Schutzmasken vom Typ FFP2 haben keine oder nur geringe Auswirkungen auf körperliche Messwerte wie Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung des Blutes oder die Herzfrequenzvariabilität. Dies gilt auch unter körperlicher Belastung. Doch wie sieht es mit der geistigen Leistungsfähigkeit aus? Diese Frage hat ein Team der Technischen Universität (TU) Berlin nun in einem kontrollierten Experiment mit 44 zufällig ausgewählten Teilnehmenden untersucht. Das Ergebnis: Die Probanden konnten eine Stresssituation mit Kopfrechenaufgaben mit und ohne Maske gleich gut meistern. Auch die gemessenen Vitalparameter blieben unverändert. Zudem gaben die Teilnehmenden an, dass sich ihre mentale Belastung durch das Tragen der Maske nicht verändert habe. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Fachzeitschrift Nature Scientific Reports erschienen.
FFP2-Masken schützen effektiv vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2. Dieser neue Einsatzzweck der eigentlich für den beruflichen Gesundheitsschutz konzipierten Masken hat eine Vielzahl von Studien angeregt, die sich mit den möglichen Auswirkungen der Masken auf den menschlichen Körper beschäftigen [1]. „Wenn man sich die großen Übersichtsarbeiten anschaut, die eine Vielzahl von Studien ausgewertet haben, ergibt sich ein eindeutiges Bild. Nämlich dass das Tragen von Masken auch unter körperlicher Belastung die Vitalparameter praktisch unverändert lässt“, sagt Robert Spang vom Quality and Usability Lab der TU Berlin und Erstautor der Studie. „Gerade in Innenräumen wie Büros oder Schulen, wo das Übertragungsrisiko durch Aerosole besonders hoch ist, wird aber meist geistig gearbeitet und nicht körperlich.“
Stress mit Mathe
Um diese Lücke im Wissen um die Arbeitsbedingungen unter FFP2-Masken zu schließen, griffen Robert Spang und seine Koautorin Kerstin Pieper auf ihre Erfahrungen im Quality and Usability Lab zurück, wo seit fast 15 Jahren das Zusammenspiel von Mensch und Maschine erforscht wird. „Wir wissen zum Beispiel sehr gut, wie man Menschen unter Stress setzt“, erzählt Kerstin Pieper. Damit eine hohe geistige Belastung erzeugt wird, mussten die Probanden nicht nur im Kopf etliche Plus-, Minus-, Mal- und Geteilt-Aufgaben mit ganzen Zahlen bis 200 auf einem Smartphone lösen. „Wir hatten zusätzlich im Hintergrund ein Programm laufen, das aus den bisher gelösten Aufgaben abgeschätzt hat, wieviel Zeit wohl diese Testperson für die nächste Aufgabe braucht.“ Genau diese Zeit wurde dann als Limit mit einem Laufbalken angezeigt. „Jede Teilnehmer*in wurde also möglichst nahe an ihre oder seine persönliche Leistungsgrenze gebracht.“
Auch das Studiendesign wurde sehr überlegt gewählt, um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen: „Wir haben ein statistisches Verfahren angewandt, das direkt unsere These überprüfen konnte, dass die geistige Leistungsfähigkeit unverändert bleibt“, sagt Kerstin Pieper. „Das ist etwas anderes, als nur zu zeigen, dass eine Veränderung statistisch nicht nachweisbar ist.“ Die Forschenden hatten sich dafür schon vor dem Experiment die notwendigen Kriterien für eine „statistische Signifikanz“ ausgerechnet und diese auf einer unabhängigen Forschungsplattform im Internet veröffentlicht. „Mit diesem in der Wissenschaft noch nicht etablierten Verfahren wird gewährleistet, dass sich die Forschenden nicht im Nachhinein ihre Ergebnisse schön rechnen können“, betont Pieper. Auch die notwendige Zahl an Probanden, um verlässliche Aussagen treffen zu können, hatten die Wissenschaftler vor dem Experiment mit Hilfe statistischer Verfahren bestimmt.
Keine Unterschiede ohne und mit Maske
Ausgewählt wurden dann 44 männliche und weibliche Probanden, und zwar zufällig aus einer großen Testpersonen-Datenbank an der TU Berlin mit 3.500 Freiwilligen. Der Vergleich ihrer Kopfrechen-Ergebnisse einmal ohne und einmal mit Maske zeigte, dass diese keinen Einfluss auf die Rechenkünste der Probanden hatte. Auch die gleichzeitig gemessenen Vitalparameter blieben unverändert: die Sauerstoffsättigung des Blutes, die Herzfrequenz und die Herzfrequenzvariabilität, also das Maß, wie sich die Zeit zwischen zwei Herzschlägen im Mittel verändert. Ist diese Variabilität niedrig, deutet dies auf langanhaltenden Stress hin. In einem von der NASA entwickelten Fragebogen wurde zudem die subjektive mentale Belastung der Teilnehmenden abgefragt. Auch hier zeigte sich kein Unterschied zwischen den Rechenaufgaben ohne und mit Maske.
Subjektive Empfindungen können sich verändern
„Aus anderen Experimenten zur Interaktion zwischen Menschen und Maschinen wissen wir, dass sich schon ein fünfminütiges Zeitfenster gut eignet, um körperliche Reaktionen auf äußere Reize zu beobachten“, erklärt Robert Spang. Um sicher zu gehen, wurden die Probanden sogar jeweils eine Viertelstunde lang einmal ohne und einmal mit Maske mit den Matheaufgaben getriezt und nur die Ergebnisse der letzten fünf Minuten dieser Stressphasen ausgewertet. Verwechseln dürfe man die Resultate der Studie allerdings nicht mit seinen subjektiven Empfindungen, dass sich körperlich etwas verändert, wenn man eine Maske trägt, sagt Spang. „Studien anderer Wissenschaftler zeigen durchaus, dass der Atemrhythmus wechselt, wenn man einen zusätzlichen Luftraum vor Mund und Nase hat“, erzählt er. „Durch den Stau warmer Luft kann zudem das Gefühl entstehen, man hätte eine erhöhte Temperatur.“ All diese Empfindungen würden sich aber eben nicht in den tatsächlichen Werten für die Lungenfunktion oder die Körpertemperatur auswirken.
Link zur Studie von Robert Spang und Kerstin Pieper zu den Effekten unter geistiger Belastung: https://www.nature.com/articles/s41598-021-99100-7
Quellenangaben: [1] Eine große Übersichtsstudie zu den Effekten auf Vitalparameter, auch unter körperlicher Belastung: https://www.atsjournals.org/doi/10.1513/AnnalsATS.202008-990CME