HOMBURG1 | SAARLAND NACHRICHTEN
„Der prämierte und zur Weiterarbeit empfohlene Vorschlag des Architektenbüros Oliver Brünjes zeigt, dass mit wenigen gezielten Eingriffen und Korrekturen der Raum der Ludwigskirche in Saarbrücken gleichzeitig in seiner Substanz geschützt und besser genutzt werden kann“, sagt die Saarbrücker Architektin Dr. Rena Wandel-Hoefer. Sie ist Vorsitzende der Jury, die im Auftrag der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Saarbrücken über einen Architektenwettbewerb zur Innenrenovierung des Gotteshauses zu entscheiden hatte.
Das Büro Brünjes schlägt vor, die Altarinsel auf Nord- und Südseite freizustellen und dazu die im Moment unmittelbar anstoßenden ersten Bankreihen zu entfernen. Die von Stengel sorgfältig geplante Geometrie der Bankstellungen soll dabei so weit wie möglich rekonstruiert werden. Denn die derzeit nicht befestigten Bankreihen waren im Laufe der Jahre „gewandert“. Für die verdeckten Anschlüsse der Bankheizungen soll nun deren ursprüngliche Position fixiert werden. Mit angestellten Podesten entsteht mehr Platz rund um den  Altar für Chöre und Orchester bei  besonderen Gottesdiensten und Konzerten.
Der Infopoint und Aufenthaltsort der Kirchenhüter rechts vom Eingang soll neu gestaltet und vom Flächenbedarf gestrafft werden. „Mit einer dem barocken Innenraum angemessenen Gestaltung kann dieser für die touristischen Besucher der Kirche wichtige Anlaufpunkt besser integriert werden“, erläutert Wandel-Hoefer.
Die derzeitige Nutzung des Fürstenstuhles und der dahinterliegenden Empore für Empfänge wird durch den Entwurf von Brünjes kritisch hinterfragt. Das Preisgericht ist dem Vorschlag gefolgt, für diesen Raum eine Nutzung ohne gastronomische Elemente zu suchen: Konfirmandenunterricht, Gesprächskreise oder Regieraum für Kirchenkonzerte erscheinen für den Fürstenstuhl adäquate Nutzungen. Problematisch erscheint der Jury dagegen, die von Brünjes für die restliche Empore vorgeschlagene Ausstellung zur Geschichte der Ludwigskirche. Sie wäre nicht  barrierefrei erreichbar.
„Die deutlichsten baulichen Eingriffe sind im Turm und in der unter der Orgelempore im Untergeschoss liegenden Gruft vorgesehen“, erläutert Wandel-Hoefer. Hier seien seit den 1950er Jahren durch komplizierte Einbauten Nebenräume für Sanitär und Technik entstanden, die grundlegend umgestaltet werden sollen. Dadurch könnten von außen barrierefrei erreichbare Sanitäranlagen geschaffen werden. Die „Kneipennutzung“ der Gruft wird aufgegeben. Dafür sollen dort  technische Anlagen Platz finden. Die Fläche, die dann noch verfügbar sein wird, kann als Serviceraum für Catering genutzt werden. Durch einen kleinen Lastenaufzug soll dieser Raum mit dem darüber liegenden Raum unter der Orgelempore verbunden werden.
Der Entwurf sieht vor, den Raum unter der Orgelempore, dessen Bankreihen nie belegt werden und der sich zum Abstellraum entwickelt hat, bis auf die ersten Bankreihen frei zu räumen. Er soll für die Gemeindearbeit, aber auch für Empfänge nach Konzerten nutzbar gemacht werden. Brünjes schlägt vor, eine hinter die Bänke zurückgesetzte, verschiebbare und ähnlich wie die Windfänge differenziert gegliederte Trennwand zur räumlichen Abtrennung einzubauen. „Dieses architektonische Element stellt an die Architekten sicherlich die größten Ansprüche an behutsame Einfügung in den barocken Innenraum. In Abstimmung mit der Denkmalpflege erschien dem Preisgericht diese Abtrennungsmöglichkeit aber lösbar“, sagt  die Jury-Vorsitzende.
„Gerade im Vergleich der unterschiedlichen Lösungsvorschläge hat sich für das Preisgericht deutlich der angemessene Weg gezeigt, um die Ludwigskirche für musikalische, gemeindliche und touristische Zwecke stärker zu öffnen und dabei das Werk des Barockbaumeisters Stengel in der historischen Bausubstanz sowie in den Rekonstruktionen des Wiederaufbaus seit dem 2. Weltkrieg zu respektieren“, betont Wandel-Hoefer. Mit ihrem Votum hoffe die Jury, der Kirchengemeinde aufzeigen zu können, was ohne Verlust an baukultureller Substanz an  Gemeindearbeit in diesem einmaligen Denkmal möglich sei.
Zehn Büros waren eingeladen worden, sich am Wettbewerb zu beteiligen, vier hatten Vorschläge eingereicht. Betreut wurde der Wettbewerb vom Saarbrücker Architekturbüro FREESE Architekten. Zur Jury gehörten unter anderem Julia Gartner-Negrin, Denkmalschützerin aus Paris, der Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer, sowie Professor Peter Boettcher, als Vertreter der Kirchengemeinde. Sie vergaben neben dem ersten Preis dritte Preise an den Saarbrücker Architekten Peter Alt und die Arbeitsgemeinschaft  Christina Beaumont & Achim Gergen aus Saarlouis, sowie einen 4. Preis an das Architekturbüro Jim Clemes aus Luxemburg. Die Entscheidung der Jury ist einstimmig und mit einer intensiven Beteiligung der Denkmalpflege gefallen: „Der Umgang mit dem Denkmal erfolgt in besonders respektvoller Art und Weise.“ Zudem sei der Entwurf in getrennten Phasen realisierbar, so Wandel-Hoefer.
Zur Innenraumrenovierung gehört auch die Erneuerung der Technik, der Einbau einer Warmwasserradiatoren-Heizung, einer neuen Beschallungsanlage und der Elektrik. „Mit dem Einbau eines modernen Heiz- und Belüftungssystem wird der barocke Raum besser geschützt. Die bisherige elektrische Zusatzheizung, die unter einigen Bankreihen installiert ist, entspricht nicht mehr der heutigen Sicherheits- und Umwelttechnik“, betont Superintendent Christian Weyer. Außerdem sei es heute wichtig, den modernen Anforderungen an eine Veranstaltungstechnik zu genügen. Dazu hatte das Büro Brünjes auch ein „subtiles künstliches Lichtkonzept“ vorgelegt.
Die Arbeiten an der Ludwigskirche gehören zum  Projekt „Barock trifft Moderne – städtebauliche Einbindung des Barock-Ensembles Ludwigskirche in das Gesamtprojekt Stadtmitte am Fluss“.  Für die Renovierung der Ludwigskirche stehen im Rahmen dieses Programmes 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Zusätzlich wird die Kirchengemeinde Alt-Saarbrücken neben großem ehrenamtlichem Engagement auch Eigenmittel einbringen.
Schon in dieser Woche beginnen die Arbeiten zur Restaurierung der Steinfiguren auf der Attika des Gotteshauses. Sie werden mit einem großen Kran abmontiert, in eine Halle der Saarbrücker Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (GIU) gebracht und dort im Detail sachverständig untersucht und danach restauriert, soweit es notwendig ist.
Die prämierten Vorschläge sind in einer Ausstellung in der Ludwigskirche während der Öffnungszeiten zu besichtigen:  Dienstag bis Samstag von 11 bis 17 Uhr.
 
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