Serafino Russo - Foto: Stephan Bonaventura
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Homburg1: 10 Jahre Serafino Russo. In diesem Jahr wird hier in der Kaiserstraße Homburg noch richtig gefeiert werden. Was bedeuten die letzten 10 Jahre für dich persönlich?

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Serafino Russo: Oktober 2013 war unser erster Arbeitstag hier in dem neuen Salon mit dem neuen Konzept. Seit 2008 bin ich aber bereits selbstständig. Natürlich hat es hier von Anfang an erst eine gewissen Findungsphase gebraucht. Ich habe verschiedene Konzepte ausprobiert, was passt zu mir, womit komme ich gut klar, womit kann ich mich identifizieren, wie das halt so ist im Leben. Jetzt bin ich 50 und habe mich eigentlich ganz gut gefunden und komme sehr, sehr gut mit mir klar.

Homburg1: Was nimmt man in so zehn Jahren alles mit?

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Serafino Russo: Wir haben in den zehn Jahren drei Jahre gehabt, die waren natürlich sehr strange mit Corona und den gesamten Krisen. Das konnte man nicht voraussehen, niemand konnte das. Aber unterm Strich lässt sich sagen: Es war anstrengend. Sehr anstrengend. Gerade auf dem Niveau Personal zu finden. Leute zu finden, die auch in der Lage sind auf der Strecke abzurufen. Nicht auf kurze Sprints. Der Mensch hat sich verändert, ich möchte nicht sagen entwickelt, entwickelt für mich in die falsche Richtung. Immer weniger Arbeitszeit, weniger Aufopferung, weniger Schmerzgrenzen. Es ist im Großen und Ganzen wirklich nicht leicht. Ich vergleiche es gerne mit dem Sport, denn ich bin ja ein Sportliebhaber. Wenn man unter die ersten 10 ins Tennis kommen will oder die Champions League dauerhaft spielen oder sogar gewinnen möchte, ist es natürlich sehr anstrengend, aber trotzdem ein geiles Gefühl, wenn man es dann mal geschafft hat. Aber die wenigsten, das habe ich jetzt kapiert, sind weder in der Lage, die Champions League zu spielen, geschweige denn zu gewinnen, noch sind sie talentiert genug. Das muss man dann auch wirklich so sehen, obwohl man immer sagt und versucht, “Oh, du bist gut und du hast Potenzial, du hast Talent.” Aber letzten Endes sind es eben nur sehr wenige, die auf Dauer diese Leistung abrufen können und es hat gar nichts mit Wollen zu tun. Dieser Satz, “Wenn du willst, schaffst du alles.“, das ist natürlich eine Floskel. Das ist ja bei den Leuten so ins Gehirn reingebrannt, dass die nur noch argumentieren „Wenn ich will kann ich, aber ich will ja nicht“. Das heißt, die Leute wollen gar nicht mehr bewertet werden. Mit Zeit nicht und mit Ergebnissen nicht. Sie wollen immer ein freier Vogel sein, „ist doch gut genug für mich“. Und das ist es, was ich in den vergangenen Jahren mehr und mehr gemerkt habe.

Homburg1: Was passierte denn in deinem Unternehmerkopf von dem Moment deiner Eröffnungsparty bis zum heutigen Tag? Eine lange Zeit….

Serafino Russo: In und nach der Corona-Zeit habe ich viel Zeit gehabt, nachzudenken. Was ist passiert in meinem Leben, in meinem Geschäftsleben, was möchte ich noch, was soll passieren und wie soll es passieren. Die Corona-Zeit war insgesamt das anstrengendste, teuerste und spannendste Seminar meines Lebens. Ich habe in der Zeit auch viel gelernt. Z.B. dass ich nicht jeden zum Star machen will. Ich möchte auch nicht mehr jeden zum Super-Premium-Friseur machen, weil es gehört so viel mehr dazu im Premium-Segment zu arbeiten und auch abzuliefern. Wenn ich mir nur vorstelle, ich wäre in einem Nicht-Premium-Konzept, wo ich einfach nur funktionieren muss und jedem alles recht machen muss, dann wäre ich todunglücklich, weil ich nicht da rein gehöre. Ich bin eine Marke, ich bin meine Marke und im Premium-Segment ist es sehr wichtig, dass man auch als Mitarbeiter eine eigene Marke ist. Egal ob ich selbst anwesend bin oder nicht, auch als Mitarbeiter von Serafino Russo, musst du eine eigene Marke sein, eine eigene Persönlichkeit präsentieren, damit du langfristig auch überlebst. Und das ist nicht einfach. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es erstens nicht jeder möchte, so eine Marke zu sein, weil das bedeutet natürlich dann auch: wow, jeder will ihn haben. Einfach gesagt: Es will jeder, nur es kann nicht jeder. Weil es erstens sau anstrengend ist und du brauchst natürlich viel Talent und dazu passend viel Selbstreflexion. Es gilt immer wieder an die Grenzen zu gehen, aus der Komfortzone raus. Irgendwann mal wird der Schmerz und der Tod dein Freund. Und dann gefällt es dir richtig in dieser Welt zu leben. Das kann halt nicht jeder. Davon bin ich mittlerweile überzeugt.

Homburg1: Und gefällt es dir nach all den Jahren immer noch genauso wie am ersten Tag? Du hast ja jetzt die Marke aufgebaut. Kannst du dies alles noch weiter transportieren?

Serafino Russo: Ja und es wird immer schöner für mich. Warum? Weil ich nicht mehr oder immer weniger, fast bei null, mich mit dem Nebenmann auseinandersetze. Das heißt, Menschen, Kunden oder auch Mitarbeiter, die in meinen Zug einsteigen, sollten meine Geschwindigkeit mitgehen können. Das heißt, es bringt nichts, wenn der Mitarbeiter oder Kunde in meinen Zug einsteigt und dann sagt „Drossel mal deine Geschwindigkeit“. Da sind wir ja mittlerweile. Jeder steigt irgendwo ein, aber möchte, dass der andere sich anpasst, weil der andere nicht gewillt, nicht kann, nicht talentiert genug ist, diese Geschwindigkeit auch zu gehen. Für mich wird es durch meine Lebenserfahrung, durch meine Kinder natürlich, durch mein Alter, immer leichter, weil ich mich immer weniger mit dem Nebenmann auseinandersetze. Ich habe mein ich gefestigt. Ich wusste immer, wo ich hin will und wer und wie ich sein will. Ich bin auch angenehmer dem anderen gegenüber, weil ich nicht von ihm Sachen erwarte, die er vielleicht nicht will oder kann, sondern ich warte einfach ab. Ist einer gut genug und kann mir folgen, auch nach Wochen noch ohne zu jammern, dann denke ich mir, wow, ich gebe mal noch ein bisschen mehr Gas und wenn er dann immer noch da ist, denke ich erst recht, wow, Und wenn er dann nach meiner Höchstgeschwindigkeit noch mein Schatten ist, dann fange ich an, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Alles andere wird einfach sehr schnell aufgelöst und sehr schnell einfach in eine andere Liga verfrachtet. Weil es ist einfach Zeitverschwendung. Das habe ich gelernt und das macht mich auch, denke ich mal, zum besseren Chef heute und besseren Menschen allgemein. Weil – es ist nicht mein Problem, wenn du ein Problem mit mir hast.

Melanie und Serafino Russo – Foto: Stephan Bonaventura

Homburg1: Im Oktober sind es genau zehn Jahre, die 10 Jahre. 10 Jahre, auf die weiter 10 Jahre folgen werden. Was willst du noch alles verändern?

Serafino Russo: Natürlich habe ich weiterhin Ziele und Träume. Grundsätzlich träume ich eigentlich davon, und da konnte ich noch nicht mal Haare schneiden, irgendwann mal hier an meinem Friseursalon draußen stehen zu haben: „Serafino Russo – Privatfrisör“. Das gefällt mir einfach. Die meisten wissen, wenn ich über andere rede, langweile ich mich sehr schnell. Wenn ich über mich rede, werde ich richtig emotional. Da kriege ich auch Gänsehaut. Das gefällt mir. Ich würde das gern mal sehen: „Serafino Russo – Privatfrisör“. Haare und so viel mehr. Neues Transparent, neues Logo. Der Name bleibt natürlich, weil das meine Unterschrift ist. Privatfrisör, das bedeutet bei mir: Ganz klein, ausgesuchte Leute. Ich möchte jetzt nicht sagen Privatversicherte, um das Ganze mal ein bisschen in die Krankenschiene zu transportieren, damit es leichter zu verstehen ist. Das ist einfach noch so ein Wunsch von mir. Wir haben natürlich noch ein, zwei, drei Sachen in Petto, z.B. mit gewissen Feinkostsachen, aber da holen wir dann jetzt zu weit aus. Was jedenfalls den Privatfrisör angeht, da bin ich gerade dabei, so ein bisschen die Gedanken zu Ende zu spielen. Gerade auf deine Frage, was soll die nächsten 10 Jahre passieren? Das wäre vielleicht was Geiles.

Homburg1: Das bedeutet aber auch, dass du entsprechend Menschen brauchst, die wiederum zu dem ganzen Thema “Privatfriseur” passen, oder?

Serafino Russo: Ja genau. Die Herausforderung besteht darin, Personen zu finden, die tatsächlich das Potential haben, in einem Privatfriseursalon zu arbeiten. Es ist kein einfaches Unterfangen, Menschen zu finden, die wirklich das Zeug dafür haben. Es schockt erstmal potentielle Bewerber. Ein Privatfriseur zu sein bedeutet für mich auch, dass wir keine festen Öffnungszeiten haben. Unsere Öffnungszeiten basieren dann auf Vereinbarungen mit unseren Kunden. In diesem Zusammenhang wäre es natürlich ideal, wenn sich die Mitarbeiter in einem solchen Privatfriseursalon selbst organisieren könnten. Selbstorganisation bedeutet jedoch auch, sich im Premium-Segment flexibel zu zeigen und sich Zeit für den Kunden zu nehmen. Es kann vorkommen, dass ein Kunde kurzfristig vor seinem Urlaub einen Termin braucht, während die Woche bereits voll gebucht ist. In solchen Fällen müssten die Mitarbeiter eventuell auch am Sonntag oder Montag arbeiten. Luxusdienstleistungen erfordern natürlich eine gewisse Autorität und Persönlichkeit, aber vor allem die Fähigkeit, den Kunden nahezu alle, auch zeitlichen, Wünsche zu erfüllen. Genau das ist es, was ich seit Jahrzehnten tue und was meine Arbeit mit den Kunden so besonders macht. Ich bin stets bemüht, den Wünschen meiner Kunden gerecht zu werden. Dadurch bin ich immer ausgebucht, nicht nur mit drei oder vier Kunden am Tag. All das hat natürlich seinen Preis. Vielleicht wird es ja irgendwann mal so weit sein, dass hier nur noch selbstständige Friseure arbeiten. Menschen, die bereits einen Meisterabschluss haben, ihre eigene Zielgruppe und ein hohes Maß an Qualitäts- und Servicebewusstsein. Wird der Trend in diese Richtung gehen, dass solche Friseure sich dann hier beispielsweise einmieten? Serafino Russo, Privatfriseure – das bedeutet viel mehr als nur Haare schneiden. Ich möchte Platz schaffen für wenige, die dieses Konzept verstehen und umsetzen wollen. Es geht darum, ein Team von zwei, drei, vier fähigen Personen zu bilden, die Service und Qualität im Blick haben, aber auch ihre eigene Persönlichkeit einbringen. Das ist auch so ein Gedanke, der sich bei eingebrannt hat.

Homburg1: Ist das in Homburg umsetzbar?

Serafino Russo: Natürlich gibt es in größeren Städten mehr potentielle Kunden, aber ich glaube schon, dass es hier möglich ist. Es gibt hier nicht viele, aber einige sehr gute Friseure, nicht nur in Bezug auf Technik und Grundtechniken, sondern auch hinsichtlich des Servicegedankens und der Bereitschaft, die Komfortzone zu verlassen und Neues auszuprobieren. In so einem kleineren Rahmen könnte ein Team aus drei, vier, fünf Stylisten zusammenarbeiten. Jeder könnte sich selbst organisieren, seine eigenen Kunden betreuen. Hier hätte man dazu großartige Räumlichkeiten. Dies wäre ein Konzept mit High-End Friseuren, das mich sehr reizen würde. Ich wäre auch bereit, dafür notwendige Änderungen vorzunehmen.

Foto: Stephan Bonaventura

Homburg1: Du redest von vielen Möglichkeiten. Aktuell sind es aber genau das noch, Möglichkeiten und Ideen. Wie geht es mit den deinen Visionen weiter?

Serafino Russo: Richtig. Aktuell sind viele Aspekte noch hypothetisch und ich überlege, wie ich am besten vorgehen soll. Es gibt schon einige konkrete Gespräche mit Friseuren und Stylisten, auch aus anderen Städten wie Saarbrücken. Einige von ihnen, insbesondere mobile Friseure, haben sich aufgrund der hohen Investitionen, der Verantwortung und der unregelmäßigen Arbeitszeiten gegen eine Selbstständigkeit mit eigener Ladenmiete entschieden. Mit diesen Stylisten führe ich seit einigen Monaten Gespräche und wir diskutieren verschiedene Eckpunkte bevor so etwas fixiert wird. Diese Gespräche sind schon weit fortgeschritten, auch wenn noch nichts offiziell unterschrieben wurde. Das Konzept von “Serafino Russo, Privatfriseur” – Haare und so viel mehr – oder sogar der nächste Schritt – “Serafino Russo, Privatfriseure” – könnte in absehbarer Zeit Realität werden.

Homburg1: Das heißt also, wer sich angesprochen fühlt, kann sich gerne bei dir melden?

Serafino Russo: Auf jeden Fall! Wenn jemand das Gefühl hat, sich mit mir intensiver unterhalten zu wollen, dann bitte kontaktieren Sie mich. Wenn jemand denkt: “Das wäre genau mein Ding! Ich müsste keine Investitionen tätigen, hätte schon einen Laden und einen hervorragenden Standort. Ich habe einen starken Namen, Kunden und Talent. Ich bin bereit, im Dienste des Kundenservice an meine Grenzen zu gehen und mich ständig aus meiner Komfortzone herauszubewegen.” – dann bitte melden Sie sich. Viele Menschen, die ich treffe – vor allem in der näheren Umgebung – scheinen nur darauf aus zu sein, ein komfortables Leben zu führen und alt zu werden. Wenige haben den Wunsch, wirklich etwas zu hinterlassen. Ich hingegen möchte etwas Bleibendes schaffen. Ich möchte, dass meine Kinder und andere sich an mich erinnern. Wenn Sie also jemand sind, der etwas Einzigartiges und Neues schaffen möchte, dann sollten wir sprechen. Die meisten Menschen in meiner Umgebung haben zunächst Zweifel. Sie fragen sich, ob es in unserer Provinz überhaupt funktionieren kann. Aber ich sage Ihnen, ich habe diese Fragen seit 20 Jahren gehört, und trotzdem habe ich immer wieder bewiesen, dass es funktioniert. Es gibt ein Fußball-Sprichwort, das besagt: “Wenn du nicht aufs Tor schießt, kannst du keine Tore erzielen.” Und genau so ist es im Geschäftsleben. Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, was passieren könnte. Es ist wie beim Laufen: Wenn du anfängst zu laufen, hast du zumindest eine Person besiegt – die Person, die auf dem Sofa sitzt. Es spielt keine Rolle, ob du schnell oder langsam läufst. Der Punkt ist, dass du läufst und dabei eine Menge lernst – über dich selbst und andere Menschen.

Homburg1: 10 Jahre – Jubiläum. Wie hat sich der Laden eigentlich entwickelt, sind hier noch Investitionen geplant, Designveränderung oder sonstiges?

Serafino Russo: Was den Laden angeht, so planen wir seit einigen Monaten an mehreren Veränderungen. Trotz der finanziellen Herausforderungen durch die Corona-Krise, die uns viel Geld gekostet hat, werden wir definitiv etwas tun. Wir planen auch eine kleine Eröffnungsparty im Oktober. Bisschen Finger Food, leckere Drinks. Es soll an einem Wochenende ein entspanntes Beisammensein während der Arbeitszeit sein. Die Leute können mit Freunden vorbeikommen, sich die neuen Räumlichkeiten ansehen, etwas essen und trinken, und wir werden auch einen DJ dabei haben. Wir möchten einfach eine lockere Atmosphäre schaffen, und nicht eine große Party bis in die frühen Morgenstunden. Ich bin nicht alt geworden aber meine Prioritäten haben sich da schon ein wenig verschoben. Obwohl ich immer noch gerne feiere, möchte ich nicht mehr bis in die frühen Morgenstunden feiern. Daher haben wir uns gegen eine große Einladung entschieden.

Homburg1: Was war die wichtigste Erfahrung in den letzten 10 Jahren?

Serafino Russo: Nun, die wertvollste Erfahrung, die ich gemacht habe, und die ich bereits kurz angesprochen habe, ist die klare Erkenntnis nicht nur darüber, was ich will, was mir schon seit langer Zeit bewusst ist, sondern vor allem darüber, was ich nicht mehr will. Ich verbringe kaum noch oder gar keine Zeit mehr mit Dingen, Menschen oder Aktivitäten, die mich nicht interessieren. Das kommuniziere ich auch klar und deutlich. Infolgedessen bin ich emotional ruhiger, mein Blutdruck ist ein bisschen niedriger. Ich habe meine Einstellung geändert. Wenn jemand nicht so funktioniert, wie ich es gerne hätte, oder nicht das Potential ausschöpft, das ich in ihm sehe, dann soll eher dessen Blutdruck steigen und nicht meiner. In den letzten zehn Jahren, auch durch die Erfahrung der Corona-Pandemie, habe ich gelernt, mich besser kennenzulernen, besser zu verstehen, was mich wirklich stört, was ich abends mit nach Hause nehme und was ich ins Wochenende mitnehme. Das ist ein sehr wertvoller Erkenntnisprozess und ein hohes Gut, was ich mittlerweile auch schätze. Das heißt jedoch nicht, dass ich mit meiner Entwicklung bereits abgeschlossen habe. Es gibt immer noch Momente, in denen ich von meinen Emotionen überwältigt werde. Doch ich habe gelernt, frühe Anzeichen dafür zu erkennen, wenn etwas mir nicht guttut, und kann dann dagegen steuern und mich wieder auf das Wesentliche fokussieren. Was meinem Unternehmen, meiner Familie und mir am besten gefällt und was uns am besten gelingt, das spiegelt sich letztlich auch in allem wider. Die Balance zwischen Arbeit und Leben in unserer Unternehmerfamilie hat dabei höchste Priorität, noch bevor es um die Work-Life-Balance anderer geht. Denn als Angestellter oder Mitarbeiter sollte man sich zunächst fragen: Was möchte das Unternehmen? Was braucht es? Und im Fall kleiner, mittelständischer Familienunternehmen, wie wir es sind, was wünschen die Inhaber, damit es ihnen gut geht? Erst wenn man als Mitarbeiter diese Bedürfnisse erfüllt hat, kann man erwarten, dass die eigenen Wünsche in Erfüllung gehen. Erst nachdem diese Fragen geklärt sind, können die eigenen Wünsche langsam ins Spiel gebracht werden.

Homburg1: Du hast jetzt auch eine eigene Marke rausgebracht, beziehungsweise eine eigene Kollektion an Pflegemitteln, erzähl uns darüber.

Serafino Russo: Die Idee, eine persönliche Marke, ein eigenes Produkt, zu haben, begleitete mich schon seit mindestens zehn Jahren. Damals hatte ich zwar keine Ahnung von Private Label und konnte kaum eine Schere halten, aber ich wollte bereits meine eigenen Produkte haben. Leider waren die Mindestbestell- und Produktionsmengen damals noch viel zu groß und die damit verbundenen Lager- und Erhaltungskosten zu hoch. Mit der Zeit hat sich das jedoch geändert. Zusammen mit einem Kollegen haben wir die Idee wiederbelebt. Jeder von uns sollte Styling-Tools entwickeln, die er als unverzichtbar ansieht und die auch die Kunden zu Hause brauchen. Die Lagerkosten haben sich verringert. Wir müssen nicht mehr alles selbst lagern und können in Schritten nachbestellen. Unsere Produkte sind bis jetzt wirklich sehr gut angenommen und es ist natürlich schön, den eigenen Namen auf den Produkten zu sehen.

Homburg1: Du hast dich über die Jahre sehr breit aufgestellt und arbeitest parallel an vielen Ideen. War das schon immer der Plan?

Serafino Russo: Ich habe mich flexibel weiterentwickelt. Heute bin ich nicht nur ein Friseur und Stylist, ich investiere auch in andere Bereiche. Meine Aktivitäten reichen von der Arbeit als Friseur und Stylist über den Verkauf von Produkten bis hin zur Investition in verschiedene Projekte. Dies alles sind Bausteine, die zusammen ein größeres Ganzes bilden. In unserer kreativen Welt ist das nicht ungewöhnlich. Die Rolle des Friseurs hat sich im Laufe der Jahre übrigens stark gewandelt. Früher war ein Friseur nicht nur Friseur – er hatte Immobilien, mehrere Geschäfte und viele Mitarbeiter. Heute kaufen Friseure Anteile an Bars, Restaurants oder Feinkostläden und sind in vielen Bereichen tätig. Die Branche hat sich verändert und so hat sich auch der Unternehmer-Friseur verändert. Durch die Möglichkeiten von Social Media und dem Internet können Friseure heute auf viele verschiedene Arten Geld verdienen, auch ohne ständig im Salon Haare zu schneiden. Sie können sich in eine Bar einkaufen, in einem Restaurant investieren oder online in der neuen Welt Geld verdienen. Es gibt unendlich Möglichkeiten und Kanäle. Früher musste man physisch zur Arbeit gehen, um Geld zu verdienen. Heute kann jemand, der erst um 14 Uhr aufsteht und aussieht, als wäre er arbeitslos, ein Internetmillionär sein.

Homburg1: Und das bedeutet für die Branche insgesamt?

Serafino Russo: Ich sehe das als ein Zeichen dafür, dass sich unsere Branche gewandelt hat. Die heutigen Unternehmer-Friseure sind anders als die von vor 20, 30 oder 40 Jahren. Sie suchen nach neuen Wegen, um ihr Einkommen zu steigern und sich kreativ auszudrücken. Einige kaufen und verkaufen limitierte Markenartikel online mit Gewinn, andere nutzen Plattformen wie OnlyFans oder investieren in Kryptowährungen und Aktien. Das zeigt, dass es heute viele Möglichkeiten gibt, Geld zu verdienen, ohne permanent im Salon Haare schneiden zu müssen. Wie gesagt: Das war früher anders. Wer nicht zur Arbeit ging, erhielt kein Geld. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Zeiten geändert haben. Aber auch ich habe mich verändert und mein Geschäft weiterentwickelt. Neben meiner Arbeit als Friseur und Stylist betreibe ich auch einen Online-Feinkosthandel. Das läuft richtig gut an, ich liebe es. Es war immer ein Traum von mir, eine eigene Bar oder ein Feinkostgeschäft zu besitzen. Momentan ist meine Frau noch nicht ganz überzeugt von dieser Bar-Idee, aber ich hoffe, dass sie im Laufe der Jahre zustimmt.

Homburg1: Danke für das ausführliche Gespräch und weiterhin viel Erfolg und gute Ideen.

Das Interview führte Stephan Bonaventura

Impressionen aus den letzten Jahren:

 

 

 

 

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