Die aktuelle Steuerschätzung prognostiziert für das laufende Jahr deutliche Steuermehreinnahmen für das Saarland, doch Finanzminister von Weizsäcker warnt: „Das Ergebnis der Steuerschätzung scheint nur auf den ersten Blick positiv. Die Schätzung geht davon aus, dass der steuerliche Einbruch durch den Ukrainekrieg mit inflationsbedingten Mehreinnahmen überkompensiert wird. Allerdings sind die Einnahmen ab 2023 mit signifikanten Abwärtsrisiken behaftet – angesichts der Krise und möglicher weiterer Entlastungen für Bürger in der Krise. Weiterhin ist zu beachten, dass der Handlungsspielraum des Staates im Prognosezeitraum aufgrund von Preissteigerungseffekten real kaum zunehmen dürfte. Zusammen mit den Handlungsbedarfen im Haushalt und den Investitionsbedarfen für die beschleunigte Transformation wird in den kommenden Jahren eine große Zurückhaltung bei nicht-investiven Staatsausgaben erforderlich sein.“
Am Mittwoch (2.11.2022) gab Finanzminister Jakob von Weizsäcker die Zahlen der regionalisierten Steuerschätzung für das Saarland bekannt. Finanzminister Jakob von Weizsäcker betonte angesichts der vorliegenden Zahlen: „Die Unsicherheiten sind hoch, die transformativen Herausforderungen für die Saarwirtschaft sind enorm und die Preissteigerungen werden dem Staat auf der Ausgabenseite zu schaffen machen. Deshalb ist die vorgelegte Steuerschätzung nur auf den ersten Blick erfreulich. Die vorliegenden Zahlen ändern nichts an der Notwendigkeit, für das Jahr 2022 eine außergewöhnliche Notsituation für das Saarland festzustellen. Nur so können die Maßnahmen finanziert werden, um die durch die Energiepreisexplosion verteuerte und beschleunigte Transformation der Saarwirtschaft zu bewältigen.“
Wie sich im bisherigen Jahresverlauf schon abzeichnete, entwickeln sich die Steuereinnahmen auf kurze Sicht inflationsbedingt positiv. Dem stehen wesentliche inflationsbedingte Haushaltsbelastungen gegenüber, die absehbar weiter ansteigen werden. Die für das laufende Jahr nun zu erwartenden Steuermehreinnahmen in Höhe von 135 Mio. € werden dazu beitragen, die Krisenvorsorge zu stärken und den Transformationsfonds aufzubauen.
Für das kommende Haushaltsjahr 2023 verbleibt nach Abzug der Steuermindereinahmen, die sich aus aktuell absehbaren Steuerrechtsänderungen ergeben, ein Plus von 10 Mio. € im Vergleich zum Regierungsentwurf. Im Gegenzug zeichnen sich allerdings signifikante Mehrausgaben zum Beispiel beim Wohngeld ab. Für die Folgejahre nach 2023 ergeben sich im Vergleich zur jüngst beschlossenen Finanzplanung sukzessiv steigende Mehreinnahmen, die allerdings nicht ausreichen, um die in Form von globalen Minderausgaben in der aktuellen Finanzplanung ausgewiesenen Handlungsbedarfe zu kompensieren. Hinzu kommt, dass wesentliche inflationsbedingte Mehrbelastungen in der Finanzplanung noch nicht vollständig abgebildet sind. Der Bedarf für weitere Konsolidierungsmaßnahmen bleibt somit bestehen.
Die Herbstprojektion der Bundesregierung geht davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 auf einen BIP-Anstieg von 1,4 % abschwächen wird. Im Jahr 2023 schrumpft das preisbereinigte BIP nach dieser Projektion sogar um 0,4 %. Erst im Jahr 2024 setzt die wirtschaftliche Erholung mit einer BIP-Zunahme von 2,3 % ein. Ob sich Konjunktur und Inflation so entwickeln, wie es die Bundesregierung in der Herbstprojektion erwartet, welche der Steuerschätzung zugrunde liegt, bleibt abzuwarten. Angesichts der hohen Unsicherheiten ist die aktuelle Steuerschätzung für die Folgejahre eher als ein mögliches Szenario zu betrachten, das mit erheblichen Abwärtsrisiken belastet ist.
Seitens des Bundesministers der Finanzen werden bereits heute neben den in den parlamentarischen Verfahren befindlichen Maßnahmen zusätzliche Schritte der steuerlichen Entlastung für Bürger diskutiert. Diese zusätzlichen Entlastungsmaßnahmen würden weitere Steuermindereinnahmen für die Bundesländer zur Folge haben. Dies muss bei der Regionalisierung der Steuerschätzung und der Interpretation dieser regionalen Steuerdaten berücksichtigt werden.
Der Arbeitskreis Steuerschätzungen schätzt die Steuereinnahmen in der Regel auf der Grundlage des geltenden bzw. beschlossenen Steuerrechts. Eine vorausschauende Haushalts- und Finanzplanung erfordert es aber, die finanziellen Auswirkungen von absehbaren Steuerrechtsänderungen zusätzlich zu berücksichtigen. Der Umfang dieser geplanten, aber vom Arbeitskreis nicht erfassten Steuerrechtsänderungen ist zum heutigen Zeitpunkt beachtlich.
Dazu Minister von Weizsäcker: „Alleine die bereits im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Maßnahmen wie das Inflationsausgleichsgesetz, die Entlastungen im Zuge des Jahressteuergesetzes 2022 und die Inflationsprämie führen im saarländischen Landeshaushalt zu Mindereinnahmen in Höhe von 87 Mio. € 2023 bis hin zu 120 Mio. € für 2026/2027. Hinzu kommen die turnusmäßigen weiteren Stufen für den Inflationsausgleich für 2025 und 2027 und bislang noch nicht konkretisierte Ankündigung des Bundes für weitere Entlastungen.“
Etwa ein Fünftel der steuerlichen Mehreinnahmen kommt den saarländischen Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich zugute. Die aktuelle Steuerschätzung bietet für die kommunale Ebene bundesweit aber auch für das Saarland einen positiven Ausblick. Mit geschätzten Steuermehreinnahmen von ca. 44 Mio. Euro in 2022 und ca. 21 Mio. Euro in 2023 können die Kommunen im Saarland voraussichtlich einen signifikanten Teil ihrer Mehrbelastungen auf der Ausgabenseite kompensieren. Hinzu kommen steigende Zahlungen des Landes über den kommunalen Finanzausgleich. Aber auch hier sind hohe Unsicherheiten und Preissteigerungseffekte zu beachten, von denen alle föderalen Ebenen betroffen sind.
Hintergrund: Die 163. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ fand vom 25. bis 27. Oktober 2022 als Präsenzveranstaltung in Dessau statt. Die Sitzungsfolge des Arbeitskreises Steuerschätzungen orientiert sich an den Zeitplänen der Haushalts- und Finanzplanung. Es finden zwei Sitzungen im Jahr statt. Mitte Mai erfolgt eine Steuerschätzung für den mittelfristigen Zeitraum (laufendes Jahr plus vier Folgejahre). Ende Oktober/Anfang November erfolgt eine zweite Steuerschätzung für den mittelfristigen Zeitraum (laufendes Jahr plus fünf Folgejahre).