Rüdiger Schneidewind - Foto: Rosemarie Kappler
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Homburgs Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind ist seit 2019 vom Dienst suspendiert und gilt seit 2022 in Folge der sogenannten „Detektiv-Affäre“ als vorbestraft. Noch gibt es kein Urteil im kürzlich abgeschlossenen Disziplinarverfahren beim saarländischen Innenministerium gegen ihn. Seine reguläre Amtszeit endet am 30. September. Dann würde er offiziell in den Ruhestand versetzt.

Um seine Pensionsansprüche nicht zu verlieren, muss er sich zuvor einer Wiederwahl stellen. Im Februar hatte Schneidewind nun seine vorzeitige Pensionierung beantragt. Statt im Oktober hätte er dann bereits im April in den Ruhestand treten können, sein Name wäre auf keiner Wahlliste aufgetaucht. Doch dafür musste zunächst der Stadtrat grünes Licht geben. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde am Donnerstag nach lebhaften Diskussionen allerdings nicht erreicht. Lediglich 26 Mandatsträger stimmten dem Antrag zu, 15 enthielten sich, zehn waren der Sitzung ferngeblieben. Mit diesem Ergebnis verhinderte der Homburger Stadtrat Schneidewinds vorzeitigen Ruhestand.

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Die Entscheidung machten sich die ehrenamtlich tätigen Bürgervertreter keineswegs leicht angesichts der komplexen Materie, über die gut bezahlte Juristen seit Jahren zu befinden haben. Mit einem Ja zum Antrag hätten sie zwar einen Schlussstrich unter ein Kapitel ziehen können, das dem Image der Kreisstadt seit langem schadet, und das den Steuerzahler bereits viel Geld gekostet hat. Allerdings hätte die vorzeitige Berentung die Stadt weiteres Geld für mögliche Nachzahlungen an Schneidewind gekostet, die sich wohl im sechsstelligen Bereich bewegen könnten. Zudem hatten verschiedentliche Medienbeiträge in den letzten Tagen für Verwirrung gesorgt. Mal war die Rede davon, dass das Disziplinarverfahren und die Berentung zwei verschiedene Dinge seien, die nichts miteinander zu tun hätten, mal wurde auf die enge Verflechtung beider Entscheidungsprozesse verwiesen.

Der öffentlich gemachte Hinweis des Innenministeriums, dass ein Nein gegen die vorzeitige Berentung des Oberbürgermeisters durchaus als Vertrauenszuwachs des Rates gesehen werden könnte, sorgte zum Teil für Kopfschütteln im Stadtrat, wo sich einige Mandatsträger deshalb vom Ministerium unter Druck gesetzt fühlten. Und schließlich ging es auch um vermutete „wahltaktische Spielchen“. Eine Kandidatur Schneidewinds im Falle einer nicht vorzeitigen Berentung könnte ja anderen OB-Kandidaten Stimmen wegnehmen. Es war also ein komplizierter Mix von Argumenten, die für und gleichzeitig gegen eine Zustimmung sprachen, weshalb Emotionalität vorprogrammiert und Rationalität im Nachteil war.

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Michael Rippel (CDU) wollte in Schneidewinds Antrag nichts anderes als einen weiteren „Taschenspielertrick“ sehen, „mit dem er versucht, eine Illusion zu erzeugen, die aufgrund ihrer komplexen Umstände nur schwer zu enttarnen ist.“ Moralisch sei Schneidewinds Handeln schon längst nicht mehr zu rechtfertigen. Der richtige Zeitpunkt zu handeln sei längst überschritten. Nicht der Stadtrat, sondern Schneidewind selbst und das Innenministerium hätten die ganze Zeit über das Zepter in der Hand gehabt und eine unsägliche Verzögerungstaktik an den Tag gelegt. „Hätte das Innenministerium das Verfahren abgeschlossen, das vor zwei Jahren wieder aufgelebt ist, dann bräuchten wir heute gar keine Entscheidung zu treffen“, sagte Rippel und war der Meinung, dass das Ministerium den Schwarzen Peter dem Stadtrat zuschiebe. Zudem versuche das Innenministerium eine Art Beeinflussung, wenn es die Möglichkeit in Erwägung zieht, der Stadtrat hätte inzwischen mehr Vertrauen in Schneidewind, wenn er dem Wunsch nach vorzeitiger Berentung nicht entspreche. Dass Schneidewind erst jetzt an vorzeitigen Ruhestand denke, hänge wohl damit zusammen, dass das Ministerium inzwischen doch über eine härtere Bestrafung nachdenke. Rippel selbst war der Ansicht: „Schneidewind muss weg.“

Markus Loew (AfD) bedauerte, dass Schneidewind nicht schon 2020 die „Goldene Brücke“ der vorzeitigen Pensionierung gegangen ist, stattdessen für die Hängepartie verantwortlich ist und die Stadträte am Nasenring durch die Manege führe. „Wir haben kein Vertrauen mehr, räumen sie ihren Stuhl“, sagte er. Katrin Lauer hielt für die Grüne fest: „Schneidewind konnten wir seit Jahren nicht loswerden. Er hat die Stadt und die Steuerzahler ausgenutzt.“ Skandalös sei, dass er sich mit einer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand finanziell besser stelle. Im Ruhestand sei zwar eine Entfernung aus dem Amt nicht mehr möglich, aber eine Kürzung seiner Bezüge, begründete sie ein mehrheitliches Ja ihrer Fraktion zum Antrag.

Wilfried Bohn (SPD) mahnte mehr Sachlichkeit in der Diskussion an. Es gehe um Vertrauen. Und da sehe er, dass dieses im Rat mehrheitlich nicht mehr vorhanden sei, und auch Schneidewind habe mit seinem Antrag erklärt, dass ihm das Vertrauen des Rates fehle. Damit sei für die SPD die Voraussetzung vorhanden, dem Antrag zuzustimmen.

Thorsten Bruch (FWG) gingen die emotionalen Redebeiträge sichtlich gegen den Strich: „Ich bin erschüttert über die Vorträge. Wir haben hier sachlich und emotionslos zu entscheiden zum Wohle der Stadt Homburg. Diesen Eindruck habe ich leider nicht. Wir müssen jetzt einen Neuanfang wagen und Kosten sparen.“ Auch Jörg Kühn (FDP) machte deutlich, dass es notwendig sei, emotionsfrei zu entscheiden. Der CDU warf er vor, dass sie eben emotional entscheide. Es sei gar makaber zu sagen, „wir haben kein Vertrauen in die Amtsführung, aber wir stimmen gegen den Antrag. Das ist widersprüchlich und fast schon als paranoid zu bezeichnen.“ Der eigentliche „Skandal im Skandal“ ist für Kühn die Dauer des Verfahrens. Fünf Jahre lang habe sich das Innenministerium Zeit gelassen, um keine Entscheidung zu treffen, um dann auch noch die Entscheidungsfindung outzusourcen, obwohl es genügend Juristen im Ministerium gebe.

Barbara Spaniol (Die Linke) kritisierte, dass Schneidewinds Antrag auf vorzeitigen Ruhestand ohne Begründung eingereicht worden war und wohl unter dem Druck der Ereignisse gestellt wurde. Es gehe um Taktik und um die Bezüge. Auch Peter Fuchs kritisierte, dass Schneidewind keine Begründung mitgeteilt habe für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Auch habe man keine verlässlichen Aussagen über die finanziellen Auswirkungen für die Stadt bekommen, wofür der Rat eigentlich verantwortlich sei. Insofern kein Ja zum Schneidewind-Antrag, stattdessen Enthaltung bei der überwiegenden Mehrheit der CDU. Letztlich war in der Sitzung der gegenseitige Vorwurf „wahltaktischer Spielchen“, formuliert von SPD und CDU, das Sahnehäubchen in einer Entscheidungsfindung, die sprichwörtlich zwischen Pest und Cholera einzuordnen war. Homburg jedenfalls hat nun erst einmal wieder mit einer Schlagzeile von sich Reden gemacht, die kein schnelles Ende der „Causa Schneidewind“ nahelegt.

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