Die Kulturlandschaft ist stinksauer. Mit den Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist die gesamte Branche seit März auf Eis gelegt. Soforthilfen gab es in kleinem Maße früh, danach folgte ein politisches Schweigen und dieses Schweigen hält bis heute an. Eine Branche mit Dutzenden Subbranchen wurde die „Rote Karte“ gezeigt, mit einer Spezialaktion wollte man jetzt auf die eigene Notsituation wieder aufmerksam machen.
Alarmstufe Rot in ganz Deutschland!
Es war nicht der erste aber bestimmt der farbenreichste und spektakuläreste Hilferuf der Eventbranche in Zeiten von „Corona“. Der anhaltende Kulturlockdown hat bis heute schon manche Existenz gekostet und ein Ende der Situation ist noch lange nicht in Sicht. Selbst sehen sie sich als die „vergessene Branche“ und genau darauf wollte man nun öffentlichkeitswirksam hinweisen. Die Macher sagen: „Die nächsten 100 Tage übersteht die Veranstaltungswirtschaft nicht!“. Der flammender Appell und Hilferuf an die Politik wurde deutschlandweit von über 5000 Firmen mitgetragen. Ihre visuelle Message: Über 5000 Gebäude und Locations, die dem Veranstaltungssektor zuzuordnen sind, wurden im ganzen Land durch die leidenenden Firmen knallrot beleuchtet. Auch im Saarland schlossen sich natürlich viele der Aktion an.
Mit dabei war auch Timo Bettinger. Er ist mit seiner Firma „Eventtechnik RheinhessenSaar“ normal ein sehr vielbeschäftiger Unternehmer. Zu deren täglichen Aufgaben gehören nicht nur Dinge wie Hochzeitsorganisation, Bühnenbau, Zeltverleih, Messestände sondern auch Licht- & Ton sowie auch Zusatzleistungen wie Logistik- & Cateringservice, Security, Pyrotechnik und mehr. Ein breites Sortiment, das auf viele verschiedene Akteure angewiesen ist. Auch ihn hat die Krise wie ein Steinschlag getroffen. „Nach Fasching war für uns von heute auf morgen Stop gewesen. Unsere Auftragsbücher für diese Sommersaison waren voll. Darunter waren Stadt- und Dorffeste, private Veranstaltungen oder auch Hochzeiten. Alles wurde storniert“, erzählt Bettinger.
So wie ihm geht es den meisten Unternehmern der Branche. Kurzzeitige Hilfen, neue Ideen wie Online-Events oder Autokonzerte tragen zwar einen kleinen Anteil zum gefüllteren Geldbeutel bei, für die ganze Branche ist das aber keine Alternative, vor allem nicht dauerhaft. Doch wie sehen die Alternativen aus? Gerade der Wunsch mit den Politikern ins Gespräch zu kommen ist eine der zentralen Forderungen der Initiatoren der „Night of light“. Ein Branchendialog muss her um gemeinsam einen lösungsorientierten Weg aus der dramatischen Lage zu finden und um auch über andere Möglichkeiten der Hilfsprogramme zu sprechen.
Am Abend der „Night of light“ finden wir Timo Bettinger mit seinem Team am Jägersburger Brückweiher. Als gegen 22:00 Uhr das Tageslicht langsam verschwindet, wird an dem am Ufer gelegenen Restaurant „Il Lago“ die Fassade in rotes Licht getaucht. Eine ganze Nacht brennen die Lichter gemeinsam mit tausenden anderen deutschlandweit. Die Entscheidung das „Il Lago“ für die Aktion zu wählen, fiel für Unternehmer Timo Bettinger sehr schnell. Seit langer Zeit arbeitet er mit dem Restaurant auf Eventebene zusammen, auch dort hat man längst die Auswüchse der aktuellen Restriktionen gemerkt. Katja Weiß vom „Il Lago“ bringt es mit einem Blick Richtung Zukunft auf den Punkt: „Die schwere Zeit wird im Winter kommen weil wir die ganze Zeit März, April, Mai nicht mitnehmen konnten. Gesellschaften, Hochzeiten oder andere Feierlichkeiten fehlen im Winter. Das hier ist Saisongeschäft. Wir müssen den ganzen Sommer durcharbeiten damit im Winter noch Geld zum Überleben da ist und um das Ganze stemmen zu können. Das Schlimme ist, man bekommt überhaupt nichts in Aussicht gestellt. Keine Unterstützung.“
In der Veranstaltungswirtschaft sind bundesweit nahezu 150 verschiedene Berufsgruppen vertreten. Die Kultur- und Kreativwirtschaft mit eingerechnet geht es um über 2,5 Millionen Beschäftigte, die jetzt zu einer großen Anzahl am Existenzminimum stehen. Längst hätte man von den entscheidenden Stellen mehr Rückhalt und Lösungen erwartet denn immer wieder betonen die betroffenen Branchen: „Ohne uns wird es leise!“
Mit Standorten in Homburg und Mainz deckt Bettinger eine großes Gebiet an Events ab. Finanziell hat er es noch relativ gut getroffen, dafür ergeben sich im Zuge des Lockdowns jetzt andere Probleme, die vorher nie ein Thema waren: „Als Firma sind wir so aufgestellt, dass wir den Stillstand über mehrere Monate überstehen können. Corona hat uns allerdings andere prekäre Lagen spendiert. Probleme entstehen dadurch, dass Festinstallationen zurückgebaut werden müssen und wir mit einer maximalen Auslastung von 80% Lagerkapazität gerechnet haben, da Material immer unterwegs war. Jetzt, durch die Rückbauten, haben wir eine Lagerkapazität von über 120% erreicht. Ohne Einnahmen sind wir daher gezwungen trotzdem eine neue Lagerstätte zu errichten, die in kürzester Zeit entstehen muss um das vorhandene Material sicher einzulagern. Das ist schon ein bitterer Beigeschmack.“ Kein Verdienst und trotzdem müssen Unternehmer weiter investieren.
Eine oft gestellte Frage der Branche ist: Wie können wir vorausplanen wenn wir nicht wissen mit welchen Regularien wir zu rechnen haben, die die Politik festsetzt? Heutzutage haben größere (Business-)Veranstaltungen einen Planungsvorlauf von 3-12 Monaten im Normalfall, je nach Größe und Art der Veranstaltung. Seit diese Woche hat die saarländische Landesregierung die Anzahl der maximal teilnahmeberechtigten Personen bei Außenveranstaltungen auf 350 erhöht. Des Weiteren hat man bis zum August einen neuen Fahrplan bzgl. der maximalen Teilnehmerzahl aufgestellt. Für die ganze Branche dürfte auch dies allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Denn jeder fixe Plan könnte bei einem Hochschnellen des Reproduktionsfaktors schnell wieder Geschichte sein.