BEE zum Osterpaket: Wichtiger Schritt zum Aufbruch, aber noch Ergänzungsbedarf

Das Bundeskabinett hat gestern das von Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck vorgelegte Osterpaket wie erwartet beschlossen. Aus Sicht des Bundesverbands Erneuerbare Energie enthält das Paket wichtige Ansätze, an entscheidenden Stellen sieht der Verband jedoch noch Arbeitsbedarf. „Das Osterpaket von Robert Habeck ist ein guter Aufschlag, zum großen Wurf muss es im parlamentarischen Verfahren werden“ kommentiert Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie. Das Paket bleibt in Teilen hinter unseren Erwartungen zurück. Wir sehen quer durch alle Erneuerbaren Energien noch den Bedarf, nachzusteuern. Diese Änderungen müssen spätestens mit dem Sommerpaket erfolgen“.

„Die Feststellung des Vorrangs aller Erneuerbaren Energien in der Schutzgüterabwägung hilft, die Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen. Dass dabei jedoch Belange der Bundeswehr ausgenommen sind, ist problematisch“, so Peter weiter. „Auch die Anhebung des Bruttostrombedarfs auf 750 TWh ist eine richtige und wichtige Maßnahme, die dem vom BEE skizzierten Szenario 2030 entspricht. Bei Bürgerenergie und kommunaler Beteiligung sehen wir Fortschritte, diese müssen jedoch gegenüber dem Kabinettsbeschluss noch weiter gestärkt werden, u.a. bei Bürgerenergiegenossenschaften. Begrüßenswert ist, dass die sog. „Contracts for Difference“ in die zu gründende Plattform klimaneutrales Stromsystem vertagt wird,“ so Peter.

Die einzelnen Fachverbände im BEE hatten bereits am 17. März in detaillierten Stellungnahmen Kritik am Referentenentwurf des EEG geübt. „Der Bundestag muss das Osterpaket jetzt dringend nachbessern. Der EEG-Kabinettentwurf setzt ambitionierte Solarziele, springt bei den Instrumenten zur Umsetzung aber zu kurz. Die im Kabinettsentwurf angelegten Solarziele werden nur zu erreichen sein, wenn die Bundesregierung die Eigen- und Direktversorgung mit Solarstrom deutlich attraktiver macht und ausreichend Standort-Flächen für Solarparks bereitstellt.“ Auch der angehobene Ausbaupfad bei der Windenergie an Land sowie der gestern Abend verkündete Kompromiss zur Abstandsregelung im Umfeld von Wetterradaren und Drehfunkfeuern seien wichtige Schritte zur Beschleunigung des Ausbaus. Die deutliche Anhebung des Ausschreibungsvolumens von 8.840 MW auf 12.840 sei richtig, dieser Zubau benötige jedoch auch Flächen und beschleunigte Genehmigungsverfahren. Auch die Vereinfachung des Repowerings habe noch immer nicht Eingang in den Text gefunden.

Dr. Simone Peter: „Der Entwurf macht deutlich, dass Photovoltaik und Windenergie an Land Leistungsträger der Energiewende sein werden. Dennoch bleibt auch weiterhin aus unserer Sicht jenseits dieser beiden Energieträger noch Ergänzungsbedarf. Es braucht die Beschleunigung über alle Erneuerbaren Energien hinweg. Bioenergie ist als stabilisierendes Element im Energiemix unabdingbar, hier fehlen aber noch immer die Anschlussperspektiven. Das EEG bedeutet jedoch einen Rückbaupfad beim heimischen, erneuerbaren Gas. Hier werden Chancen zum kurzfristigen Heben von Potenzialen verpasst. Bei der Wasserkraft stellt der Kabinettsentwurf de facto eine Schlechterstellung dar. Der jetzige Text ist für die Wasserkraft das Worst Case-Szenario. Die Potenziale der Geothermie werden völlig außer Acht gelassen,“ so Peter.

Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP die Gründung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem noch angekündigt. Dieser muss nun laut BEE so schnell wie möglich umgesetzt werden. „Um das deutsche Stromsystem krisensicher zu machen und unabhängig aufzustellen, muss die Bundesregierung nun schnellstmöglich die angekündigte Plattform Klimaneutrales Stromsystem in Angriff nehmen. Der BEE hat bereits im vergangenen Jahr aufgezeigt, wie ein neues Strommarktdesign für ein wirtschaftliches, belastbares und vor allem ausreichend flexibles Stromsystem ausgestaltet sein muss. Lange Verzögerungen können wir uns hier nicht mehr erlauben“, so Peter.

Angesichts der fossilen Energiepreiskrise und dem Krieg in der Ukraine mahnt Peter, den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter zu beschleunigen. „Deutschland steht nun vor der Aufgabe, seine Energieversorgung so schnell wie möglich auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzustellen. Das gestern durch die EU-Kommission vorgeschlagene Importverbot für russische Steinkohle zeigt den deutlichen Handlungsdruck. Die Regierung muss nun in enger Abstimmung mit den Erneuerbaren-Branchen den Ausbau vorantreiben. Es braucht dringend einen großen Impuls, wenn Deutschland vom reinen Reagieren zum Handeln übergehen will,“ so Peter abschließend.

Der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder erklärt: 

„Wir brauchen einen schnellen und konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien. Bitkom begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung den Ausbau von Ökostrom aus Wind und Sonne deutlich beschleunigen will. Nicht nur wegen des Klimawandels, auch wegen der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl ist der schnelle Umstieg auf erneuerbare Energien das Gebot der Stunde. Wichtig ist jetzt, dass parallel auch die notwendige digitale Infrastruktur geschaffen wird, um Ökostrom und Elektrofahrzeuge ins Stromnetz integrieren zu können. Nötig ist erstens eine deutliche Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts. Als zentrale Datendrehscheibe sind Smart Meter Gateways essentiell für Cybersicherheit und Netzstabilität im Energiesystem der Zukunft. Mittlerweile interessiert sich auch mehr als die Hälfte der Deutschen (57 Prozent) für Smart Meter. Denn die Geräte können auch in Echtzeit Verbräuche messen und ermöglichen so die Nutzung von variablen Stromtarifen. Viele europäische Nachbarn wie die Niederlande, Spanien oder Italien sind hier deutlich weiter als Deutschland. 

Zweitens muss der Anschlussprozess von Solar- und Windkraftanlagen ans Netz entbürokratisiert und digitalisiert werden. Der Ansatz, über eine gemeinsame Internetplattform der Netzbetreiber elektronische Anmeldemöglichkeiten für Netzanschlüsse zu schaffen, geht schon in die richtige Richtung. Drittens muss gesetzlich klargestellt werden, wie der Stromverbrauch von Elektroautos oder Wärmepumpen künftig netzdienlich gesteuert werden kann. Die Energiewende ist und bleibt ein Mammutprojekt, das nur mit digitalen Technologien gestemmt werden kann. Die Stromnetze sind das Fundament der Energiewende und müssen fit für die Zukunft gemacht – heißt: digitalisiert – werden. Nicht umsonst stimmen 72 Prozent der Deutschen der Aussage zu, die Energiewende werde ohne digitale Technologien nicht zu bewältigen sein. 69 Prozent sehen in digitalen Stromnetzen die Grundlage für die Energieversorgung der Zukunft.“

Deutsche Umwelthilfe zum Osterpaket für Klimaschutz: Großer Sprung bei Erneuerbaren Energien, komplette Fehlstelle allerdings bei Energieeinsparung in Gebäuden und Versagen im Verkehrssektor

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: “Bei den Erneuerbaren Energien ist das Osterpaket ein großer Sprung nach vorn. Bis 2035 wird der Stromsektor mit den neuen Ausbauzielen klimaneutral sein. Robert Habeck beschleunigt den Zubau von Wind- und Sonnenenergie deutlich, der wichtige Stromnetzausbau wird auf Klimaneutralität ausgerichtet. Klar ist nun auch, dass die Energiewende und insbesondere Wind- und Sonnenenergie im überwiegenden öffentlichen Interesse sind. Ein Manko bleibt die fehlende Bereitstellung von Flächen: Mindestens 2 Prozent der Landesfläche müssen alleine für den Windenergieausbau reserviert werden. Die gesetzliche Regelung dafür fehlt im Osterpaket. Dies muss nun so schnell wie möglich nachgebessert werden.”

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: “In Sachen Energieeinsparung tritt die Bundesregierung auf der Stelle. Es ist eine klaffende Fehlstelle, dass weder für Gebäude noch für Verkehr Maßnahmen im Osterpaket enthalten sind. Das ist dramatisch, denn beide Sektoren haben im vergangenen Jahr ihre Klimaziele verfehlt. Besonders schmerzlich ist, dass die Anhebung des Effizienzstandards im Gebäudebereich, die Sanierungspflicht für den Bestand sowie ein Einbauverbot für Gasheizungen im Neubau fehlen: Darum war in den vergangenen Tagen und Wochen innerhalb der Bundesregierung gerungen worden. Durchgesetzt haben sich offenbar die Bremser von SPD und FDP – in krachendem Widerspruch zum Klimaschutzgesetz und dem erst gerade veröffentlichen Bericht des Weltklimarates. Bauministerin Geywitz bleibt uns damit weiter Antworten schuldig, wie sie die Klimaziele in ihren Verantwortungsbereichen einhalten will. Wir fordern die Bundesregierung auf, den Kurs in diesen Sektoren zu korrigieren und noch vor dem angekündigten Sommerpaket den Klimaschutz dort sofort und ausreichend anzupacken.”

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: “Die Ampelregierung versagt im Verkehrsbereich. Die für den Klimaschutz verheerende und einseitig aufs Auto ausgerichtete Verkehrspolitik der Merkel-Regierungen wird fortgesetzt. Es fehlen sämtliche Regelungen und Anreize für eine unmittelbar wirksame Einsparung fossiler Energien und damit die kurzfristige Reduktion der Klimagasemissionen im Verkehrssektor wie die Einführung eines Tempolimits von 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und Tempo 30 in der Stadt. Dadurch lassen sich täglich 10 Millionen Liter Diesel und Benzin einsparen, aufs Jahr 3,7 Milliarden Liter und 9,2 Millionen Tonnen CO2. Unverändert soll auch die Förderung von Dienstwagen bleiben. Absurderweise übernimmt Finanzminister Lindner beispielsweise für Porsche-Cayenne-Dienstwagen bis zu 100.000 EUR pro Fahrzeug. Noch vor dem Sommer müssen unmittelbar wirksame Maßnahmen im Verkehrsbereich beschlossen werden. Sollten diese ausbleiben, müssen wir die Bundesregierung über die anhängige Klimaschutz-Sektorklage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dazu verurteilen lassen.”

Zum “Osterpaket” der Bundesregierung für eine Beschleunigung der Energiewende sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands:

“Das Osterpaket der Bundesregierung ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass wir uns von einseitigen Abhängigkeiten befreien und den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen müssen. Wind- und Sonnenenergie sind der Treibstoff für die ökologische Transformation und Grundlage für den Aufbau einer Infrastruktur für grünen Wasserstoff oder für die Elektrifizierung von Fahrzeugen. Jetzt sollten zügig weitere Klimaschutzmaßnahmen beispielsweise für den Verkehrssektor und die Energieeffizienz von Gebäuden folgen. Rund ein Drittel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland werden von Wohn- und Geschäftshäusern verursacht. Hier besteht noch viel Einsparpotenzial sowohl bei Neubauten als auch im Bestand.”

 

 

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