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Endgültige Entscheidung fällt nach weiterer Verfeinerung der Planung und darauf basierender Kostenschätzung sowie nach einer aktualisierten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und deren Prüfung durch den Rechnungshof.
„Die Landesregierung verfolgt das Ziel, das Gebäude des alten Kultusministeriums für die Nutzung durch das Ministerium für Bildung und Kultur zu sanieren und damit als Denkmal zu erhalten“, erklärte Finanzminister Stephan Toscani nach der heutigen Klausurtagung des Kabinetts, bei der die Landesregierung einen entsprechenden Grundsatzbeschluss gefasst hat.
Weiter sagte Stephan Toscani zur bisherigen und künftigen Vorgehensweise des Landes:
„Die vom Rechnungshof geforderten hohen Anforderungen bei der Sanierungsplanung denkmalgeschützter Gebäude aus dem Jahr 2012 wurden und werden im Rahmen der Planung berücksichtigt, um die bei solchen Projekten immer vorhandenen Kostenrisiken zu minimieren. Dies hat eine sehr gründliche, aber auch zeitintensive Planung zur Folge. Es gilt Gründlichkeit – und damit eine bessere Planungs- und Kostensicherheit – vor Schnelligkeit“.
Im Einzelnen umfasst der Grundsatzbeschluss des Ministerrats die folgenden Eckpunkte:
1. Der Ministerrat schließt sich dem Vorschlag des betontechnologischen Gutachtens an, der das Gebäude für sanierungsfähig hält und eine Betonsanierung der Tragestruktur empfiehlt sowie eine Neuherstellung der Fenster auf einem höheren energetischen Stand einschließt. Außerdem wird das Innenleben an die zeitgemäßen Anforderungen an ein Bürogebäude angepasst.
Von einer umfassenden energetischen Sanierung der Gebäudehülle rät das Gutachten aufgrund der bauphysikalischen Gegebenheiten ab. Die für denkmalgeschützte Gebäude erforderlichen energetischen Anforderungen werden dabei eingehalten.
2. Das Kabinett beschloss, dass die Planung der Gebäudesanierung nunmehr auf Basis des betontechnologischen Gutachtens weiterentwickelt und eine darauf basierende belastbare, weiter verfeinerte, konkretisierte Kostenschätzung für die Sanierungslösung erarbeitet wird.
3. Diese weiterentwickelte Kostenschätzung dient als Grundlage für eine aktualisierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.
Die derzeit vorliegende erste Wirtschaftlichkeitsberechnung beruht auf bislang noch vorläufigen Parametern, welche im weiteren Planungsverlauf weiter zu konkretisieren sind, wie das bei allen Bauprojekten mit fortschreitender Planungstiefe erfolgt.
Das Kabinett erörterte die vorliegenden Erkenntnisse intensiv und kam nach Abwägung aller Umstände, insbesondere der Aspekte Finanzen und Denkmalschutz, zum Ergebnis, dass nach den derzeit vorliegenden Fakten eine Sanierung des Gebäudes vertretbar ist. Die Landesregierung hat dabei alle in Frage kommenden Alternativen zur Gebäudesanierung auf der Grundlage der bislang bekannten Fakten und Einschätzungen geprüft, letztlich aber verworfen. Diese Alternativen sind:
–         Abriss des alten Kultusministeriums und anschließender Neubau an gleicher Stelle;
–         Neubau eines Verwaltungsgebäudes an anderer Stelle und Abriss des alten Kultusministeriums bzw. Sanierung für andere Verwaltungszwecke bzw. Leerstand;
–         Fortsetzung des Mietverhältnisses „Alte Post“ und Abriss des alten Kultusministeriums bzw. dessen Sanierung für andere Zwecke bzw. Leerstand.
Für die Sanierung spricht nach Auffassung der Landesregierung vor allem, dass das Ministerium für Bildung und Kultur in dem sanierten Gebäude erneut untergebracht werden kann. Wenn das Land nach Sanierung des alten Kultusministeriums in der „Alten Post“ jährliche Mietersparungen von 1,1 Millionen Euro (Kaltmiete) und somit einen Beitrag zur Finanzierung der Sanierungskosten erzielt, ist die Sanierung auch aus dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen vertretbar. Das Landesdenkmalamt war bisher in alle Planungsüberlegungen eng eingebunden. Es kann daher unterstellt werden, dass sich aus Auflagen des Denkmalschutzes keine wesentlich über die von dem Gutachten bisher ermittelten Sanierungskosten hinausgehenden Kosten ergeben.
Demgegenüber wäre bei einer weiteren Anmietung der „Alten Post“ zwar ebenfalls die Unterbringung des Ministeriums für Bildung und Kultur geklärt, nicht jedoch der weitere Umgang mit der eigenen Immobilie altes Kultusministerium. Bei einem Abriss dieses Gebäudes würden zwar für die Zukunft laufende Kosten vermieden werden, allerdings würde das Land ein vor dem Hintergrund seiner Geschichte bedeutendes Baudenkmal verlieren.
Bei einer kostenidentischen Sanierung für andere Nutzer gibt es keine haushalterischen Entlastungen durch den Wegfall von Mietzahlungen in der „Alten Post“.
4. Der Rechnungshof wird gebeten, anschließend die unter Ziffer 3 genannte aktualisierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu prüfen.
5. Da es bislang – abgesehen von den Planungskosten – keine Vorsorge für die Finanzierung der Komplettsanierung des alten Kultusministeriums gibt, hat der Ministerrat das Ministerium für Finanzen und Europa gebeten, Modelle für die Finanzierung zu erarbeiten.
6. Wenn dann
–         die weiterentwickelte belastbare Kostenschätzung,
–         die auf dieser Grundlage aktualisierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorliegen und eine Überprüfung durch den Rechnungshof stattgefunden hat
–         sowie die vom Ministerium für Finanzen und Europa zu erarbeitenden Finanzierungsmodelle dazu vorliegen,
wird der Ministerrat eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise treffen.
Hintergrund:
1. Zum Gebäude altes Kultusministerium:
Der Gebäudekomplex des Ministeriums für Bildung und Kultur in der Saaruferstraße 30-32 wurde Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als Französische Botschaft vom Architekten Georges Henri Pingusson (1894-1978) entworfen. Er ist Teil eines umfassenden Neubebauungsplans, der für die Stadt Saarbrücken von Pingusson nach dem Zweiten Weltkrieg entworfen wurde. Nur wenige der damals geplanten Gebäude wurden baulich auch umgesetzt, darunter aber das damalige Botschaftsgebäude, das als Verwaltungsbau vom Ministerium für Bildung und Kultur genutzt wurde. Das prägnante Gebäude wurde in der Zeit von 1951 bis 1954 nach dem Entwurf des Architekten Pingusson unter Mitarbeit von Bernhard Schultheis und Hans Bert Baur als Sitz des französischen Militärgouverneurs an der Saar, Gilbert Grandval, erbaut. Das Gebäude mit seinen sechs verschiedenen Gebäudeteilen stellt ein bedeutendes Zeugnis der Architektur der 50er Jahre dar und ist in seiner Ausprägung einzigartig. Aufgrund seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung und der herausragenden architektonischen Stellung wurde das Bauwerk in den 80er Jahren in die Liste der denkmalwerten Gebäude gemäß Saarländischem Denkmalschutzgesetz aufgenommen. Der Architekt Pingusson, Professor an der École des Beaux Arts und Gründungsmitglied der Union des Artiste Modernes und des Congès International d’Architecture Moderne, steht in der Reihe mit Le Corbusier. Mit Blick auf die saarländische Geschichte und die Realisierung des Gebäudes im Zusammenhang mit der vom Architekten Pingusson geplanten städtebaulichen Entwicklung Saarbrückens nach 1945 handelt es sich aus Sicht des Landesdenkmalrates um das bedeutendste Baudenkmal der 50er Jahre im Saarland.
2. Anforderungen des Rechnungshofs an die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude
In seinem Jahresbericht vom 21. Juni 2012 hatte der Rechnungshof im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau für die Universitätsbibliothek des Saarlandes mitgeteilt, dass er im Rahmen seiner Prüfung eine Verdreifachung des 1997 im Wettbewerbsverfahren vorgegebenen Kostenrahmens festgestellt habe. Als Ursache für diese Kostenexplosion hat der Rechnungshof die mangelhafte Kostenprüfung im Rahmen des Wettbewerbsverfahrens, den langen Umsetzungszeitraum und die geänderte Gesamtkonzeption aufgrund mangelhafter Bausubstanzanalyse in der Vorbereitungsphase ausgemacht. Darüber hinaus wurden die Gründe für Kostensteigerungen bei der Abwicklung der Maßnahme analysiert. Neben einer unzureichenden Voruntersuchung des Altbaus hätten Fehler in den Vergabeverfahren und nicht eingehaltene Zusagen der Universität des Saarlandes zu Mehrkosten geführt.
Basis jeglicher Planung an denkmalgeschützten Bestandsgebäuden sollten intensive Voruntersuchungen der Bausubstanz sein. Darüber hinaus stellt der Rechnungshof im Jahresbericht 2011 folgende Parameter bei der Sanierungsplanung denkmalgeschützter Gebäude auf:
–         Investitionskosten
–         Betriebskosten
–         Funktionalität
–         Gestaltung
–         Städtebauliche Aspekte
–         Nachhaltigkeit
–         Denkmalwert
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