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Europa als Chance für unser Land 

Zur Grundausrichtung unseres Landes gehört seit seinem Bestehen die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses. Im Zentrum stehen dabei ohne Frage unsere engen Beziehungen zum Nachbar Frankreich – Beziehungen, die wir mit unserer Frankreichstrategie weiter vertiefen werden. Ganz wichtig ist uns hierbei das Erlernen der französischen Sprache.

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Um dabei jedes Missverständnis auszuräumen: Die Frankreichstrategie bedeutet keine einseitige Fixierung auf die französische Sprache. Vielmehr ist sie Teil einer weiter gefassten internationalen Ausrichtung, die im Zeitalter der Globalisierung für ein exportabhängiges Land wie das Saarland unverzichtbar ist. Und zu dieser inter- nationalen Ausrichtung gehört ganz selbstverständlich auch die Beherrschung der englischen Sprache. Es geht um Französisch und Englisch, um nichts anderes.

Der sprachlich-kulturelle Aspekt ist das eine. Das andere ist der ökonomische Mehrwert, den eine vertiefte Kooperation verspricht. So zum Beispiel beim grenz- überschreitenden Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt ist bereits weit gediehen, wie uns die Pendlerzahlen zeigen. Aufgrund schwindender Deutschkenntnisse in der jüngeren Generation sinkt allerdings die Pendlerzahl aus Lothringen. Aus diesem Grund hat man dort mittlerweile eine Deutschlandstrategie in Gang gesetzt mit einer Stärkung des Deutschunterrichts. Man hat also auf beiden Seiten verstanden.

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Hinzu kommen aber auch bürokratische Hürden. Einige davon haben wir bereits abgebaut – auch dank unserer Task Force Grenzgänger. Wir sind aber längst noch nicht am Ziel einer gänzlichen Hindernisfreiheit. Da müssen wir noch dicke Bretter bohren, was wir aber auch tun werden.

Das Gleiche gilt für den grenzüberschreitenden Ausbildungsmarkt. Mit unserem Ab- kommen über die grenzüberschreitende Berufsausbildung und unserer Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung haben wir wichtige rechtliche und institutionelle Voraussetzungen geschaffen. Das reicht aber bei weitem noch nicht aus. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass der rechtliche Rahmen auch lebendig ausgefüllt wird; dass die damit verbundenen Möglichkeiten und Chancen auch insbesondere von den jungen Menschen als solche wahr- und angenommen werden.

Frankreichstrategie, das heißt für mich aber auch eine ganz gezielte Unternehmenspolitik. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Küchenhersteller „Nobilia“. Unsere saarländische Wirtschaftsministerin verdient hohe Anerkennung dafür, dass ihr die- se Neu-Ansiedlung in Saarlouis gelungen ist. Das ist nicht nur ein Meilenstein saarländischer Industriepolitik. Das ist auch ein Meilenstein für unsere Frankreichorientierung. Denn ein zentraler Aspekt für diese Standortentscheidung waren die günstigen Voraussetzungen für einen Markteintritt nach Frankreich – ein Standortvorteil, den wir noch offensiver vermarkten und ausbauen müssen. Es darf in ganz Deutschland keinen besseren Servicepartner für Frankreich geben als das Saarland. Das muss unser festes Ziel sein.

Ein weiteres Beispiel für konkrete Zukunftschancen ist das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung anvisierte deutsch-französische Zentrum für Künstliche Intelligenz. Hierzu ist das Saarland mit dem DFKI geradezu prädestiniert, eine bedeutende Rolle zu spielen. Denn es beschäftigt schon seit Jahren französische Mitarbeiter und arbeitet längst schon mit renommierten internationalen Partnern wie dem EIT Digital in Brüssel oder dem INRA in Frankreich eng zusammen. Sollte es tatsächlich zu einem solchen deutsch-französischen KI-Zentrum kommen, erwartet uns ganz gewiss ein harter und scharfer Standortwettbewerb. Dennoch sehe ich für uns beste Chancen, in diesem Wettbewerb eine wichtige Rolle zu spielen.

Das Gleiche gilt für den Vorstoß des französischen Staatspräsidenten, eine Europäische Universität zu gründen. Unsere Universität der Großregion mit über 130.000 Studierenden, über 10.000 Dozenten, 18 mehrsprachigen Studiengängen und einem gemeinsamen Studentenausweis bringt hierfür die besten Voraussetzungen mit. Wir werden diese Initiative mit Kräften unterstützen und den Hut der Großregi- on rechtzeitig in den Ring werfen.

Aber auch in der Breite werden wir sehr viel stärker die Grenznähe nutzen müssen. Ich denke etwa an speziell auf den französischen Kunden zielende Werbestrategien für die Geschäftswelt. Ich denke an unsere Dependance in Paris, die künftig sehr viel gezielter den Investitionsstandort Saarland in der französischen Metropole vermarkten wird. Ich denke aber auch an eine Art Monitoring für das Frankreichgeschäft saarländischer Unternehmen. Wo hakt es im Marktzugang? Wo bestehen Hürden und Probleme für Geschäftsbeziehungen nach Frankreich? Ich bin dem Wirtschaftsministerium und unserer Europa-Abteilung dankbar, dass dort derzeit genau daran gearbeitet wird. Denn nur wenn wir all die kleinen Haken und Ösen kennen, nur dann können wir uns auch um Abhilfe bemühen.

Meine Damen und Herren, es ist ja mittlerweile zum Breitensport geworden, gegen Europa Klage zu führen; gegen die Überregulierung der Kommission; gegen die Überlagerung nationaler Kompetenzen; gegen die Bürgerferne der Eurokraten. Ich denke, wir sollten einen anderen Weg wählen. Ich denke, wir sollten eher auf die Möglichkeiten schauen. Wir sollten die Chancen unserer europäischen Zentrallage genauestens ausloten und eruieren. Und wir sollten keinen Vorstoß scheuen und keinen Versuch unterlassen, diese Chancen bestmöglich zu nutzen für unser Land. Dies, meine Damen und Herren, ist jedenfalls meine Lesart einer verantwortungsvollen Politik.

Weiter auf Seite 6: Das Saarland im Fokus der internationalen Handelsbeziehungen 

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