Interview-Serie
HOMBURG1:
Wie ist es denn im Jahr 2019 als Friseur zu arbeiten?
Serafino Russo:
Ich mache das jetzt schon eine Weile – fast 20 Jahre sind es und natürlich hat sich in der Zeit einiges geändert. Die Personalfindung ist schwieriger denn je geworden, der Beruf und unsere Aufgaben wesentlich komplexer aber nichts desto trotz macht der Beruf immer noch sehr viel Spaß. Wir bewegen uns ja hier auch mit einem Klientel an Gästen, die sehr angenehm sind. Man kann sich in unserem Beruf mit dem Gelernten richtig ausleben. Wir machen sehr viel Fortbildungen denn die Menschen sind bereit immer gerne etwas Neues zu versuchen. Genau das ist natürlich immer sehr angenehm für den ambitionierten Friseur. Wenn jemand viel Veränderung möchte und man weiß nicht wie man das umsetzt, welche Produkte man braucht oder welche Techniken benutzt werden müssen, dann wird es schwer. Wer aber wie wir im Salon immer dazulernt, der setzt dann eben auch gerne um was man sich angeeignet hat.
HOMBURG1:
Wie würdest du denn den Friseur-Markt aktuell beschreiben, wie hat er sich so entwickelt und wo stehst du innerhalb dieses ganzen Systems?
Serafino Russo:
In aller Munde sind in den letzten zwei Jahren diese ganzen Baber Shops. Weiter zurück möchte ich zeitlich jetzt nicht gehen. Es ist insgesamt schwierig weil verschiedene Sachen da einfach nicht korrekt laufen wie z.B. die Meisterpflicht oder einen Meister einzustellen oder den Mindestlohn bezahlen oder Hygienevorschriften einzuhalten und vieles mehr. Auch wenn ich nicht in allen Läden war, sind dies Umstände, die in der Branche bekannt sind, gerade weil es diesbezüglich auch schon viele Kontrollen gegeben hat. Ein weiteres großes Problem ist, daß durch diese Arbeitsart die Marktpreise dementsprechend reduziert und in den Keller katapultiert werden – wobei das nicht meine Zielgruppe ist. Aber daraus resultieren wieder andere Probleme was den ganzen Friseurmarkt preislich schlecht aussehen lässt. Nehmen wir nur mal an 40 Prozent aller eingetragenen Friseure in der Handwerksrolle, die einen Meister haben, den Meister gemacht haben und die ganzen Fortbildungen gemacht haben, sind bei 17.400€ angesiedelt. Das heißt sie sind von der Umsatzsteuer befreit weil sie als Kleingewerbe durchgehen. Daß das alles mit knapp 1500€ im Monat nicht funktionieren kann, ist uns doch allen klar. Und genau da wird beispielsweise auch nicht kontrolliert.
Ich möchte jetzt nicht von den Barber Shops ablenken aber ich möchte ein wenig sensibilisieren wo eben in der Branche noch weitere Probleme liegen. Wenn der Markt sich regulieren würde und die Kontrollen etwas stärker und größer wären, würden nicht nur die Barber Shops einen auf den Deckel kriegen sondern auch viele andere Friseure hierzulande. Ich bin schon lange der Meinung, daß wir nicht schreiben können und sollten, daß ein Haarschnitt einen Betrag X kostet sondern daß die Zeit, die ich arbeite, einen Betrag X kostet. Am Beispiel Bartpflege erklärt: 2 Kunden mit unterschiedlichen Bärten, für den einen brauche ich eine Stunde, für den anderen vielleicht nur eine halbe Stunde – beide bezahlen aber einen Preis – das ist nicht fair. Eigentlich sollten wir doch wie alle Handwerker einen Faktor haben und danach bezahlt werden. Das muss auch das Ziel in unserer Branche sein.
HOMBURG1:
Und wie gestaltet du selbst bei dir die Preispolitik und wie stehst du zur Preispolitik der anderen?
Serafino Russo:
Grundsätzlich bin ich ja jemand, der sich fast keine Gedanken über die Anderen macht. Ich bin zuviel auf mich selbst fokussiert. Ich habe so viel mit mir selbst zu tun um mich selbst zu verwirklichen und selbst meine Ideen und meine Vision umzusetzen, daß ich gar keine Zeit habe um nach den Anderen zu schauen. Meine Preispolitik: Natürlich haben wir ein internes Zeitfenster. Das muss es auch geben, damit wir etwas kalkulieren können. Aber grundsätzlich ist klar, die Stunde kostet nunmal 60 Euro Minimum. Das Dumme ist, daß bei uns Friseuren in den 60 Euro die Mehrwertsteuer drin ist, das Material drin ist, alles was der Kunde hier in Anspruch nimmt, dazu zählen Getränke, Licht, Wasser, Strom, Handtuch, Shampoo und so weiter.
Du siehst, da gibt es bei einem Premiumsalon wie bei uns einen ganz anderen Ansatz als im normalen Handwerk und auch bei der Konkurrenz. Würden andere sich mal trauen für etwas zu stehen und vor allem für was nicht zu stehen, wäre es für jemand wie mich viel einfacher so umzusetzen. Im Gegensatz zum normalen Handwerk, bei dem es heißt Betrag X plus dies und plus das, sind es bei uns oft Festbeträge. Bei mir sind die sonstigen Kosten im Monat so hoch wie bei anderen im Jahr. Ich kann das ja alles nicht eins zu eins auf den Kunden umlegen denn ich bin ja schon im Premiumsegment. Würden also die anderen Friseure gerechterweise sich selbst etwas Gutes tun und die Preise fair erhöhen, könnte ich den Abstand halten was insgesamt wesentlich fairer wäre. Nicht weil ich teurer sein möchte, sondern weil ich meinen Kunden einfach mehr gebe. Mehr Zeit, mehr Service, mehr Premium.
HOMBURG1:
OK, nehmen wir an der Markt würde sich bewegen. Die Gehälter würden den Leistungen mehr angepasst werden, was würde dann bei dir im Premiumsegment ein Haarschnitt kosten?
Serafino Russo:
Ich glaube, daß wir vom 100€ Haarschnitt nicht mehr weit entfernt sind. Bei mir und allen anderen sehr guten Friseurdienstleistern. Ich rede hier von Salons mit einem top Service, Getränken, Design-Interieur, Parkplätze, gut bezahlte Mitarbeiter, Spitzenprodukte und mehr. Ich rede nicht von Berlin, Hamburg oder Köln, denn dort gibt es ihn schon lange – ich rede hier von Homburg. Und mir geht es hier nicht darum einfach teurer zu werden. Es geht darum, daß sich innerhalb der ganzen Branche eine Lohnverbesserung abzeichnet und alle Mitarbeiter, egal wo, profitieren und besser leben können. Damit Menschen bei einer Vollzeitstelle in unserer Branche keine Zweitjobs mehr brauchen sondern von ihrem Geld gut leben können. Damit sie auch mal in Urlaub fahren können und insgesamt ein besseres Lebensgefühl bekommen. Daher glaube ich an den 100€ Haarschnitt. Ein linerarer Preisanstieg quer durch die Branche würde sich positiv auf alle auswirken.
HOMBURG1:
Wenn jemand als Neukunde zu dir kommt, sich deine Preisliste anschaut und sagt: Oh das ist aber schon teuer, was würdest du tun um ihn zu überzeugen?
Serafino Russo:
Ich bin selbst mein größter Fan und ich bin mein größter Kunde. Grundsätzlich gehört Überzeugungsarbeit nicht zu meinen Stärken. Wenn jemand sich seine Meinung über etwas bildet, bevor er oder sie es gespürt, erlebt, gesehen oder gefühlt hat – dann ist das ein Mensch der sowieso nicht zu meiner Zielgruppe gehört. Ich sag immer: Es war noch nie jemand hier, ist aus dem Salon raus ist und war danach insolvent. Man sollte es einfach mal probieren, das Geld ausgeben und sich dann eine Meinung bilden und auch dann erst entscheiden ob es das wert ist. Den Preis lesen und einfach nur sagen „ist das teuer“, das langweilt mich.