Foto: Rosemarie Kappler
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Über die Jahrzehnte hinweg hatten sich die Medien im Nachgang zu den traditionellen Rathausstürmen der Fastnachter am Fetten Donnerstag vielfach der Sprache der Karnevalisten bedient. Da war die Rede von närrischen Truppen, von Ansturm, von Verteidigung, von Überrennen, vom Schlachtenruf Alleh-Hopp, von Kampf ums Rathaus, vom glorreichen Sieg der Narren und von der Niederlage der Bürgermeister geführten Verwaltungen. Im Nachgang zum Fetten Donnerstag 2022 ist das anders.

Die Worte und Begrifflichkeiten haben durch den von Putin befohlenen Angriff auf militärische Bereiche in der Ukraine eine gänzlich andere Bedeutung bekommen. Die Realität zeigt, dass eben nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ bedeutet und dass sich Heiterkeit und Ausgelassenheit nicht verordnen lassen, wie es der Narren Brauch vorsieht. Corona hatte das in 2021 deutlich gemacht, Putin tut dies im laufenden Jahr.

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Im Saarland hatten vor diesem Hintergrund manche Kommunen den traditionellen Rathaussturm abgesagt. Im Saarpfalz-Kreis hielten Blieskastel und Bexbach aber daran fest. Im Vorjahr begnügten sich eine Handvoll von Vertretern der Bexbacher Karnevalsvereine mit einem vorm Rathaus gemachten symbolischen Foto von der Schlüsselübergabe, um an das Brauchtum der Fastnacht zu erinnern. Die zunehmenden Lockerungen im laufenden Jahr hatten mehr möglich gemacht, aber längst keinen Volksauflauf. Elferräte, Gardemitglieder, das Prinzenpaar Tobias I. von Geld und Leben und Prinzessin Sarah I., die Präsidialen von Blätsch und MGM sowie der Bexbacher Verwaltungschef Christian Prech hatten sich auf eine „Rathausübergabe light“ verständigt.

Hätten ein oder zwei Tage zwischen den Angriffen auf ukrainische Ziele durch Putins Militär und dem Vorhaben der Narretei im Saarland gelegen, dann hätte er die Veranstaltung abgesagt, sagte Bürgermeister Prech unserer Redaktion auf Anfrage. So aber hätten sich die Ereignisse überstürzt. „Auf ein Feiern haben wir ja verzichtet. Aber es ging ja auch um Brauchtumspflege, mehr noch aber um das, was die Vereine auszeichnet: Gemeinschaft und die wertvolle Jugendarbeit“, sagte Prech und nimmt damit die gleiche Position ein, wie der Bexbacher Klaus-Ludwig Fess, der als Präsident des Bund Deutscher Karneval die Interessen sämtlicher Fastnachtsvereine in Deutschland vertritt und der als Gast die Schlüsselübergabe an das Prinzenpaar vor dem Rathaus still im Hintergrund mitverfolgte.

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Das kleine Bohei löste sich in der Tat sehr schnell auf. Die Narretei ging ihrer Wege, feierte in kleinem Kreise an verschiedenen Orten; die Verwaltungsmitarbeiter gingen zur Tagesordnung über, machten sich weiter über ihre Arbeit her, die an diesem Tag ein Stück mehr geworden war. Denn aus dem Innenministerium war die Anweisung gekommen, dass sich die Verwaltung Gedanken über die Unterbringung von zu erwartenden Flüchtlingen aus der Ukraine machen soll. Ein Rathaus zwischen Narrensturm und Putins Krieg.

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Bild: KG Die Blätsch Bexbach 1953.
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