Arthur Landwehr bei der HomBuch in Homburg - Foto: Stephan Bonaventura
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In dieser Woche fand im Rahmen des Lesefestes HomBuch in Homburg eine wirklich bemerkenswerte Veranstaltung statt. Eine Lesung oder viel mehr ein überaus spannender Vortrag über die aktuelle Lage in Amerika. Ein Vortrag, der sich sowohl mit den Menschen des Landes, ihrer Tradition, den Werten, als auch dem Wahlkampf beschäftigte. Tiefe Einblicke und gedankliche Verzweigungen, welche die Zuhörer gebannt verfolgten.

Im Siebenpfeifferhaus präsentierte der renommierte Journalist Arthur Landwehr sein Buch “Die zerrissenen Staaten von Amerika: Alte Mythen und neue Werte – ein Land kämpft um seine Identität”. Unterstützt von den Hauptsponsoren Dr. Theiss Naturwaren GmbH und der Stiftung Villa Lessing, konnte diese Veranstaltung, moderiert von Peter König, dank ihrer großzügigen Förderung realisiert werden. Ein echter Gewinn für das Lesefest und die Stadt selbst.

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Eine zerrissene Nation: Der USA-Experte Arthur Landwehr spricht Klartext

Arthur Landwehr, der als ARD-Hörfunk-Korrespondent über Jahre hinweg die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der USA begleitete, eröffnete seinen Vortrag mit einem klaren Fokus auf die kommenden Präsidentschaftswahlen 2024. Die USA, so Landwehr, stehen vor einer erneuten Zerreißprobe: Die Frage, welche Version von Amerika sich durchsetzen wird – ein Amerika der Freiheit und sozialen Verantwortung oder ein Amerika der traditionellen Werte –, spaltet die Gesellschaft. „Es geht nicht nur darum, den richtigen Präsidenten zu wählen, sondern das richtige Amerika“, betonte Landwehr und stellte die zentrale Frage, welche Vision von den Wählern unterstützt wird.

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Foto: Stephan Bonaventura

Identitätspolitik und ihre Bedeutung

Ein zentrales Thema, das Landwehr immer wieder aufgriff, war die Identitätspolitik. Dieses Konzept beschreibt, wie politische Entscheidungen zunehmend mit Fragen der persönlichen Identität verknüpft sind: Was bedeutet es, Amerikaner zu sein? Für viele Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten, ist diese Frage eng mit Tradition, Religion und Gemeinschaftsgefühl verbunden. Demgegenüber steht das fortschrittliche, urbane Amerika, das sich mehr mit Themen wie Diversität und sozialer Gerechtigkeit auseinandersetzt. Landwehr machte deutlich, dass diese Debatte über Politik hinausgeht und zutiefst existenziell ist – es geht darum, wie Menschen ihre eigene Identität und ihr Leben definieren. Die Kluft, die sich insgesamt zwischen urbanen und ländlichen Gebieten in den USA auftut, ist mehr als tief.

Landwehr ging in seinem Vortrag ausführlich auf diese wachsende Kluft ein. Während in den Städten eine pluralistische, moderne Gesellschaft angestrebt wird, gibt es auf dem Land das Gefühl, dass die „guten alten Zeiten“ verloren gegangen sind – sowohl wirtschaftlich als auch kulturell. So wurde den Zuhörern im Siebenpfeifferhaus schnell deutlich, dass diese unterschiedlichen Vorstellungen davon, was es bedeutet, Amerikaner zu sein, ein zentraler Grund für die gegenwärtige Spaltung der Gesellschaft sind.

Foto: Stephan Bonaventura

Waffen: Freiheit oder Bedrohung?

Ein weiteres zentrales Thema, das Arthur Landwehr während seines Vortrags behandelte, war die tief verwurzelte Einstellung der Amerikaner zum Waffenbesitz. Er erläuterte, dass der Besitz von Waffen besonders in ländlichen Regionen eng mit der Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung verknüpft ist. Diese Einstellung, so Landwehr, ist nicht nur historisch gewachsen, sondern ein Teil der amerikanischen Identität. Gegensätzlich dazu steht die wachsende Forderung aus den urbanen Zentren nach strengeren Waffengesetzen, insbesondere aufgrund der zunehmenden Waffengewalt in den letzten Jahrzehnten. Die Debatte symbolisiert damit auf ganzer Breite die tiefe gesellschaftliche Spaltung: Während in den Städten der Ruf nach mehr Sicherheit und Regulierung laut wird, verteidigen die Menschen auf dem Land ihre Waffenrechte nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch als Ausdruck ihrer Lebensweise und eigenen, gut gehüteten Identität.

Foto: Stephan Bonaventura

Trump und seine Anhänger: Der Kampf um Anerkennung?

Eine der einfachsten und doch faszinierenden und wichtigen Fragen, die Landwehr während seines Vortrags aufwarf, war, warum fast die Hälfte der Amerikaner Donald Trump trotz seiner Skandale und oft respektlosen Rhetorik unterstützt. Was bringt also 74 Millionen Amerikaner dazu, Trump als ihren Helden zu sehen? Früher konnte man auch ohne Hochschulabschluss in einer Kleinstadt im Mittleren Westen ein gutes Leben führen. Doch mit dem Rückzug der Industrie und den Auswirkungen der Globalisierung verschwanden viele dieser Arbeitsplätze, und die Städte verfielen. Dazu eine differenzierte Analyse der Gründe:

“Ein ganz, ganz großer Unterschied zwischen den Menschen, außer dass das Leben natürlich anders ist in der Stadt, ist, dass die Menschen auf dem Land in den vergangenen Jahren eine unglaubliche Abstiegserfahrung gemacht haben. Ich sage mal so seit 30 Jahren. Wenn man da in den USA irgendwo in einer Kleinstadt im Mittleren Westen gelebt hat, hat man auch ohne Hochschulabschluss gut gelebt. Da gab es Fabriken, da gab es Autowerkstätten. Man hat gute Arbeit gehabt, Arbeit, auf die man stolz sein konnte. Und im Zuge der Globalisierung sind Stück für Stück diese Fabriken geschlossen worden, sind die Städte geschrumpft auf Main Street und Broadway, hat zuerst das Schulgeschäft zugemacht, und dann noch der Diner und dann die Sparkasse und am Schluss die Schule, so dass die Schüler und die Kinder in die Nachbarschaft mussten. Und dann kam 2007/2008 die große Immobilienkrise, die Weltwirtschaftskrise, die in den USA zu einer großen Rezession geführt hat. Da haben viele, viele zuerst ihr Haus verloren und dann ihren Job. Jobs haben sie alle wieder, aber sie verdienen viel, viel weniger. Und sie haben die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die Geld hatten, die in den Städten, haben es investiert und unglaublich viel verdient am Aktienmarkt. Und bei ihnen ist heute nur noch ein Bruchteil dessen übriggeblieben, was sie vorher an Lebensqualität und Möglichkeiten hatten. Das ist die Erfahrung. Und jetzt kommen die und sagen, jetzt spielen wir auch plötzlich gar keine Rolle mehr. Plötzlich sind wir die Hinterwäldler. Wir sind die Hillbillys, die von den Medien nicht ernst genommen werden, die von der Politik in Washington und anderswo nicht ernst genommen werden, die von der Wirtschaft nicht ernst genommen werden, die uns als Rassisten abstempeln, all das passiert.”

Trump, so erklärte Landwehr, spreche die Gefühle und Ängste vieler Menschen an, die sich vom politischen Establishment und den Medien nicht mehr repräsentiert fühlen. Er sei derjenige, der ihnen „ihre Ehre zurückgegeben“ habe, wie es in vielen Gesprächen mit Trump-Anhängern zum Ausdruck kam. In ländlichen Gegenden, die wirtschaftlich stark von der Globalisierung und dem industriellen Niedergang betroffen sind, hätten viele Menschen das Gefühl, abgehängt zu sein. Trump sei für sie derjenige, der ihre Sorgen und Nöte ernst nehme und gegen das „liberale Establishment“ ankämpfe, das sie als elitär und abgehoben empfinden.

Das Publikum lauschte gespannt den Worten von Arthur Landwehr – Foto: Stephan Bonaventura

Demokraten gegen Republikaner: Zwei Programme, zwei Welten

Die politische Kluft zwischen Demokraten und Republikanern ist in den USA so groß wie selten zuvor. Die Demokraten finden vor allem in den urbanen Zentren große Unterstützung. Irgendwie klar, denn dort spielen Themen wie Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Diversität eine große Rolle. Auf dem Land hingegen dominieren die Republikaner, die sich als Verteidiger der traditionellen Werte und der individuellen Freiheit präsentieren.

So wurde bei dem Vortrag deutlich, dass es in den USA heute weniger um konkrete politische Programme gehe als um grundsätzliche Fragen der Identität und der gesellschaftlichen Ordnung. Während die Demokraten auf eine moderne, diverse Gesellschaft hinarbeiten, verteidigen die Republikaner ein Amerika, das auf traditionellen Werten basiert. Dieser Gegensatz prägt nicht nur die politischen Auseinandersetzungen, sondern auch das alltägliche Leben in den USA.

Foto: Stephan Bonaventura

Kamala Harris: Eine Kandidatin im Schatten Trumps?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist seit der Wahlkampfaufgabe von Biden die Rolle von Kamala Harris im Präsidentschaftswahlkampf 2024. Harris, die als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten nun eine zentrale Figur der Demokraten ist, steht vor der Herausforderung, sich gegen Trump zu behaupten, ja behaupten zu müssen. Landwehr machte deutlich, dass Harris vor allem in den urbanen Gebieten und bei Minderheiten großen Rückhalt hat, während Trump auf dem Land und bei den weißen, konservativen Wählern dominiert.

Ob Harris jedoch eine realistische Chance hat, gegen Trump zu gewinnen, bleibt unklar. Arthur Landwehr betonte ausdrücklich, dass der Wahlkampf in den USA eine lange, mühsame Angelegenheit sei und es am Ende darauf ankomme, wer seine Wähler besser mobilisieren könne und es gäbe viele Hürden auf dem Weg nach oben. Landwehr: “Das ist eine lange Ebene der Mühsal, so ein Wahlkampf. Man steigt morgens an den Bus ein, man fährt in den nächsten Ort, steigt aus dem Bus aus, hält eine Rede. Dann steigt man wieder in den Bus ein, hält irgendwo an, in einem Privathaus, wo reiche Sponsoren sitzen, muss mit denen reden, damit Geld in die Kasse kommt. Man hält nochmal an, damit Geld in die Kasse kommt und hält nochmal an und telefoniert den ganzen Tag mit denen, die Geld geben. Weil in Amerika nur gewinnen kann, wer Geld hat.”

Arthur Landwehrs Vortrag zu seinem aktuellen Buch bot einen tiefen Einblick in die politische und gesellschaftliche Lage der USA im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024. Die USA stehen vor der entscheidenden Frage, welche Vision von Amerika sich durchsetzen wird: Ein Amerika, das sich auf seine traditionellen Werte stützt, oder ein Amerika, das den Weg in eine moderne, pluralistische Zukunft geht. Diese Wahl am 5. November wird also nicht nur darüber entscheiden, wer das Land regiert, sondern auch, welche Version von Amerika in den kommenden Jahren die Oberhand gewinnt.

Es wurde auch deutlich, dass die Wahl nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Welt von enormer Bedeutung ist. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur eine wirtschaftliche und militärische Supermacht, sondern auch ein globales Vorbild für Demokratie und Freiheit. Die von vielen gesehene innere Zerrissenheit des Landes wirft jedoch die Frage auf, ob die USA weiterhin in der Lage sind, diese Rolle auszufüllen.

Foto: Stephan Bonaventura

Die Zukunft Amerikas: Eine ungewisse Prognose

Abschließend stellte Arthur Landwehr noch einmal klar, dass es absolut unmöglich sei, mit Sicherheit zu sagen, wie die USA nach den Wahlen 2024 aussehen werden. Doch die Polarisierung, die politischen Spannungen und die tiefe gesellschaftliche Spaltung lassen uns keinen einfachen Weg aus der Krise erwarten. Das Land befindet sich in einem Prozess der Selbstfindung, der allgegenwärtig von tiefen Widersprüchen geprägt ist.

Was es bedeutete, Amerikaner zu sein, sei heute eine viel komplexere Frage, als sie es jemals war, gibt Landwehr dem Publikum mit auf den Weg. Und die Antwort auf diese Frage werde die Zukunft des Landes bestimmen. “Es geht um die Frage, was bedeutet es, weiß zu sein, was bedeutet es, schwarz zu sein, was bedeutet es, hispanic zu sein? Hat es eine Bedeutung über die Tatsache hinaus, dass man eben diese Hautfarbe hat und diese Herkunft? Hat die Identität etwas damit zu tun, welche Rolle ich im Staat und in der Gesellschaft spiele oder nicht? Darum geht es. Und an der Stelle zerreißt das Land.”

Arthur Landwehr – Foto: Stephan Bonaventura

Ein inspirierender Abend beim Lesefest “HomBuch” in Homburg

Die Zuhörer im Siebenpfeifferhaus in Homburg erlebten mit Arthur Landwehr einen wirklich äußerst fachkundigen Autor und Journalisten, der nicht nur tiefgründige Einblicke in die amerikanische Politik und Gesellschaft bot, sondern auch viele Fragen zum Überlegen absichtlich offenließ. Extrazeit gab es am Ende der Veranstaltung, weil es wirklich viele Fragen aus dem Publikum gab, welche das hohe Interesse deutlich machten. Landwehrs Buch “Die zerrissenen Staaten von Amerika” eröffnet Perspektiven, die über die reine Berichterstattung hinausgehen, und regt zum Nachdenken darüber an, wie gesellschaftliche Spaltungen überwunden werden können. Die Macher der HomBuch setzen mit dieser Veranstaltung jedenfalls ein starkes Zeichen dafür, dass kultureller Austausch und das Verstehen globaler Zusammenhänge gerade in diesen turbulenten Zeiten von größter Bedeutung sind.

Auch Hauptsponsor Prof. Dr. Peter Theiss (2.v.r.) war an diesem Abend mit seiner Frau Laura Theiss (3.v.l.) und Freunden anwesend – Foto: Stephan Bonaventura

Noch mehr Bilder des Abends:

 

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