Was zunächst wie ein harmloses Volksfest erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein raffiniert orchestriertes Propagandainstrument der Nationalsozialisten. Unter dem Leitsatz „Wein ist Volksgetränk“ inszenierte das NS-Regime in den 1930er-Jahren eine landesweite Kampagne, die das Trinken deutschen Weins zur patriotischen Pflicht erklärte. Auch Homburg spielte bei dieser bislang kaum beachteten Episode der NS-Zeit eine aktive Rolle – darüber berichtet am Donnerstag, 27. März, der Historiker Dr. Christof Krieger im Siebenpfeiffer-Haus.
Dr. Krieger, Leiter des Mittelmosel-Museums in Traben-Trarbach, hat das Thema in seiner Dissertation an der Universität Trier erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet. In seinem Vortrag beleuchtet er anhand bislang unveröffentlichter Quellen, wie sehr sich Politik, Wirtschaft und private Lebenswelten in dieser Zeit durchdrangen – und wie tief auch die saarländische Gesellschaft in die Strukturen der nationalsozialistischen Weinpropaganda eingebunden war.
Ab 1935 wurden im gesamten Deutschen Reich sogenannte Weinpatenschaften eingeführt: Etwa 1.000 Städte, Gemeinden und Landkreise erhielten per Parteibeschluss ein „Patenkind“ – einen Weinort, den sie fortan ideell und vor allem durch den Kauf großer Weinmengen unterstützen sollten. In Homburg fiel diese Aufgabe dem pfälzischen Winzerdorf Ruppertsberg zu. Im nahegelegenen Bexbach wurde derweil kräftig für Edenkoben und Rodt unter Riedburg getrunken. Der dahinterstehende Zweck: den Absatz heimischer Winzer anzukurbeln – aber eben eingebettet in eine politische Botschaft.
Begleitet wurde diese Initiative von einer Welle volkstümlicher Weinfeste und Umzüge. Sie wurden von der NSDAP organisiert, vom Rundfunk begleitet und in der Presse gefeiert – das „Fest der deutschen Traube und des Weines“ entwickelte sich zur landesweiten Massenveranstaltung. Die Bevölkerung griff die staatlich verordnete Fröhlichkeit mit sarkastischem Unterton auf: „Saufen für den Führer“ wurde zum geflügelten Wort.
Politisches Trinken – mit System
Was wie Folklore wirken mag, hatte einen ernsten Hintergrund. Der nationalsozialistische Staat wusste um die emotionale Bindung, die sich durch Genuss und Geselligkeit erzeugen lässt. In der Verbindung von regionalem Stolz, Konsum und Parteitreue entstand ein Propaganda-Mix, der nicht nur wirtschaftlich funktionierte, sondern auch zur ideologischen Gleichschaltung beitrug. Dr. Krieger zeigt auf, wie professionell dieser Teil der NS-Kommunikation aufgebaut war – und wie willig viele Kommunen, darunter auch Homburg, daran mitwirkten.
Dass ausgerechnet Wein – ein Produkt mit kultureller Verwurzelung – zur politischen Waffe wurde, macht das Thema besonders brisant. Die Aufmerksamkeit, die die Winzerschaft in dieser Zeit erhielt, war laut Krieger „in ihrer Dimension einzigartig“. Keine andere Berufsgruppe wurde derart öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt.
Einladung zum Vortrag
Der Vortrag findet am 27. März um 18 Uhr im Siebenpfeiffer-Haus in Homburg statt. Veranstalter ist der Historische Verein Homburg und Umgebung e.V., in Kooperation mit dem Stadtarchiv und der Volkshochschule Homburg. Der Eintritt ist frei. Wer Interesse an der Arbeit des Vereins hat, kann sich per E-Mail unter HistorischerVereinHomburg@gmail.com melden.