verwaltung weitergeben und einen Ansprechpartner finden können.“

Ulmcke kritisierte, dass Bürger ohne Parteibuch auch künftig nicht in den Ortsräten vertreten sein werden und wunderte sich, dass Stadtratsmitglieder nicht in der Lage seien, die Interessen ihrer Bürger zu vertreten. Es sei besser, sie zu Bürgersprechstunden zu verpflichten. „Natürlich kann man es über Sprechstunden machen, aber ein Ortsrat hat ein ganz anderes Gewicht. Es gibt Themen, die besser im Ortsrat diskutiert werden. Ortsräte werden gehört, ihr Votum hat Gewicht bei Stadtratsentscheidungen.

Ortsvertrauenspersonen hingegen sind eine juristische Grauzone. Natürlich muss man aber auch sehen, dass man die Zahl von Ortsräten nicht ausufern lässt“, konterte Michael Rippel für die CDU. Marc Piazolo lenkte den Blick auf die Stellschrauben bei der Einführung: Zahl der Ortsräte, Zahl der Mitglieder und Zuschnitt der Gebietsabgrenzungen. Aus seiner Sicht ist es wichtig, hier auf eine gleichwertige Verteilung zu achten. „Wir haben Ortsräte, da vertritt ein Mandatsträger 50 Bürger und in anderen Stadtteilen sind es bis zu 840.“ Piazolo verdeutlichte auch, dass die Einführung von Otsräten zur finanziellen Mehrbelastung und zur Mehrbelastung von Verwaltungsmitarbeitern führt. „Entscheidungen brauchen eine deutlich längere Vorlaufzeit und es wird dadurch künftig weniger Stadtratssitzungen geben.“ Das bestätigte dann auch Bürgermeister Michael Forster.

Durch die hinzukommenden Ortsräte brauche man mehr Zeit im Vorfeld von Stadtratssitzungen, bis alle Gremien gehört wurden: „Dadurch wird sich der Sitzungsrhythmus des Stadtrates deutlich verschieben. Statt sechs oder sieben Sitzungen werden es dann unter Berücksichtigung der Ferienzeiten möglicherweise nur noch vier sein. Das ein oder andere kann man vielleicht noch mit einer Sondersitzung abfangen.“ Abwicklung und Geschwindigkeit von Entscheidungen würden beeinflusst. Schon im Vorfeld der Sitzung war deutlich geworden, dass das auch Einfluss auf Projektumsetzungen haben kann, dann, wenn durch die längere Vorberatung Fördermittelfristen verstreichen. Das veranlasste Thorsten Bruch (FWG) zu der Aussage: „Das hat was mit Schildbürger zu tun. Wir rennen sehenden Auges ins Verderben. Mit vier Ratssitzungen ist das doch alles nicht zu schaffen.“

Markus Loew für die AfD begrüßte die Schaffung von Ortsräten. Es würden zwar nicht Vertreter aller Parteien in den Gremien sitzen, aber es bestehe ja auch die Möglichkeit zur Bildung von Bürgerinitiativen und Wählergruppen. Auch Wilfried Bohn stand mit der SPD hinter den Ortsräten: „Damit kann man die Identität als Ort stärken und die Identifikation der Menschen verbessern. Natürlich braucht Demokratie Zeit und Geld. Ich finde aber, für Demokratie ist das Geld gut angelegt.“

Gänzlich anderer Meinung war Jörg Kühn (FDP). Ortsräte sind für ihn zahnlose Tiger: „Ich kann mich nicht der Meinung anschließen, dass es der Mitbestimmung dienen würde. Im Ortsrat gibt es keine Entscheidungsbefugnis, keine Finanz- und Personalhoheit. Bei Kosten von 70.000 Euro pro Jahr finde ich es unverantwortlich. Das Schlimmste ist für mich als Praktiker aber die Verschleppung der Arbeit des Stadtrates. Bislang mussten nur wenige Ortsräte beteiligt werden. Entscheidungen werden jetzt zum Ping-Pong-Spiel über mehrere Runden.“ Kühn prophezeite auch, dass selbst die größeren Parteien Probleme bei der Besetzung der Ortsräte bekommen werden, die gewünschte Vielfalt werde es nicht geben.

Aus Sicht der Grünen hätten vier neue Ortsräte genügt. Zudem beantragte Piazolo, dass der Ortsrat Wörschweiler in Einöd und Schwarzenacker integriert werden sollte. Weil der Antrag nicht direkt mit dem Inhalt des Grundsatzbeschlusses in Verbindung stand, wurde er von der Verwaltung zurückgewiesen. Peter Fuchs (CDU) erwiderte allen Kritikern dieses: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Ablehner einmal an Sitzungen in Ortsräten teilnehmen, damit sie sehen wie engagierte Politik gemacht wird. Demokratie hat seinen Preis. Wir sollten bereit sein, Geld zu investieren. Verzicht würde bedeuten, den Ortsteilen Mitwirkung zu nehmen.“

Foto: Linda Barth

Zusammenfassung:

Beschlossen wurde nun im ersten Step die Einführung eines Ortsrats für jeden Homburger Stadtteil. 28 Ja-Stimmen standen acht Gegenstimmen und sieben Enthaltungen entgegen. Somit stand zunächst fest: Es wird ab 2024 insgesamt zehn Ortsräte im Stadtgebiet geben.

Im folgenden Tagesordnungspunkt wurde dann über die jeweiligen Mitgliederzahlen abgestimmt. Die Ortsräte setzen sich wie folgt zusammen:

Homburg-Mitte:  15
Erbach: 15
Kirrberg: 9
Jägersburg: 9
Beeden: 9
Bruchhof-Sanddorf: 9
Reiskirchen: 7
Wörschweiler: 5
Einöd: 9
Schwarzenbach: 7

Die notwendige Satzung für dieses Vorgehen wurde im Anschluss ebenfalls mehrheitlich beschlossen.

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