Die Entscheidung ist gefallen, die Homburger Bürger dürfen über das Schicksal des suspendierten Oberbürgermeisters Rüdiger Schneidewind abstimmen. Das Ergebnis im Stadtrat war am Ende eindeutig: 41 Ja-Stimmen gegen ein Nein. Doch so einmütig sich der Beschluss anhört, so hitzig war die Debatte zuvor. Vor allem die SPD stand heftig in der Kritik.
Ein Ja nach dem anderen schallte durch den Saalbau – geradezu friedlich ging die namentliche Abstimmung zum Bürgerentscheid über den suspendierten OB Rüdiger Schneidewind vonstatten. Kaum mehr zu glauben, dass diese Entscheidung die Mitglieder und Fraktionen des Stadtrats über Monate hinweg entzweit hat. Und doch kam es auch an diesem Abend wieder zu Schuldzuweisungen und gegenseitigen Vorwürfen. Zwischenrufe inklusive.
Der Grund: Erst vergangene Woche hatte sich die SPD-Fraktion auf Wunsch Schneidewinds dazu entschlossen, dem Bürgerentscheid zuzustimmen. Zwar stieß die Entscheidung selbst bei den Räten auf einhellige Zustimmung. Bemängelt wurden jedoch sowohl Zeitpunkt als auch Beweggründe.
„Es ist ein bisschen schade, dass diese Entscheidung der SPD so spät gekommen ist“, fand nicht nur CDU-Fraktionschef Dr. Stefan Mörsdorf. Auch Vertreter von Grünen, AfD und Linkspartei äußerten diese Kritik in ihren Debattenbeiträgen. Und Mörsdorf machte auch gar keinen Hehl daraus, wieso ein früherer Entscheid der SPD-Fraktion aus seiner Sicht sinnvoll gewesen wäre. „ Man hätte das wunderbar verbinden können mit der Bundestagswahl, das hätte der Stadt viele Kosten und Ärger bei der Organisation gespart.“
Von Seiten der AfD kamen Vorwürfe, die SPD würde „parteitaktische Spielchen“ weiterführen. „Jetzt wo der Termin mit der Bundestagswahl nicht gehalten werden kann, gibt es plötzlich diese 180-Grad-Wende der SPD“, so der Fraktionsvorsitzende Markus Loew. Prof. Marc Piazolo von den Grünen sprach darüber hinaus von einem „Imageschaden“, der der Stadt durch die Hängepartie um Schneidewind entstanden sei.
Aber nicht nur die SPD stand während der Debatte unter Beschuss. Auch Schneidewind selbst, der auf der Zuschauertribüne Platz nahm, wurde heftig kritisiert. Sowohl CDU, Grüne, AfD als auch die Grünen legten dem suspendierten Oberbürgermeister den Rücktritt nahe. Barbara Spaniol von der Linkspartei wurde dabei grundsätzlich. „Dieses Amt gehört nicht einer Person, sondern repräsentiert unsere Stadt. Diese ist massiv beschädigt, das ist beschämend.“
Natürlich wollte die SPD diese Vorwürfe nicht so stehen lassen und führte an, „alles dafür getan zu haben“, dass die Entscheidung früher habe stattfinden können. „Zum Beispiel hatten wir, als der Rat den ersten Schritt unternommen hatte, das Abwahlverfahren auf den Weg zu bringen, einen Antrag auf Sondersitzung gestellt. Der wurde aber von der Verwaltung abgelehnt“, so Fraktionschef Wilfried Bohn. Der Plan sei gewesen, vor der Sommerpause die „Hängepartie“ zu beenden.
Freilich hätte die SPD damals einem Bürgerentscheid wohl kaum zugestimmt und daran entzündete sich dann auch ein weiterer Konflikt zwischen den Fraktionen, der bisher in der Homburger Stadtpolitik noch keine große Rolle gespielt hat: der Umgang mit der AfD. „CDU, Grüne und Linkspartei hätten sich bei der Abstimmung zu 100% auf die AfD verlassen müssen“, kritisierte Bohn. Somit könnten diese Parteien „froh“ sein, dass die SPD nun mit ihnen abstimme.
Dieser Vorwurf wiederum sorgte für Empörung bei allen angesprochenen Fraktionen. Langanhaltende Zwischenrufe waren die Folge. Begriffe wie “Unverschämtheit” waren da zu vernehmen. CDU, Grüne verwiesen darauf, dass die SPD ja bereits zuvor für den Entscheid habe abstimmen können, um die AfD nicht zum Zünglein an der Waage werden zu lassen. AfD-Mann Loew warf der SPD ein „zweifelhaftes Demokratieverständnis“ vor. „Sie scheinen ein Problem damit zu haben, dass eine Fraktion in die Ratsarbeit eingebunden wird und kreieren so ein Problem, wo keines ist.“
Kaum zu glauben, dass bei so vielen Vorwürfen am Ende der Debatte zwei fast einstimmige Beschlüsse des Rates vorlagen. Denn nicht nur der Bürgerentscheid selbst wurde vom Rat gebilligt. Auch der Terminvorschlag der Verwaltung, der 28. November, wurde mit nur einer Enthaltung beschlossen. „Unsere Verwaltung ist bereits stark bei der Bundestagswahl eingebunden. Außerdem müssen für den Bürgerentscheid selbst ebenfalls noch einige Vorbereitungen getroffen werden“, begründete Bürgermeister Michael Forster, wieso die Bürger vermutlich erst in zweieinhalb Monaten zu den Urnen gerufen werden.
Ein möglicher späterer Termin bei der Landtagswahl im kommenden März sei aufgrund der rechtlichen Lage „wohl kaum haltbar“, wie Forster verdeutlichte. Zuvor hatte Winfried Ansslinger von den Grünen diesen Termin ins Spiel gebracht. Ganz in trockenen Tüchern ist der 28. November freilich noch nicht. Zuvor muss noch das Innenministerium diesem Datum zustimmen. Rund um die Causa Schneidewind gibt es also weiterhin eine Menge zu klären.