Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben den Monitoringbericht 2023 über die Entwicklungen auf den deutschen Strom- und Gasmärkten veröffentlicht. Die enthaltenen Datenanalysen beziehen sich primär auf das Jahr 2022, berücksichtigen jedoch auch relevante Entwicklungen aus 2023.
„Um Versorgungsengpässen vorzubeugen, hat der Gesetzgeber mit einer befristeten Rückkehr der Kohlekraftwerke und einer Laufzeitverlängerung für die restlichen Kernkraftwerke in 2022 reagiert. Diese Maßnahmen haben sich als wirksam erwiesen, dennoch dürfen wir die Klimaziele nicht aus den Augen verlieren.“ sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Ein besonderes Augenmerk richten wir stets auf die konventionelle Stromerzeugung. Auch wenn die Marktkonzentration hier nach einem Anstieg im Vorjahr im Jahr 2022 wieder zurückgegangen ist, bleibt es dabei, dass RWE und einige weitere Erzeuger für die Deckung der Stromnachfrage zunehmend unverzichtbar sind. Hier müssen wir den Markt weiterhin aufmerksam beobachten, zumal die Bedeutung von Stromimporten für die Begrenzung der Marktmacht inländischer Stromerzeuger größer, zum Teil unerlässlich, geworden ist.“
Die Verknappung von Erdgas durch die Beendigung der Gasimporte aus Russland und die daraus resultierenden gestiegenen Gaspreise an den Großhandelsmärkten führten zu einem Rückgang der Stromerzeugung aus Erdgas um gut 14 Prozent. Durch die befristete Rückkehr der Kohlekraftwerke zur Vorbeugung von Versorgungsengpässen wurde mehr Strom aus Braun- und Steinkohle erzeugt. Die Stromerzeugung durch Braunkohlekraftwerke stieg um gut fünf Prozent, während jene durch Steinkohlekraftwerke rund 14 Prozent über dem Vorjahreswert lagen. Insgesamt nahm die deutschlandweite Nettostromerzeugung in 2022 aufgrund des gesunkenen Stromverbrauchs leicht ab.
„Wir brauchen weiterhin die geplanten LNG-Terminals, um unsere Gasquellen weiter zu diversifizieren. Deshalb hat die Bundesnetzagentur den Ausbau in den letzten Monaten mit allen Kräften unterstützt.“ sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Die ab Anfang September 2022 ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland konnten durch zusätzliche Importe kompensiert werden. Die wichtigsten Bezugsquellen für nach Deutschland importiertes Gas waren im Jahr 2022 Norwegen, die Niederlande und Belgien mit einem Volumen von insgesamt 983 TWh. Das entspricht rund 68 Prozent aller deutschen Gasimporte. Zusätzlich nahm im Dezember 2022 das erste deutsche schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven seinen Betrieb auf. Im Januar bzw. März 2023 wurde dieses durch zwei weitere schwimmende LNG-Terminals in Lubmin und Brunsbüttel ergänzt.
Entwicklung bei Erneuerbaren Energieträgern
Die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien nahm 2022 aufgrund des starken Zubaus von Wind- und Photovoltaikanlagen und einer starken Sonneneinstrahlung im Jahr 2022 um rund acht Prozent zu. Der Anteil von Strom aus Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch stieg auf 45 Prozent an, nachdem er 2021 noch 40 Prozent betragen hatte. Die gesetzlichen Ausbaupfade wurden für Wind an Land, Photovoltaik sowie Biomasse im Jahr 2022 erreicht. Um die erhöhten Ausbauziele für 2030 zu erreichen, ist allerdings ein noch höherer Zubau unausweichlich. Der fortschreitende Ausbau der erneuerbaren Erzeugung bei gleichzeitigen Verzögerungen im Netzausbau führte zu Netzengpässen, zu deren Behebung Redispatchmaßnahmen erforderlich sind. Dennoch konnten rund 97 Prozent des erneuerbaren Stroms auch tatsächlich zu den Verbrauchern transportiert werden.
Strom- und Gasgroßhandel
Das Jahr 2022 war geprägt von großen Ausschlägen auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas, die Groß- und damit auch die Einzelhandelspreise für Strom und Gas erreichten neue Höchststände. Wenngleich gegen Ende des Jahres 2022 und im ersten Quartal des Jahres 2023 ein Rückgang und eine Stabilisierung der Großhandelspreise zu beobachten war, ist das Preisniveau weiterhin höher als vor dem russischen Angriffskrieg und dem Beginn der Energiekrise.
Endkundenmärkte für Strom und Gas
Die kumulierten Marktanteile der vier absatzstärksten Strom- und Gaslieferanten auf den Endkundenmärkten bei der Belieferung von leistungsgemessenen und Standardlastprofilkunden lagen weiterhin unter den gesetzlichen Vermutungsschwellen für eine marktbeherrschende Stellung. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wettbewerb lebt davon, dass möglichst viele Kunden bei entsprechenden Preisvorteilen den Anbieter auch tatsächlich wechseln. Im vergangenen Jahr mussten wir gerade bei Haushaltskunden ein Nachlassen der Wechselaktivitäten beobachten. Inzwischen gibt es aber wieder Angebote, die sogar unter den Schwellenwerten der Strom- und Gaspreisbremsen liegen. Verbraucher können daher nicht nur Geld sparen, sondern auch zu einer Wettbewerbsbelebung beitragen, wenn sie ihre Wechselmöglichkeiten aktiv nutzen.“
Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine lassen sich bei den Groß- und Einzelhandelspreisen auch Anfang des Jahres 2023 weiterhin beobachten. Zum Stichtag 1. April 2023 waren die Strom- und Gaspreise für Haushaltskunden im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich gestiegen. Der Anstieg der Einzelhandelspreise für Strom und Gas war insbesondere auf die deutlich gestiegenen Kosten der Energiebeschaffung zurückzuführen. Im Wechselverhalten der Verbraucher haben die Entwicklungen des Jahres 2022 deutliche Spuren hinterlassen. Im Jahr 2022 ist die Zahl der Strom-Lieferantenwechsel bei Haushaltskunden um rund 16 Prozent auf gut 4 Millionen Wechsel deutlich gesunken. Die Anzahl der Gas-Lieferantenwechsel bei Haushaltskunden sank im Jahr 2022 um rund ein Drittel von 1,64 Mio. auf 1,15 Mio. Wechsel.
Erfreulicherweise spiegeln sich die gestiegenen Strom- und Gaspreise nicht in den Sperrzahlen für das Jahr 2022 wider. Die Stromsperrungen sind im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um gut 11 Prozent gesunken und lagen bei rund 209.000. Im Gasbereich verringerte sich die Anzahl der Gassperrungen um rund 15 Prozent. Im Jahr 2022 wurden insgesamt rund 23.000 Sperrungen gemeldet. Der aktuelle Bericht sowie weitere Informationen sind unter www.bundesnetzagentur.de/monitoringberichte veröffentlicht.