Als erster Ansprechpartner vor Ort bekommen die Ortsvertrauensleute oft gut mit, was die Menschen bewegt. In Erbach-Nord und Reiskirchen ist das vor allem die Verkehrssituation, wie Ortsvertrauensfrau Kristina Kulzer-Weber (CDU) im HOMBURG1-Gespräch erzählt. Doch das ist nicht das einzige Thema, das ihre Geduld auf die Probe stellt.
Vögel zwitschern vergnügt, die Sonne wirft die letzten Sonnenstrahlen des Tages über Bäume, die angenehmen Schatten spenden – an diesem Montagabend wirkt der Gummiplatz in Reiskirchen friedlich, ja geradezu idyllisch. Wären da nicht die großen, nicht zu übersehenden Löcher im ringsum verlaufenden Zaun. Die nerven Kristina Kulzer-Weber, Ortsvertrauensfrau in Erbach-Nord und Reiskirchen, spürbar. „Es wäre wirklich schön, wenn der Zaun neu gemacht werden könnte“, sagt die 33-Jährige, die seit 2019 das Ehrenamt ausübt. Bereits im Oktober hat Kulzer-Weber diesbezüglich bei der Stadt angefragt.
Doch die Mühlen in der Verwaltung laufen eben langsam und so ist der Zaun immer noch nicht ausgebessert. „Ich bin ohnehin kein Mensch, der sich gut in Geduld üben kann, aber das muss man in dieser Tätigkeit wirklich lernen“, sagt die Referentin im saarländischen Finanzministerium denn auch mit einem Lachen. Vielleicht sind die Löcher im Zaun auch genau deshalb so ein Ärgernis: Sie sehen nicht nur unschön aus, sondern symbolisieren bei jedem Besuch, das man als Ortsvertrauensfrau Dinge nicht von heute auf morgen umsetzen kann.
Es ist bei Weitem nicht nur der Gummiplatz, der Kulzer-Weber, die seit 2014 im Homburger Stadtrat sitzt, beschäftigt. Vor allem wegen der Verkehrssituation in ihrem Tätigkeitsbereich, der das Gebiet nördlich der Berliner Straße ohne den Berliner Wohnpark umfasst, kommen viele Bürger auf sie zu. Da geht es um die vielen Schlaglöcher, gerade in der Grünewaldstraße. Und um die Lage in der Steinbachstraße, die als Hauptstraße durch den Ort sehr stark von Autofahrern frequentiert wird. Häufiger auch mal mit ein paar km/h zu viel auf dem Tacho. Das ist unter anderem deshalb ein Problem, weil viele Kinder die Straße morgens nutzen, um in die nahegelegene Luitpold-Schule zu kommen.
Kulzer-Weber möchte den Schulweg sicherer machen und hat auf Nachfrage gleich mehrere Maßnahmen in petto, die umgesetzt werden könnten. Aber auch hier zeigt sich, wie beharrlich man sein muss, um als Ortsvertrauensperson etwas zu erreichen. „Street-Buddys, also Männchen in knalligen Farben an der Straße, habe ich der Stadt bereits vorgeschlagen.“ Das sei zunächst skeptisch beurteilt worden. Bis ein Anwohner sie darauf aufmerksam gemacht habe, dass es eben solche Männchen im Bexbacher Stadtteil Höchen bereits gibt. „Die Stadt hat mir dann auf Nachfrage mitgeteilt, dass ich Fotos schicken soll, und man dann die ganze Sache nochmal prüfen werde.“
Hört sich nach einer mühseligen Arbeit an. Woher kommt da eigentlich die Motivation, sich mehrere Stunden in der Wochen mit diesen Dingen zu beschäftigen? „Es geht mir darum, den Bürgern in ihren Anliegen helfen zu können und eine Brücke zu schlagen zwischen ihnen und der Verwaltung.“ Dass sich dieses Engagement auch auszahlen kann, zeigt ein anderes Beispiel, das ebenfalls mit dem Schulweg der Kinder zusammenhängt. So konnte Kulzer-Weber eine kleine Gruppe zusammentrommeln, die nun zumindest an zwei Morgen in der Woche die Grundschulkinder sicher über den Zebrastreifen direkt vor der St. Andreas-Kirche lotst. „Jeden Tag wäre natürlich besser, aber trotzdem sind das Sachen, über die man sich dann schon freut, wenn sie klappen.“ Noch besser fände es Kulzer-Weber, wenn an dieser neuralgischen Stelle eine Tempo 30-Zone oder gar eine Ampel eingerichtet würde. „Hierzu habe ich bereits eine Prüfbitte gestellt.“
Auch bei dieser Frage ist also Geduld gefragt. Zumindest bei Kulzer-Weber brauchen die Bürger diese, wenn es nach ihr geht, nicht. „Ich biete keine Sprechstunde an, weil ich besser finde, wenn die Leute nicht extra auf einen Termin warten müssen. Deshalb bin ich eigentlich immer erreichbar, ob nun über Mail, Telefon oder Facebook.“ Oder man erwischt Kulzer-Weber auf einer Jubilarsfeier. Runde Geburtstage ab dem 90. und Hochzeitsjubiläen hat sie nämlich vor der Pandemie mehrere im Monat besucht. „Das hat wirklich Spaß gemacht, man lernt viele Menschen kennen und diese freuen sich auch über die Anerkennung.“ Persönliche Besuche sind jedoch erst wieder möglich, wenn die Pandemie vorbei ist. Bis dahin ist dann vielleicht auch der Zaun am Gummiplatz geflickt.