„Nein, meine Suppe ess` ich nicht!“ – Wir alle wissen, wie die Geschichte vom Suppenkaspar weitergeht. Doch was, wenn der Junge gar nicht halsstarrig war, sondern eine besondere Gabe hatte? Zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung nehmen Geschmäcker besonders intensiv wahr. Sie sind sogenannte Supertaster – eine Herausforderung, besonders in jungen Jahren.

„Für einen Supertaster – oder zu deutsch Superschmecker – kann schon ein Löffel Erbsen zur Qual werden“, erklärt Diplom-Oecotrophologe Christoph Bier. Er ist Leiter der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Saarland im Ministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz, kennt sich also mit kindlichen Essgewohnheiten und ihrer Entstehung bestens aus. Das vermutlich genetisch bedingte Phänomen Supertaster bezeichnet Menschen, die über überdurchschnittlich viele Geschmacksrezeptoren verfügen. Dementsprechend nehmen sie Geschmäcker intensiver wahr als andere.

„Insbesondere bittere Lebensmittel wie Brokkoli, Rosenkohl und ähnliches sind für kindliche Supertaster-Gaumen schwer zu ertragen“, erklärt Bier. „Zwar gewöhnen sich auch diese Kinder mit dem Heranwachsen an andere Geschmacksrichtungen, aber insbesondere im Kleinkind- und Kindergartenalter sind die Schritte dahin oft nur klein.“ In dieser Zeit durchlebt die Mehrzahl aller Kinder, auch die „Normalschmecker“, eine Phase der Nahrungsmittel-Neophobie: Sie haben Angst, neue Nahrungsmittel zu probieren.

Häufig wird die Ablehnung bestimmter Nahrungsmittel als Protest missverstanden: „Aus unseren Ernährungssprechstunden wissen wir, dass Eltern an den Essgewohnheiten ihrer Kinder oft verzweifeln“, erklärt Marie-Louise Conen, Referentin Gesundheitsförderung bei der IKK Südwest. Christoph Bier rät zu Geduld und Gelassenheit: „Das Essverhalten darf keinesfalls sanktioniert oder belohnt werden. Eltern und Erzieher sollten in dieser Zeit besonders behutsam agieren und neue Geschmäcker über einen langen Zeitraum immer wieder anbieten. Ein neuer Geschmack muss unter Umständen zehn- bis 15-mal gekostet werden, bevor er akzeptiert wird.“

Kombiniert mit einem Supertaster-Gaumen wird die Neophobie-Phase aber schnell zur Herausforderung: „Diese Kinder haben eine Gabe: Sie nehmen feinste Nuancen wahr, alles schmeckt wahnsinnig intensiv, nicht nur bittere Stoffe, auch alle anderen Geschmacksrichtungen. Da ist das Probieren von drei Gabeln eines neuen Gerichts manchmal tatsächlich unmöglich für ein Kind. Wenn dann beim Probieren ein Zwang entsteht, kann das viel kaputtmachen und das Essverhalten des Kindes dauerhaft negativ beeinflussen.“

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