Fremdenfeindliche Straftaten sind umso seltener, je mehr Ausländerinnen und Ausländer in einer Region leben. Das zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Marburg und Osnabrück sowie des Bundeskriminalamts in einer empirischen Studie.

Das Team um den Sozialpsychologen Professor Dr. Ulrich Wagner berichtet in der Fachzeitschrift “Social Psychology Quarterly” über seine Ergebnisse. Am 27.Mai 2020 legte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2019 vor; die Hasskriminalität, zu der fremdenfeindliche Verbrechen zählen, nahm erneut zu: um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

“Wir haben überprüft, inwieweit die Häufigkeit von fremdenfeindlichen Straftaten damit zusammenhängt, wie viele Ausländerinnen und Ausländer in einer Region leben”, sagt Mitverfasser Dr. Uwe Kemmesies von der Forschungs- und Beratungsstelle Terrorismus/Extremismus (FTE) des Bundeskriminalamts. “Soweit wir wissen, gibt es bisher keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die der Verbindung zwischen dem Anteil von Ausländerinnen und Ausländern einerseits und Auftreten von Hassverbrechen nachgehen”, ergänzt Leitautor Ulrich Wagner von der Philipps-Universität Marburg.

Als von 2015 an die Anzahl der Geflüchteten anstieg, die in die Bundesrepublik kamen, gab es immer mehr fremdenfeindliche Übergriffe – für das Jahr 2016 verzeichnet die Statistik im Vergleich zu 2014 mehr als doppelt so viele Straftaten gegen Migrantinnen und Migranten sowie ethnische Minderheiten; die Zahl der Brandanschläge gegen Asylbewerberheime verzwölffachte sich. Der Anstieg war aber nicht überall gleich hoch; so kamen in den östlichen Bundesländern mehr solcher Straftaten vor als in den westlichen Bundesländern.

Fachleute haben zur Erklärung zwei Theorien aufgestellt: Leben viele Ausländerinnen und Ausländer in einer Region, so gibt es der Gruppenkontakt-Theorie zufolge mehr Möglichkeiten zum Kontakt mit ihnen; die positiven Erfahrungen, die man dabei mache, führten zum Abbau negativer Vorurteile. Die Bedrohungstheorie hingegen besagt, ein höherer Anteil an Ausländerinnen und Ausländern wecke bei der Bevölkerungsmehrheit ein Gefühl der Bedrohung – Bedrohung des ökonomischen Status, wichtiger Wertvorstelllungen und Normen; das Empfinden, bedroht zu sein, rufe Zurückweisung und diskriminierendes Verhalten hervor.

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