Oft kommt es ja nicht gerade vor, dass Bürger am Homburger Forum demonstrieren. Doch am Montag war es dann doch mal so weit: Rund 50 Menschen forderten vor dem Landratsamt die generelle Einführung von Tempo 30 innerorts. Teilweise ging es sehr emotional zu. Landrat Gallo stellte sich und rief zu Geduld auf.
Eigentlich ging alles recht friedlich los. Ein Liedchen wurde zum Beginn der Demo angestimmt. „30km/h innerorts, na klar!“ hieß es da noch unter eher freundlich klingenden Gitarrentönen. Doch so heiter sollte es nicht bleiben. Bald traten nämlich die ersten Redner an das Mikrofon und riefen ihre Forderung über den Platz am Forum.
Und die war denkbar einfach: Tempo 30 soll es innerorts geben. Überall, ohne Ausnahme. „Es ist beschämend, dass zuerst tödliche Unfälle geschehen müssen, bevor man präventiv handelt“, fasste die Ortsvertrauensfrau von Beeden, Katrin Lauer, die Position der Demoteilnehmer zusammen. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die BUND Regionalgruppe Bliesgau, bei der auch Lauer Mitglied ist.
Die Argumente waren bei allen Rednern ähnlich. Mehr Sicherheit, Lärmschutz, Lebensqualität – das alles soll Tempo 30 innerorts bringen. Einer, der schon seit Jahren für Tempo 30 in der Beeder Pirminiusstraße kämpft, ist Christoph Ecker. Für die Anwesenden versuchte er mit teils emotionalen Worten die Situation für die Betroffenen zu beschreiben. „Die Raserei ist unbegrenzt, das hat zum Teil Renncharakter. Das führt dann dazu, dass Kinder und Fahrradfahrer angefahren werden.“ Seine Rede gipfelte schließlich in einer klaren Ansage an Landrat Theophil Gallo. „Gehen Sie in die Verantwortung oder gehen Sie aus der Politik!“
Doch zeigt das Beispiel Pirminiusstraße auch: So einfach sich die Forderung nach Tempo 30 anhört, so kompliziert ist die Umsetzung einer solchen Maßnahme. Denn die Straße ist keine Kreisstraße. Somit müsste eine etwaige Entscheidung von der Stadt gefällt werden. Und nicht nur die Kompetenzverteilung steht einem einfachen Durchgreifen des Kreises im Weg. Auch die Rechtslage macht die pauschale Einführung von Tempo 30 de facto unmöglich. Das wissen natürlich auch diejenigen, die vor dem Landratsamt demonstrierten.
Denn laut Straßenverkehrsordnung ist die Anordnung von Tempo 30 auf Kreisstraßen nur „im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern“ möglich. In diesem Zusammenhang forderten die Redner den Landrat dazu auf, sich politisch für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung einzusetzen. Dies „stünde den Landkreisen gut an“, so Ortsvertrauensfrau Lauer.
Was jedoch rein rechtlich möglich ist, sind Modellprojekte, die für einen befristeten Zeitraum die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme an bestimmten Gefahrenstellen ergründen sollen. Ein solches Projekt hatte der Kirkeler Gemeinderat in einem Beschluss Ende April gefordert. Letztlich ist für dessen Genehmigung jedoch der Kreis zuständig, der den Antrag gerade überprüft. Walter Nägele, SPD-Gemeinderatsmitglied in Kirkel, geht diese Prüfung jedoch nicht schnell genug, wie er auf der Demo verdeutlichte. „Alle Fakten dazu liegen auf dem Tisch!“
Viele Kritikpunkte also an den Landrat, der diese offenkundig so nicht stehen lassen wollte und schließlich selbst ans Mikrofon trat. Dabei zeigte er zwar Verständnis für das Anliegen der Bürger, verdeutlichte aber auch die Schwierigkeiten, in denen er als Landrat steckt. Gerade mit Blick auf die Rechtslage. „Wenn ich heute hingehe und eine Maßnahme anordne, die rechtswidrig ist, wird sie morgen kassiert. Das hilft keinem von uns.“ Vielmehr sehe er die Bundespolitik am Zug, die die Straßenverkehrsordnung so ändern müsse, dass die Kommunen selbst entscheiden könnten. „Da muss man sich auch in Berlin bewegen, aber wenn wir gemeinsam in diese Richtung arbeiten, bekommen wir das hin.“
Unterstützung bekommt Gallo hinsichtlich dessen vom Fraktionsvorsitzenden der SPD- Kreistagsfraktion, Esra Limbacher, der sich in einer Pressemitteilung äußert. „Ich finde, die Kommunen können am besten entscheiden, welche Geschwindigkeiten in welchen Straßen angemessen sind. Dafür braucht es aber vor Ort mehr Entscheidungsspielräume. Die Städte und Gemeinden sollen selbst entscheiden und neue Modelle von Geschwindigkeiten erproben können.“ In Bezug auf das angedachte Modellprojekt in Kirkel verwies Landrat Gallo auf die noch ausstehende Prüfung. „Das geht nicht von heute auf morgen.“