Foto: Bill Titze
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Das Abwahlverfahren um Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind wird immer mehr zu einem echten Krimi. In der gestrigen Sondersitzung des Stadtrates wurde die Entscheidung über einen Bürgerentscheid auf Mitte Juli vertagt. Beantragt hatte die Sitzung die SPD-Fraktion, der im Rat ein scharfer Wind entgegen blies.

Am Ende wurde SPD-Fraktionschef Wilfried Bohn ganz grundsätzlich. „Wer anderen etwas unterstellt, ohne es beweisen zu können, der betreibt nicht Demokratie, sondern Demagogie.“ Vorausgegangen war eine hitzige Debatte mit gegenseitigen Vorwürfen und Sticheleien. Im Mittelpunkt der Kritik: die SPD um Bohn, die die Sondersitzung, die im Saalbau in Präsens stattfand, beantragt hatte. Der Hauptvorwurf der Fraktionen von CDU, Grünen und Linken: die Sozialdemokraten hätten die recht kurzfristig terminierte Sitzung anberaumt, um Ratsmitglieder, die so ad hoc nicht verfügbar seien, von der Teilnahme abzuhalten. In der Tat waren lediglich 48 von 51 Ratsmitgliedern anwesend.

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Nun könnte man sagen, drei Ratsmitglieder, die fehlen, machen keinen großen Unterschied. Doch bei dieser immens wichtigen Frage eben schon. Denn für einen Bürgerentscheid braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, das heißt, es müssen im Homburger Rat mindestens 34 Stimmen zusammenkommen. Genau so viele Sitze haben die Fraktionen von CDU, Grünen, AfD und Linken, die allesamt für den Bürgerentscheid sind. Und so wäre bei einer Entscheidung im gestrigen Rat wohl keine Mehrheit für einen solchen Entscheid zustande gekommen. So konnte es auch kaum überraschen, dass die CDU den Antrag stellte, das einzige Thema des Abends wieder von der Tagesordnung zu nehmen.

„Die SPD spekuliert darauf, dass Ratsmitglieder berufsbedingt oder urlaubsbedingt nicht an der Sitzung teilnehmen können und dass damit das Erreichen einer Zwei-Drittel-Mehrheit verhindert werden kann“, stellte CDU-Fraktionschef Dr. Stefan Mörsdorf das Kernargument vor, wieso seine Fraktion gestern nicht über einen Bürgerentscheid abstimmen wollte. Es sei der „allzu offensichtliche Versuch“, die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Entscheidung der Homburger Bürger zu verhindern. „Es ist ein eindeutiger Gestaltungsmissbrauch von Seiten der SPD, da sie die Möglichkeit nutzt, eine Sitzung einzuberufen, obwohl keine Dringlichkeit vorliegt.“

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Diese Dringlichkeit sei jedoch nicht von der SPD ins Spiel gebracht worden, wie SPD-Fraktionschef Bohn in seiner Erwiderung betonte. Sein Kernargument: Die Entscheidung über einen Bürgerentscheid werde mit Absicht auf einen späteren Zeitpunkt festgesetzt, um den Entscheid gemeinsam mit der Bundestagswahl am 26. September stattfinden lassen zu können. „Ob das demokratisch so sinnvoll ist, lasse ich mal im Raum stehen“, so Bohn. Nach einem halben Jahr Diskussion hätten die Bürger nun das Recht zu erfahren, ob es zur Bürgerabstimmung kommt oder nicht.

Entscheidend ist das Datum des Bürgerentscheids vor allem deshalb, weil mindestens 30% der Wahlberechtigten einer Abwahl Schneidewinds zustimmen müssten; bei einem eigenen Termin wäre es zumindest fragwürdig, ob eine solche Zahl an Mitbürgern den Weg zur Wahlurne auf sich nehmen würde.

Doch Grünen-Fraktionschef Prof. Marc Piazolo brachte auch noch ein anderes Argument ins Spiel. „Die Stadt ist klamm und deshalb sollten wir ein Verfahren wählen, das den Stadthaushalt nicht zu sehr belastet.“ Schließlich könne ein Sonderwahlgang 50.000 Euro kosten. Unter anderem deshalb stimmten die Grünen auch für den Antrag der CDU-Fraktion, die Entscheidung über einen mögliches Bürgerentscheid von der Tagesordnung zu nehmen.

So wie die Linksfraktion, deren Vorsitzende Barbara Spaniol die SPD deutlich kritisierte. „Bei einem solch kurzfristig anberaumten Termin, ist doch damit zu rechnen, dass Ratsmitglieder fehlen und genau darauf wurde hier geschielt.“ Gewissermaßen eine Mittelposition nahm die FDP ein, deren Fraktionschef Jörg Kühn sowohl CDU als auch SPD vorwarf, zu taktieren. Letztlich stimmte seine Fraktion jedoch gegen den Antrag der CDU. „Ich finde es zwar legitim, aber nicht fair und auch nicht dem Gesetz entsprechend, hier zu versuchen, eine Abwahl zeitlich gleich zu terminieren mit einer Bundestagswahl“, begründete Kühn das Abstimmungsverhalten der FDP.

Am Ende fiel das Ergebnis mit 30 zu 18 Stimmen doch recht eindeutig für den CDU-Antrag aus. Dabei spiegelten sich die altbekannten Fronten: CDU, Grüne, Linke und AfD stimmten dafür, die Entscheidung über einen Bürgerentscheid von der Tagesordnung zu nehmen, FDP, Freie Wählergemeinschaft (FWG) und SPD dagegen. Dennoch macht das Abstimmungsergebnis hellhörig, denn 18 Stimmen sind eine mehr, als die drei Fraktionen Mitglieder haben. Diese eine Stimme kam von AfD-Mann Daniel Schütte, der mit SPD, FDP und FWG stimmte. Ob er das im Juli, wenn dann tatsächlich über den Bürgerentscheid entschieden wird, noch einmal tut? Dann wäre das Abwahlverfahren wohl geplatzt. Ein echter Polit-Krimi eben.

 

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