„Wie weit die Einheit vorangeschritten ist, macht sich aber nicht allein an demografischen und ökonomischen Kennzahlen fest“, so Susanne Dähner. „Daher beleuchten wir in der Studie insgesamt 30 Themen, von Bildung, Gleichstellung, Mediennutzung über Konsumverhalten, sportliche und kulturelle Vorlieben bis hin zu Mobilität, Wohnen und Religion.“ In manchen Bereichen ist der Westen dem Osten gefolgt, wie bei der Erwerbsbeteiligung der Frauen oder der Abkehr von den beiden christlichen Kirchen.

Manche Entwicklungsschritte haben Ost und West in den letzten 30 Jahren auch gemeinsam genommen. So verlassen heute im Schnitt ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler die Schule mit einem Abitur, Anfang der 1990er Jahre waren es in den ostdeutschen Ländern nicht einmal ein Fünftel und in den westdeutschen ein Viertel. Letztlich haben aber auch Vorlieben bis heute Bestand, die die Menschen noch zur Zeit der Teilung des Landes geprägt haben. Während in den ostdeutschen Sportvereinen bis heute häufiger Volleyball gespielt wird, ist unter Westdeutschen Tennis beliebter.

„Die seit 30 Jahren vereinigte Bundesrepublik ist ein Land der vielfältigen Lebensbedingungen, die sich immer weniger allein nach Ost und West kategorisieren lassen“, konstatiert Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Im vereinten Land ist mittlerweile eine Generation herangewachsen, die Mauer und das Nebeneinander zweier deutscher Staaten nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern oder den Geschichtsbüchern kennt. Nie waren die Menschen in Ost und West in den letzten 30 Jahren zufriedener als heute.

Doch trotz aller Erfolge und Annäherungen bei statistisch messbaren Kenngrößen nimmt ein Teil der Menschen noch immer Unterschiede in Lebensverhältnissen und Teilhabechancen wahr. Weiterhin haben vier von zehn Ostdeutschen das Gefühl, die Menschen im Osten seien Bürger zweiter Klasse. „So lange diese gefühlte Trennung und faktische Unterschiede noch existieren, müssen wir weiter über das Zusammenwachsen der beiden ehemaligen deutschen Staaten sprechen“, so Catherina Hinz. Die Auswirkungen der Corona-Epidemie könnten zudem einige der bisherigen Erfolge beim Zusammenwachsen des Landes gefährden.

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