Für fünf Sanierungsgebiete in der Innenstadt muss in 2022 die Abrechnung erfolgen. Nach Möglichkeit sollen die betroffenen Bürger verschont bleiben. Denn zum Teil handelt es sich um Sanierungsmaßnahmen der 70er, 80er und 90er Jahre. - Foto: Rosemarie Kappler
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Stadtverwaltung und Stadtrat Bexbach bauen zurzeit auf das Prinzip Hoffnung. In einer Dringlichkeitssitzung wenige Tage vor Heiligabend musste ein Beschluss herbeigeführt werden, der ein Thema betrifft, das zwar über 45 Jahre in die Vergangenheit hineinreicht, das aber aus verschiedenen Gründen nie abschließend bearbeitet wurde.

Es geht um die noch offen stehende Sanierungsabrechnung für 41 Hektar Innenstadtfläche. Ein Thema, gegen das 2013 betroffene Bürger schon einmal auf die Barrikaden gegangen waren. Grund: Für viele Grundstückseigentümer war es nicht einsehbar, dass sie nach Jahrzehnten wegen eines nicht nachvollziehbaren Mehrwertes zur Kasse gebeten werden sollten. Andere hatten überhaupt keine Kenntnis davon, dass sie Boden und Immobilien in einem Sanierungsgebiet erworben hatten. Weil sich 2013 offenbar solche Situationen auch andernorts häuften, war die Bundesjustiz aufgefordert, sich mit der Sachlage und möglichen Verjährungsfragen zu befassen. Das hatte zur Folge, dass seither das Thema in Bexbach ruht, weil man das Urteil abwarten wollte.

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Bis 2011 hatte Bexbach für verschiedene Innenstadtgebiete von Fördermitteln des Bundes im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen profitiert. Nach Beendigung aller Maßnahmen, die in Teilen bis auf das Jahr 1974 datierten, forderte die Landesbaubehörde die Stadt zur abschließenden Abrechnung auf. Weil an dem Umlageverfahren auch Bürger als Nutznießer zu beteiligen sind, musste ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, das jeden einzelnen Sanierungsabschnitt und jede Immobilie in den Blick nahm. Hierzu beauftragte die Verwaltung den Gutachter Harald Zorn aus Schlehdorf zum Komplettpreis von 400.000 Euro. Dem hatte der Stadtrat zugestimmt.

2013 lagen die Grobdaten vor. Aus Sicht des Gutachters hätten die 400 betroffenen Bürger zahlen müssen. Alleine für den Sanierungsabschnitt A (u.a. Teile von Kolpingstraße, Johannes-Bossung-Straße, Bahnhofstraße, Oberbexbacher Straße und Aloys Nesseler Plat) hätten 137 Betroffene mit Zahlungen in Höhe von gesamt 300.000 Euro rechnen müssen. Wegen der nicht geklärten Verjährungsfrage wurde das Ganze allerdings erst einmal ruhen gelassen. 2019 erbte Bürgermeister Christian Prech (CDU) von seinem Amtsvorgänger Thomas Leis (SPD) diese schlummernde „Zeitbombe“.

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Nach eigenem Bekunden sei er seit November 2019 an diesem Thema dran und habe versucht eine Lösung herbeizuführen. Nun hat das Land selbst Fakten geschaffen. Das bei Klaus Bouillon angesiedelte Bauministerium hat die Kommunen aufgefordert bei den bislang nicht abgerechneten Sanierungsgebieten klar Schiff zu machen. Nach Kenntnis des Bexbacher Bürgermeisters seien das 123 Gebiete saarlandweit von denen 70 inzwischen abgerechnet seien. Prech hatte dem Ministerium die einstigen Gutachten von Harald Zorn vorgelegt und um Stellungnahme gebeten, wie damit zu verfahren sei. Seitens des Ministeriums kam man zu dem Schluss, dass die Kurzgutachten keine ausreichende Aussagekraft haben. Die Verwaltung war gezwungen, neue Gutachten in Auftrag zu geben. Dem Angebot des günstigsten Bieters (60.000 Euro) stimmte der Rat  in der Dringlichkeitssitzung zu und hofft, dass davon lediglich ein Drittel von der Stadt zu tragen sind. In der Sitzung erklärte Prech: „Es ist wichtig, dass wir das Gutachten vor dem 31. Dezember beauftragen, da auch das Land in der Pflicht ist, gegenüber dem Bund alle Sanierungsmaßnahmen in 2022 abzurechnen. Das Ministerium hat aber in den Raum gestellt, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Urteile vom Bundesverwaltungsgericht und der fortgeschrittenen Zeit Bürger nicht mehr zur Kasse gebeten werden sollen.“

Auch der renommierte Verwaltungsjurist Kröninger sehe gute Chancen, dass Abrechnungen abgeblockt werden könnten. „Es besteht also die berechtigte Aussicht, dass Beiträge nicht nach Jahrzehnten noch von den Bürgern übernommen werden müssen“, zeigte sich CDU-Fraktionschef Dr. Karl-Heinz Klein zuversichtlich. Volker Stumpf (Linke) hätte diese Zuversicht gerne auch geteilt, doch war er nicht sicher, „ob nicht noch andere Leichen im Keller liegen“. Dirk Vogelgesang (SPD) lenkte den Blick auf die lange Zeit seit 1974 und hofft ebenfalls darauf, dass die Bürger nicht zahlen müssen. Er war es auch, der den Blick darauf lenkte, wer letztlich die Rechnung zu begleichen hat: Die Stadt selbst. „Wo die Kommune letztlich das Geld her nimmt, müssen wir sehen“, sagte er. SPD-Fraktionschef Jan Hornberger ermunterte den Rat dazu, nach vorne zu blicken und nicht auf die Vergangenheit. Damit allerdings war Andreas Betz (CDU) nicht ganz einverstanden: „Es ist ja Geld, das die Kommune irgendwann hätte abrechnen müssen. Irgendwann gab es ja eine Wertsteigerung; das wäre der Zeitpunkt gewesen, die Abrechnung durchzuführen, weil ein echter Mehrwert entstanden ist. Was das Rechtsempfinden betrifft muss man natürlich irgendwann eine Grenze ziehen, das ist klar. Die Vergangenheit muss aber betrachtet werden. Es hätte eine Abrechnung gemacht werden müssen. Jetzt wird alles in den nächsten Haushalt verlagert.“

Hornberger versuchte dennoch Milde walten zu lassen, unterstellte der früheren Verwaltung wie auch den Stadträten, dass alle bestrebt waren, eine Lösung zu finden, die die Bürger nicht belastet. Dem hielt Bürgermeister Prech entgegen: „Manchmal muss ein Bürgermeister auch seiner Einnahmepflicht nachkommen. Natürlich hat auch Thomas Leis das Problem geerbt. Letztlich hat man aber auch von der Sanierung profitiert.“ Auch darauf reagierte Hornberger und erinnerte daran, dass mit Blick auf die lange Zeitspanne auch 20 Jahre lang CDU-Bürgermeister Bexbach verwaltet hatten. Zum Ende der Sitzung verlas Karl-Heinz Klein noch eine Resolution der CDU mit dem Ziel, alles Erdenkliche dafür zu tun, dass der real-Markt in Bexbach erhalten bleibe. Das Thema sollte auf die Tagesordnung einer der kommenden Sitzungen.

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