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Viele Menschen finden es moralisch unzulässig, Nieren, Kinder oder Doktortitel auf dem freien Markt zu verkaufen. Doch was macht eine Markttransaktion in den Augen der Öffentlichkeit moralisch verwerflich? Und was wird kollektiv am meisten abgelehnt? Diesen Fragen sind Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Robert Koch-Instituts nachgegangen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cognition veröffentlicht und bieten neue Ansatzpunkte für politische Interventionen.

Wären Sie bereit, eine Niere zu verkaufen oder sich für ein Date bezahlen zu lassen? Falls nicht, sind Sie damit nicht allein. Viele Menschen finden es beispielsweise moralisch verwerflich, mit menschlichen Organen, Kindern, Sex oder Doktortiteln zu handeln. Doch was steht psychologisch dahinter? Welche Eigenschaften einer Transaktion lehnen Menschen am meisten ab? Diesen Fragen ging ein Team von Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Robert Koch-Instituts nach. „Unser Ziel war es, die psychologischen Triebkräfte aufzudecken, die Menschen dazu bringen, solche Transaktionen als verwerflich zu empfinden“, sagt Christina Leuker, Erstautorin und Wissenschaftlerin am Robert Koch-Institut sowie assoziierte Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. „Wenn wir wissen, was eine Markttransaktion in den Augen der Öffentlichkeit moralisch verwerflich macht, können wir besser vorhersagen, wie die Menschen auf denkbare neuartige Transaktionen, wie beispielsweise im Bereich der menschlichen Gentechnik, reagieren.“

Um die Psychologie der moralischen Ablehnung zu beleuchten, führten die Forscher*innen zwei Online-Befragungen durch, in denen insgesamt 1.554 Befragte 51 Markttransaktionen hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit und weiterer 21 Merkmale bewerteten. Zu den weiteren Merkmalen zählten zum Beispiel das Ausmaß, in dem eine Transaktion die Befragten wütend machte, als abstoßend empfunden wurde oder schädlich für die Gesellschaft sein könnte, die Würde der Verkäufer*innen beeinträchtigen könnte und als Begünstigung von Ausbeutung wahrgenommen wurde. Die Ergebnisse beider Studien zeigen, dass die Befragten sehr ähnliche Dinge ablehnten. Die stärkste kollektive Ablehnung lösten der Verkauf von Jagdrechten für gefährdete Tiere, der Verkauf von Bräuten und der Verkauf von Wahlrechten aus. Darüber hinaus konnten die Forscher*innen fünf psychologische Aspekte identifizieren, die dem Gefühl der Ablehnung zugrunde zu liegen scheinen. Eine davon war die moralische Empörung. Je moralisch empörender eine Transaktion wahrgenommen wurde, desto mehr Ablehnung und Wut empfanden die Befragten und ordneten die Transaktion als gesellschaftsschädlich ein. Damit einhergehend sank die Empathie mit den an der Transaktion beteiligten Personen.

Neben der moralischen Empörung fanden die Forscher*innen vier weitere Aspekte, die stark mit Ablehnung verbunden zu sein scheinen: Das Bedürfnis nach Regulierung; inwieweit der Wert einer Transaktion in einen monetären Wert übersetzt werden kann; inwieweit eine Transaktion benachteiligte Personen ausbeuten kann; und inwieweit die Verkäufer*innen unbekannten Risiken ausgesetzt sind oder die Konsequenzen einer Transaktion vorhersehen können. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass sich am Grad der moralischen Empörung auch der gewünschte Bedarf an Regulierung vorhersagen lässt: So wurden viele Transaktionen, die große moralische Empörung auslösten, mit einem starken Bedürfnis nach Regulierung verbunden.

Die Forscher*innen betonen, dass ihr Ansatz neue Ansatzpunkte für politische Interventionen bieten kann. „Transaktionen, die ein ähnliches Maß an öffentlicher Ablehnung hervorrufen, können dies aus sehr unterschiedlichen Gründen tun, und das hat Auswirkungen auf politische Interventionen“, sagt Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. „Wenn zum Beispiel der Hauptgrund für die Ablehnung einer Transaktion die potenzielle Ausbeutung von benachteiligten Personen ist, kann eine wirksame politische Reaktion darauf ausgerichtet sein, gefährdete Personen zu schützen. Im Falle einer Transaktion, bei der unbekannte Risiken die Hauptursache für Ablehnung sind, könnte sich die Politik darauf konzentrieren, potenzielle Risiken zu reduzieren und klar zu kommunizieren.“

Die Forscher*innen identifizierten auch Unstimmigkeiten zwischen der Ablehnung einer Transaktion und der aktuellen Rechtslage. „So empfanden zum Beispiel die Befragten in Großbritannien den Handel mit Kohlendioxidemissionen und den Verkauf von Genehmigungen zur Jagd seltener Tiere als höchst verwerflich, obwohl beides in ihrem Land legal ist“, sagt Christina Leuker. „Solche Unstimmigkeiten könnten ein Grund für politische Entscheidungsträger sein, diese Transaktionen neu zu bedenken.“

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

Originalpublikation: Leuker, C., Samartzidis, L., & Hertwig, R. (2021). What makes a market transaction morally repugnant? Cognition, 212, Article 104644. https://doi.org/10.1016/j.cognition.2021.104644

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