Archivbild - Foto: Bill Titze
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Es war ein Novum in der Geschichte der Homburger Stadtpolitik. Zum ersten Mal konnte eine komplette Fraktion nicht an einer Stadtratssitzung teilnehmen. Der Grund: die gesamte Linksfraktion befindet sich in Corona-Quarantäne. So votierte die Mehrheit der Stadträte dafür, die Sitzung zu verschieben. Aber das erst nach heftiger Debatte. Und das lag offensichtlich vor allem an einem Tagesordnungspunkt.

Nach rund 20 Minuten Diskussion reichte es Axel Umcke von der Freien Wählergemeinschaft. „Wir sollten uns hier jetzt alle mal ehrlich machen. Bei der ganzen Sache geht es doch um Punkt 9 der Tagesordnung. Warum eiern wir eigentlich noch rum und kommen nicht zur Abstimmung?“ Ulmcke sprach damit das Thema an, dass in den Hinterköpfen der meisten Zuhörer herumspukte. Unter Punkt 9 stand nämlich die Abstimmung über das Abwahlverfahren von Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind auf dem Programm.

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Es ist wohl nicht an den Haaren herbeigezogen, würde man behaupten, dass die Sitzung ohne diesen heiklen Punkt keine fünf Minuten gedauert hätte. Natürlich, die ein oder andere Entscheidung wird von den jeweils Beteiligten mit Spannung erwartet. Doch wirklich weltbewegend wäre eine Verschiebung um einige Wochen in normalen Zeiten nicht gewesen.

Weltbewegend ist zwar auch das Abwahlverfahren von Schneidewind nicht, doch zumindest für Homburg so wichtig, dass es schon seit Jahren debattiert wird. Nun sollte es also endlich soweit sein. Doch Corona machte dem Ganzen noch einen Strich durch die Rechnung. Zwar hätte eine Abstimmung rein rechtlich gesehen auch ohne die Linksfraktion stattfinden können; doch dann wäre eine Mehrheit für einen Bürgerentscheid wahrscheinlich kaum zustande gekommen.

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Dementsprechend war es wohl auch mehr als ein Zufall, dass jene Fraktionen, die einen Bürgerentscheid unterstützen, im Rat für eine Verschiebung plädierten. „Wir sehen es als Geste der Fairness und Solidarität mit den Linken, dem Wunsch nach einer Verschiebung zu entsprechen“, argumentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Stefan Mörsdorf. Ins gleiche Horn stießen auch die Fraktionschefs von Grünen, Prof. Marc Piazolo, und AfD, Markus Loew.

Gegenwind kam von SPD, FDP und der Freien Wählergemeinschaft. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Wilfried Bohn wies auf die Schaffung eines möglichen Präzedenzfalls hin. „Wenn wir dieses Fass jetzt aufmachen, kommen wir an kein Ende.“ Ein weiterer Punkt, der sowohl von Bohn als auch von FDP-Mann Jörg Kühn in die Debatte eingeführt wurde, waren die vorgeblichen Umstände der Corona-Quarantäne. „Ich sehe es nicht ein, auf die Vorteile einer Präsenzsitzung zu verzichten, weil Stadträte glauben, einen Geburtstag in einem Risikogebiet feiern zu müssen“, so Kühn.

Doch am Ende kam es genau so: mit den Stimmen von CDU, AfD, Grünen und SPD-Abweichler Jürgen Schäfer wurde die Verschiebung der Ratssitzung mit 30 zu 15 Stimmen beschlossen. Wer nun aber glaubte, die Sitzung wäre nun tatsächlich beendet, sah sich jedoch eines Besseren belehrt. Schließlich musste noch eine Alternative gefunden werden. Und da wurde es noch einmal richtig emotional.

Zwar waren sich alle Fraktionen darüber einig, dass eine Präsenzsitzung während der nächste Woche beginnenden Sommerferien nicht möglich sei. Doch bei einem möglichen Termin für eine Online-Sitzung fand diese Eintracht schnell ihr Ende. Des Pudels Kern lag auch hier vor allem in der Causa Schneidewind.

Denn die Befürworter eines Bürgerentscheids möchten diesen am 26. September, dem Tag der Bundestagswahl veranstalten. Dafür sprechen aus ihrer Sicht Kostengründe. Aber auch die zu erwartende höhere Wahlbeteiligung dürfte dabei eine Rolle spielen, schließlich müssen mindestens 30% Prozent der Wahlberechtigten für die Abwahl Schneidewinds stimmen. Doch für einen Entscheid am 26. September müsste eine dementsprechende Entscheidung des Stadtrats in den nächsten Wochen fallen.

Vor allem SPD und FWG, ihrerseits Gegner des Bürgerentscheids, sprachen sich vehement dagegen aus, eine mögliche Online-Sitzung während der Sommerferien abzuhalten. „Es ist niemandem zuzumuten, im Urlaub herumzulaufen und sich ein WLAN-Netz suchen zu müssen“, fand SPD-Mann Bohn. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wählergemeinschaft, Thorsten Bruch, bezeichnete einen solchen Ferientermin gar als „unerträglich“.

Sichtlich angefasst versuchte Bürgermeister Michael Forster die Wogen zu glätten. „Der Vorschlag über eine Online-Sitzung in den Ferien wurde nicht von uns als Verwaltung geboren. Jeder kann hier Vorschläge machen, deswegen diskutieren wir darüber.“ Am Ende einigte man sich schließlich doch darauf, die beschlossene Online-Umfrage durchzuführen und beim genauen Termin die Vorschläge der Fraktionen miteinzubeziehen. Doch es erscheint fraglich, dass die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Online-Sitzung in den Ferien zustande kommt. Und so wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch keinen Bürgerentscheid am Tag der Bundestagswahl geben.

 

 

 

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