Bereits seit Jahren beschäftigen die Öffentlichkeit die Missbrauchsvorwürfe am Homburger Uniklinikum. Erst kürzlich wurde im Landtag der parlamentarische Untersuchungsbericht zum Themenkomplex vorgestellt. Mit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission am Universitätsklinikum des Saarlandes beschäftigt sich noch ein weiteres Gremium mit den Geschehnissen am UKS. Dieses hat nun seinen Jahresplan für das Jahr 2022 vorgestellt.

Im November 2021 startete die Unabhängige Aufarbeitungskommission ihre Arbeit, gegen Ende des Jahres soll das Aufarbeitungsprojekt abgeschlossen sein. Dabei geht es unter anderem um eine Erfassung aller Verdachtsfälle, eine Analyse von Täterstrategien sowie den Umgang des Uniklinikums mit den Betroffenen. Dabei betont die Kommission in einer Pressemitteilung, dass es nicht darum gehe, die Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu wiederholen. Vielmehr wolle man „die Feststellungen des Ausschusses bewerten und dort ansetzen, wo die weitere Aufarbeitung der Geschehnisse aus Sicht der Opfer und ihrer Angehörigen für sinnvoll“ erachtet werden.

Dabei soll es nicht nur um die mutmaßlichen Taten eines Arztes der Kinder- und Jugendpsychiatrie gehen, der über Jahre Patienten sexuell missbraucht haben soll. Auch eventuelle frühere Fälle am UKS sowie Verdachtshinweisen auf möglichen Missbrauch an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik sollen untersucht werden. Während die Staatsanwaltschaft Saarbrücken die Ermittlungen bezüglich möglichen Missbrauchs an der HNO eingestellt hat, möchte die Aufarbeitungskommission die Vorfälle mithilfe eines speziellen Beauftragten erneut untersuchen. Dabei bittet die Kommission um Hinweise, die vertraulich behandelt würden, wie man in der Pressemitteilung unterstreicht.

Insgesamt habe die Kommission seit Oktober vergangenen Jahres etwa 300 potenziell Betroffene und Angehörige angeschrieben, davon hätten 28 der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und der Analyse ihrer Patientenakte zugestimmt. Alle Betroffenen, die bisher ihre Mitwirkung nicht erklärt haben, sollen, laut einer Pressemitteilung, im Februar 2022 erneut angeschrieben werden. In den 28 Fällen, in denen eine Einwilligung vorliegt, habe Ärzteteam des Gremiums begonnen, Akten auszuwerten und mit den Betroffenen und Angehörigen Gespräche zu führen. Dabei seien „Enttäuschungen“ sowie „Zweifel“ am Aufklärungswillen der Verantwortlichen am UKS geäußert worden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Kommission sind die Taten des 2016 verstorbenen Assistenzarztes an der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dieser war von 2010 bis 2014 auch als Trainer bei der Judoabteilung des SSV Homburg-Erbach sowie beim Erbacher Club „Judo Kenshi“ tätig. Für den Arzt soll die dortige Position, laut Untersuchungskommission, als „wichtige Brücke zwischen seiner dienstlichen Tätigkeit im UKS und seiner privaten Wohnung“ gedient haben. So habe er die „Rolle als fürsorgender Arzt am UKS, als engagierter Trainer beim Judo und als guter Freund der Kinder“ dazu genutzt, um Kontakt zu den Betroffenen „unter Wahrung einer Legende“ aufzubauen.

Beim Sport habe er die Masche genutzt, die Kinder zu fotografieren um den Eltern die Fotos zukommen zu lassen. „Dadurch verschaffte er sich weiteres Vertrauen und Kontakte zu den Kindern, von denen einige auch bei ihm zu Hause übernachten durften“, stellt die Aufarbeitungskommission fest. Vor diesem Hintergrund möchte das Gremium auch im Umfeld des Judo-Vereins mögliche Betroffene sexuellen Missbrauchs identifizieren. Laut Aufarbeitungskommission sind die Vereinsführungen der Judo-Vereine sowie der Landesjudobund damit einverstanden.

Darüber hinaus untersucht die Kommission auf Bitten des UKS auch einen über 25 Jahre zurück liegenden mutmaßlichen Missbrauchsfall, in dessen Zusammenhang ein heute ca. 40-Jähriger „offensichtlich unter erheblichen traumatischen Folgen“ leide. Hierzu soll neben dem Ärzteteam ebenfalls ein Beauftragter hinzugezogen werden.

Neben zahlreichen möglichen Missbrauchsfällen soll auch der institutionelle Umgang des UKS mit den Betroffenen und ihren Angehörigen in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden. Ziel sei dabei „ein moderierter Dialog“ mit dem UKS. Dabei soll unter anderem auch eine gemeinsame Erinnerungskultur von Betroffenen und dem UKS geschaffen werden. Diese beinhaltet nach Wunsch der Kommission die Übernahme öffentlicher Verantwortung durch das Uniklinikum, eine ständige Thematisierung des Themas Kindesmissbrauch sowie die Schaffung von Vorkehrungen, damit solche Missbrauchsfälle nicht mehr vorkommen. Um dies bewerkstelligen zu können, möchte die Aufarbeitungskommission die Organisationsstrukturen am UKS genauso unter die Lupe nehmen, wie die dortige Fehlerkultur. Im Fokus steht dabei, wie es überhaupt zu den Missbrauchsfällen kommen konnte und warum nicht früher eingegriffen wurde.

Außerdem soll mithilfe der Untersuchungen eine Täteranalyse erstellt werden, die zum Ziel hat, Maßnahmen für die frühzeitige Erkennung von Gefährdungen und Empfehlungen für Schutzkonzepte zu erarbeiten. Vor diesem Hintergrund plant die Aufarbeitungskommission für Mitte 2022 eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „Schutzkonzeption zur Verhinderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Krankenhäusern“, an der möglichst auch Kinderschutzorganisationen aus dem Saarland teilnehmen sollen. Ende 2022 oder im Frühjahr 2023 soll schließlich der Abschlussbericht der Kommission bei einer Veranstaltung öffentlich erörtert werden.

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