Landrat Dr. Theophil Gallo überreicht Erzbischof Adam Szal die Gemeinsame Erklärung der kommunalen VertreterInnen der Städte und Gemeinden des Saarpfalz-Kreises Foto: Roman Lyko
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Markowa, ein Dorf im Südosten Polens im Kreis Lancut gelegen, einem Partnerkreis des Saarpfalz-Kreises, das bislang eher unbekannt war. In Markowa lebten Jozef und Wiktoria Ulma mit ihren sechs Kindern. Das Ehepaar versteckte während der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg trotz drohender Lebensgefahr zwei jüdische Familien, um sie vor dem Holocaust zu retten. Jozef und seine hochschwangere Frau Wiktoria wurden jedoch verraten und mit ihren sechs Kindern und den acht Juden, die sie versteckt hatten, am 24. März 1944 erschossen.

Anderen Mitmenschen in Markowa gelang es, noch 21 Juden zu retten. 2016 wurde am Ort, wo die Familie damals lebte, ein Museum eröffnet, das an polnische Bürger erinnert, die ihr Leben für die Rettung von Juden vor dem Holocaust riskierten oder verloren. An der Wand vor dem Museum sind Tafeln mit den Namen der Mitmenschen angebracht, die Juden retteten, während beleuchtete Tafeln auf dem Vorplatz an diejenigen erinnern, die bei der Rettung von Juden ihr Leben verloren haben. Wegen der Vielzahl der Personen sind nur diejenigen genannt, die sich auf dem Gebiet der heutigen Woiwodschaft Podkarpackie gegen die Verfolgung und Ermordung von Juden stellten. 

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Das nach der Familie Ulma benannte Museum und Markowa waren am 10. September 2023 Ort der Seligsprechung der Familie, nachdem Papst Franziskus im Dezember 2022 in einem Dekret das Martyrium des polnischen Ehepaars und seiner sieben Kinder anerkannt hatte. Die Geburt des siebten Kindes muss während der Hinrichtung eingesetzt haben.

An diesem im polnischen Partnerkreis Lancut einmaligen Ereignis, bei dem höchste Amtsträger aus Kirche und Politik vertreten waren, nahmen auf Einladung von Landrat Adam Krzyszton Landrat Dr. Theophil Gallo, die langjährigen Kreistagsmitglieder Dieter Knicker und Roland Engel sowie die Europabeauftragte Dr. Violetta Frys teil. Bereits am Vortag versammelten sich zum Auftakt unweit des Museums der Familie Ulma tausende Menschen, darunter viele geistliche und politische Repräsentanten. Zu den offiziellen Rednern gehörte auch Landrat Dr. Theophil Gallo, der im Anschluss dem Erzbischof von Przemysl, Adam Szal eine Urkunde – die Gemeinsame Erklärung der kommunalen Vertreter der Städte Bexbach, Blieskastel, Homburg und St. Ingbert sowie der Gemeinden Gersheim, Kirkel und Mandelbachtal sowie des Saarpfalz-Kreises – überreichte. Die Übergabe erfolgte ausdrücklich auch im Namen des Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager: „Die Gemeinsame Erklärung ist ein Zeichen der Anteilnahme, des Respekts und der Anerkennung der Familie Jozef und Wiktoria Ulma und ihrer sieben Kinder aus der Gemeinde Markowa im Landkreis Lancut. Sie dokumentiert die gemeinsame Verantwortung und die Verpflichtung unserer weiteren grenzüberschreitenden partnerschaftlichen und freundschaftlichen Zusammenarbeit im Sinne des Internationalen Bündnisses für Frieden und Zusammenhalt in Europa vom 4. Juli 2022 und der Proklamation der Dekade der Jugend und der Erinnerung vom 12. Mai 2023“ so Dr. Gallo in seiner Rede. 

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In der eigens für diesen besonderen Anlass verfassten Urkunde erklären der Landrat und die Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Saarpfalz-Kreises als Mitunterzeichner, dass sie das Schicksal der Familie Ulma als Mahnmal für die aktive Pflege einer Erinnerungskultur im Auftrag des Friedens verstehen. Im Sinne ihrer kommunalen Verantwortung sehen sie sich in der Pflicht, in enger Zusammenarbeit mit dem Partnerkreis Lancut die Erinnerung an die gemeinsame Vergangenheit wachzuhalten und durch gezielte Aufklärungsarbeit und Förderung des grenzüberschreitenden Austauschs zu verhindern, dass sich solche oder ähnliche Verbrechen an der Menschheit, wie sie der Familie Ulma angetan wurden, wiederholen. Dabei soll die Erinnerungsarbeit der Woiwodschaft Podkarpackie und des Partnerlandkreises Lancut als Vorbild dienen. 

Die Rede des saarpfälzischen Landrates wurde aufmerksam verfolgt. „Stellvertretend für die Millionen Opfer von Terror und Krieg dürfen wir diese neun Menschen der Familie Ulma niemals vergessen. Auf Basis der heutigen Seligsprechung wollen wir stets und im Gedenken an sie in ihrem Namen handeln und Verantwortung übernehmen gegenüber der Jugend und allen Mitmenschen. Wir müssen sie anleiten und dafür sensibilisieren, dass wir alle der Verantwortung gerecht werden, die aus den Verbrechen unserer Vorväter erwachsen ist“, so Dr. Gallo in seiner Rede.

Die feierliche Messe tags darauf mit der Zeremonie der Seligsprechung in Markowa verfolgten über 30.000 Menschen vor Ort. Papst Franziskus war per Videoübertragung aus dem Vatikan zugeschaltet. Kardinal Marcello Semeraro leitete das besondere kirchliche Fest, an dem die Delegierten des Saarpfalz-Kreises ebenfalls teilnahmen. „Die Geschichte der Familie Ulma und das heutige Museum in Markowa im Partnerlandkreis Lancut sollte für uns eine besondere Bedeutung haben“, so Landrat Gallo. Als erste und wichtigste Station der ersten Delegationsreise des Saarpfalz-Kreises nach Lancut im August 2019 symbolisiert das Museum auf einzigartige Weise die Grundlage einer Freundschaft und die Verständigung auf gemeinsame Werte der Zusammenarbeit. Den beiden Landräten der Partnerkreise liegt es sehr am Herzen, die Ereignisse der Vergangenheit mit Bedacht und Rücksicht auf individuelle Schicksale und Geschichtswahrnehmungen anzusprechen und die Thematik durch gemeinsame Projekte der Jugend- und Erinnerungsarbeit für die Bürger ihrer beider Länder bewusst und zugänglich zu machen. Ziel ist es, einen gemeinsamen historischen Hintergrund zu schaffen und zu bewahren, der das Geschehene zwar leider nicht ungeschehen zu machen vermag, der jedoch die Schattenseiten der Vergangenheit auch nicht ausblendet, das Unsagbare sagbar werden lässt und in konstruktivem Austausch die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für ein weiterhin friedvolles Miteinander in einem geeinten Europa ermöglicht.

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