Kohle, Gas, Atom – selten wurde so viel über Energieträger diskutiert wie heute. Grund ist die drohende Energiemangellage, die im Winter ganze Industriezweige in Deutschland in die Knie zwingen würde. Um das zu verhindern, geht nun unter anderen das Kraftwerk Bexbach an den Markt. Wann es so weit sein soll und welche Schwierigkeiten bis dahin zu bewältigen waren, erfuhren Kommunalpolitiker bei einem Besuch vor Ort.
Es ist ein Horrorszenario, das über Deutschland schwebt: Sollte der Republik in den kommenden Monaten tatsächlich das Gas ausgehen, droht ein Rückgang der Wirtschaftskraft um fast 10%, Industriebetriebe sowie viele kleinere und mittlere Unternehmen stünden vor dem Aus – und dürften unwiederbringlich verloren sein. Seit einigen Monaten versucht die deutsche Politik händeringend, Energiekapazitäten zu nutzen, die in den letzten Jahren in der politischen Elite tabu waren. So sollen auch Kohlemeiler wieder an den Markt gebracht werden. So wie das Kraftwerk Bexbach.
Seit 2017 läuft dieses nur noch im Reservebetrieb, wird also nur dann angeworfen, wenn Stromengpässe drohen. Ein solcher droht nun auch, nur eben nicht für einige Tage oder Wochen, sondern für ganze Monate oder Jahre. So erscheint es nur folgerichtig, dass das Kraftwerk nun mindestens bis 2024 wieder komplett an den Markt geht. „Wir sind mit 380.000 Volt Hochspannung ein Knotenpunkt und strategisch bedeutsam“, erklärt Kraftwerksleiter Michael Lux vom Betreiber STEAG. „Schließlich nützt es gar nichts, wenn der Strom in Norddeutschland ist, wenn er hier gebraucht wird.“ Lux geht sogar noch weiter und bringt einen Betrieb bis über 2030 hinaus ins Spiel. Bei Erneuerbaren Energien, Speichertechnik und dem Netzausbau habe man in Deutschland nämlich in den vergangenen Jahren zu wenig getan. „Da kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Dinge in den nächsten fünf bis 10 Jahren vernünftig geregelt werden.“
Bevor es jedoch um eine solch langfristige Nutzung geht, musste das Kraftwerk kurzfristig in die Lage versetzt werden, Strom zu erzeugen. Dabei war weniger das Technische ein Problem, sondern vielmehr die Anlieferung des Rohstoffs Steinkohle an sich. Knapp ist der auf Weltmarkt zwar nicht, dennoch musste vor dem Hintergrund des eigentlich geplanten deutschen Kohleausstiegs eine ganze Logistikkette wieder in Gang gebracht werden. „Wir hatten logistische Engpässe“, sagt Hans Wolf von Koeller, Leiter der Energiepolitik bei STEAG. „Das betraf Lokführer genauso wie Hafenarbeiter, die die Kohle in Rotterdam ja erst verladen müssen.“ Seit 1. Oktober läuft der Kohleantransport jedoch, fünf Züge sind bereits angekommen, 180.000 Tonnen Steinkohle sollen im Oktober nach Bexbach kommen. Denn spätestens am 1. November soll es mit der Verstromung wieder losgehen. “Mein Ziel ist es aber, das schon im Oktober zu schaffen”, so Kraftwerksleiter Lux. Zusammen mit anderen wieder an den Markt gehenden Steag-Kraftwerken könnte letztlich ein Viertel der Gasverstromung substituiert werden. Was wiederum bedeutet, dass Gas für die Haushalte und Betriebe frei würde.
Damit das alles klappt, braucht es aber natürlich auch das Personal. Schon vor einigen Jahren wurde in Bexbach die Belegschaft von über 300 auf 120 Mitarbeiter reduziert. Die sind zwar hochmotiviert, wie der Betriebsratsvorsitzende des Kraftwerks Bexbach, Thomas Zimmer unterstreicht. Aber natürlich bringt ein solcher Stellenabbau bei einer solch plötzlichen Inbetriebnahme unter Volllast durchaus Schwierigkeiten. „Nur noch die Hälfte hier sind voll ausgebildet. Auf die Älteren kommen deshalb höhere Belastungen zu, denn die Jüngeren müssen erst angelernt werden“, sagt Zimmer. Dennoch werde man das Ganze aber meistern.
Und damit auch den politischen Verantwortungsträgern unter die Arme greife, die in den letzten Jahren wahrlich keine energiepolitische Glanzleistung abgeliefert haben. Das weiß auch deer Homburger SPD-Bundestagsabgeordnete Esra Limbacher, der beim Besuch in Bexbach aber in erster Linie in die Zukunft schauen will. „Es geht jetzt darum, die ideologischen Scheuklappen abzulegen und alles zu tun, um diese Lage zu meistern.“ Es müsse nun so viel Strom wie möglich produziert werden und alles an den Markt kommen. In Bexbach ist man jedenfalls startklar.