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Ob in Industrie, Verkehr und Verwaltung, ob in der Arbeitswelt oder im Alltag: Die zunehmende Digitalisierung hat zu einem weiteren Wachstum der Rechenzentren in Deutschland geführt. So verzeichnet die Branche zwischen 2012 und 2022 einen Anstieg der IT-Anschlussleistung um 90 Prozent. Insbesondere Cloud-Dienste treiben das Wachstum. Auch der Strombedarf ist gestiegen. Er lag im Jahr 2022 bei insgesamt 18 Mrd. Kilowattstunden – 2012 waren es noch 11 Mrd. kWh.

Zugleich unterstützen die Rechenzentrumsbetreiber die Klimaziele der Bundesregierung und den Weg hin zu einem nachhaltigeren und perspektivisch CO2-neutralen Betrieb. Die Rechenleistung ist u.a. durch die Weiterentwicklung von Hard- und Software deutlich stärker gestiegen als der Bedarf an Energie: Die Effizienz der Rechenzentren hat sich in den vergangenen Jahren dadurch insgesamt versechsfacht. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Bitkom-Studie „Rechenzentren in Deutschland: Aktuelle Marktentwicklungen – Update 2023“, die vom Borderstep Institut durchgeführt wurde.

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Demnach bezieht heute ein Großteil der Rechenzentren regenerativ erzeugtem Strom. Basierend auf Befragungen von Rechenzentrumsbetreibern verfügt mindestens die Hälfte der größeren kommerziellen Rechenzentren in Deutschland über Ökostrom-Verträge. „Kaum ein Lebens- und Wirtschaftsbereich kommt ohne die Leistungen von Rechenzentren aus. Sie sind das Rückgrat der Digitalisierung und für unsere digitale Souveränität und den Klimaschutz gleichermaßen unabdingbar“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Die Klimaziele können ohne Digitalisierung und damit ohne Rechenzentren nicht erreicht werden.“

Rechenzentren sind nicht nur in Deutschland auf Wachstumskurs, sondern weltweit. 2022 belief sich der globale Serverbestand auf rund 85,6 Millionen Stück. Im Jahr 2015 waren es noch 58.8 Millionen. Der Anteil Deutschlands am weltweiten Serverbestand hat sich im gleichen Zeitraum von 3,5 Prozent auf 3 Prozent leicht reduziert. Der größte Teil der Server befindet sich in den USA sowie in China. In Deutschland wird das Wachstum vor allem durch den zunehmenden Ausbau von Cloud Computing getrieben: 89 Prozent der Unternehmen in Deutschland nutzen inzwischen Cloud-Anwendungen – die Kapazitäten von Cloud-Rechenzentren haben sich in den vergangenen 5 Jahren fast verdoppelt: von 470 MW (2017) auf 880 MW (2022). Aktuell machen Cloud-Rechenzentren 38 Prozent des Marktes aus. Auch der Edge-Rechenzentrumsmarkt kommt langsam in Schwung, bewegt sich mit 101 MW Anschlussleistung im Jahr 2022 allerdings noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau.  Traditionelle Rechenzentren werden weiter betrieben, jedoch mit leichtem Abwärtstrend (2022: 1.360 MW). Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit 3.000 Rechenzentren mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und mindestens 10 Server-Racks. Hinzu kommen ca. 47.000 kleinere IT-Installationen. Ob Cloud, traditionell oder Edge: Zusammen kommen die Rechenzentren in Deutschland auf eine IT-Anschlussleistung von insgesamt 2.341 MW, 2012 waren es noch 1.362 MW.

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Frankfurt und Berlin sind wichtigste Standorte

Deutschlands wichtigster Standort für Rechenzentren ist weiterhin das Land Hessen, insbesondere das Gebiet Frankfurt/Main mit dem DE-CIX als Europas größtem Netzwerkknoten. Knapp ein Drittel der deutschen Rechenzentrumskapazitäten befinden sich dort, im Vergleich mit den anderen Top-Standorten in Europa wächst Frankfurt aktuell am schnellsten. Dahinter folgt Berlin. Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind für Betreiber von Rechenzentren ebenfalls interessant. Brandenburg profitiert insbesondere von der Nähe zu Berlin.

Gestiegene Energiepreise belasten Rechenzentren

Ein nachhaltiger und klimafreundlicher Betrieb ist noch wichtiger geworden. In einer Befragung von Rechenzentrumsbetreibern und Experten im Rahmen der Studie geben 90 Prozent an, die Nachhaltigkeit von Rechenzentren werde künftig eine enorme Bedeutung bekommen. 87 Prozent stimmen der Aussage zu, die Versorgung mit klimaneutral erzeugtem Strom werde in Zukunft immer wichtiger. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen alle deutschen Rechenzentren ab 2024 zu 50 Prozent und ab 2027 zu 100 Prozent mit Ökostrom betrieben werden. „Bis dahin ist die Energiewende in Deutschland nicht umgesetzt und es ist schlicht nicht ausreichend Strom aus regenerativen Quellen verfügbar. Rechenzentren müssen demnach überproportional regenerativ erzeugten Strom aufkaufen, und der fehlt dann an anderer Stelle, wo er ebenfalls gebraucht wird“, betont Rohleder. „Die selektive Ökostrom-Pflicht für Rechenzentren hat nicht die geringste Auswirkung auf Deutschlands Klimabilanz. Gleichzeitig verschlechtert sie die Standortbedingungen bei uns. Bereits heute bieten andere europäische Länder deutlich geringere Stromkosten bei besserer CO2-Bilanz.“

Die Industriestrompreise schwanken innerhalb Europas stark und variieren je nach Jahresverbrauch der Abnehmer. Ende 2022 zahlten Industriekunden in Deutschland mit einer Leistungsaufnahme von 5 MW – und damit auch Rechenzentren in dieser Größe – durchschnittlich 24,6 Cent pro kWh. In Frankreich musste ein vergleichbares Rechenzentrum lediglich 13,5 Cent veranschlagen, 18 Cent in den Niederlanden oder 16 Cent in Schweden. Für das Jahr 2023 wird überdies eine Mehrbelastung der deutschen Rechenzentren durch die gestiegenen Strompreise von ca. 1,8 Milliarden Euro erwartet. Rohleder: „Die Bundesregierung kündigt einerseits einen vergünstigten Industriestrompreis an, belastet andererseits aber die Rechenzentren und ihre Kunden mit Zusatzkosten in Milliardenhöhe. Das macht weder wirtschafts- noch klimapolitisch Sinn.“

Wie sich der Energiebedarf künftig entwickelt

Aktuell haben die deutschen Rechenzentren einen Energiebedarf von 18 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr – das entspricht etwa 0,55 Prozent am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland.  Wie sieht die Entwicklung künftig aus? Die Prognosen bis 2030 weisen aktuell eine große Spannweite auf: Im Falle eines extremen Wachstum der Kapazitäten könnte sich der Energiebedarf auf bis zu 34 TWh pro Jahr belaufen. Bei einer linearen Fortführung der bisherigen Entwicklung erhöht sich der Energiebedarf bis 2030 weniger stark auf etwa 27 TWh. Werden die Effizienzpotenziale bei Infrastruktur, Hard- und Software konsequent genutzt, fällt der Anstieg des Energiebedarfs der Rechenzentren sehr viel geringer aus. Wollte man den Energiebedarf deutscher Rechenzentren unter das aktuelle Niveau absenken, würde dies in großem Umfang die Verlagerung großer Rechenzentren ins Ausland bedingen. „Energie einzusparen liegt im ureigensten Interesse der Rechenzentren: Sie verringern ihre ohnehin schon hohen Stromkosten und sie leisten einen Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. „Je energieeffizienter und nachhaltiger Rechenzentren betrieben werden, desto besser ist überdies nicht nur ihr eigener ökologischer Fußabdruck, sondern zugleich der Fußabdruck digitaler Lösungen und Anwendungen insgesamt – sei es in Privathaushalten beim Streaming oder bei der Internetnutzung, sei es in Industrieprozessen oder in der Verwaltung.“

CO2-Emissionen steigen durch Kohleverstromung wieder leicht an

Die Treibhausgas-Emissionen deutscher Rechenzentren sind in den Jahren 2012 bis 2020 trotz des starken Zubaus von Kapazitäten nicht gestiegen. Lagen sie ausgehend vom deutschen Strommix im Jahr 2012 noch bei 6,5 Millionen Tonnen CO2, so belief sich dieser Wert im Jahr 2020 auf 6,4 Millionen Tonnen. Wegen des gestiegenen Anteils an Kohle im deutschen Energiemix sind die CO2-Emissionen der Rechenzentren in den vergangenen zwei Jahren dann sprunghaft auf 7,4 Millionen Tonnen im Jahr 2021 und auf 7,8 Millionen Tonnen in 2022 nach oben gegangen – und dies, obwohl mindestens die Hälfte der kommerziellen Rechenzentren schon heute auch über Ökostromverträge verfügt. Die sind jedoch in Art und Umfang individuell sehr unterschiedlich. Wird in Deutschland das politische Ziel erreicht, nach dem der deutsche Strommix bis 2030 zu 80 Prozent aus Erneuerbaren besteht, würden sich die Emissionen der Rechenzentren bis dahin allein aus diesem Grund entsprechend halbieren. Wird die geplante Pflicht zur Klimaneutralität ab 2027 umgesetzt, sind Rechenzentren schon deutlich früher – zumindest auf dem Papier – CO2-neutral.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „Rechenzentren sind die Schaltzentralen einer nachhaltigen Digitalisierung. Video-Konferenzen statt Dienstreisen, eine smarte Heizungssteuerung in Gebäuden, eine intelligente Verkehrssteuerung oder automatisierte Prozesse in der industriellen Fertigung – mit Hilfe der Digitalisierung können Energieverbrauch und CO2-Emissionen in großem Umfang reduziert werden.“ Das CO2-Einsparpotenzial durch die Digitalisierung ist dabei um ein Mehrfaches höher als ihr eigener CO2-Ausstoß, wie die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ zeigt.

Große Offenheit für Abwärme-Nutzung – und große Hürden

Die Nutzung von Abwärme ist für die Branche dabei ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz. 70 Prozent der Betreiber und Experten halten die Möglichkeit, Abwärme zu nutzen, in Zukunft für ein wichtiges Kriterium bei der Standortwahl. 67 Prozent halten es überdies grundsätzlich für richtig, dass Rechenzentren ihre Abwärme künftig zur Weiternutzung anbieten müssen. Das geplante Energieeffizienzgesetz geht nach Ansicht des Bitkom jedoch weit übers Ziel hinaus, da darin nicht nur das Angebot, sondern eine erzwungene Abgabe von mindestens 20 Prozent der Abwärme vorgesehen ist, die technisch allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen umsetzbar ist. „Um Abwärme abgeben zu können, braucht es jemanden, der die Abwärme auch tatsächlich abnehmen kann und abnehmen will“, sagt Rohleder. „Allerdings fehlen vielerorts noch die dafür nötigen Fernwärmenetze der 4. Generation. Bleibt es bei den nun vorgesehenen Regelungen, können neue Rechenzentren zukünftig nur noch dort angesiedelt werden, wo solche Abwärmenetze vorhanden oder verbindlich vorgesehen sind. Dabei muss die Standortwahl von Rechenzentren einer anderen Logik folgen, als dies die Abwärmenetze tun. Rechenzentren werden dort gebraucht, wo in großem Umfang Strom aus grundlastfähigen Quellen bereitsteht und ein hoher regionaler Bedarf an Rechenpower herrscht.“

Ansatz der EU verfolgen

Bereits existierende Rechenzentren sind aufgrund der eingesetzten Kühltechnologien zudem nur mit hohem oder sehr hohem Aufwand für eine Abwärmenutzung umrüstbar. Aktuell fürchtet die Hälfte der befragten Betreiber von Rechenzentren und Experten (52 Prozent), dass eine zu starke Regulierung dazu führen wird, dass sehr viel weniger Rechenzentren in Deutschland gebaut werden. Rohleder: „Wenn Rechenzentren ins benachbarte Ausland abwandern, ist damit weder der deutschen Wirtschaft noch dem Weltklima geholfen. In seiner aktuellen Form würde das Energieeffizienzgesetz den Rechenzentrumsstandort Deutschland gefährden und die Digitalisierung bremsen. Dadurch werden vor allem auch die Bemühungen der Bundesregierung für mehr digitale Souveränität, die Sicherheit kritischer Infrastrukturen und die Beendigung einseitiger Abhängigkeiten konterkariert.“

Bitkom spricht sich dafür aus, dass sich Deutschland dem Ansatz der EU anschließt und von allen neuen Rechenzentren eine Kosten-Nutzen-Bewertung der Abwärmenutzung verlangt werden soll. Die Nutzung von Abwärme der Rechenzentren sei sinnvoll, aber ohne entsprechende Abnehmer und die erforderlichen Infrastrukturen realitätsfremd. Auch müsse der grüne Strommix politisch noch stärker vorangetrieben werden – Vorgaben zur Abnahme von Ökostrom könnten nur bei einem ausreichenden Angebot an Ökostrom Wirkung entfalten. Rohleder: „Deutschland braucht leistungsfähige und sichere Rechenzentren. Die Rechenzentrumsbetreiber in Deutschland unterstützen ausdrücklich das Ziel, ihre Energiebilanz weiter zu verbessern und die Digitalisierung klimafreundlich zu gestalten.“

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