Anna Lisa Azur (2.v.r.) gewann den 1. Bexbacher Poetry Slam im Kulturbahnhof. Sie behauptete sich gegen Mark Heydrich und Kim Catrin. Rechts Moderatin Andrea Maria Fahrenkampf. - Foto: Rosemarie Kappler
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Mittelalterlichen Sängern war die Wartburg heilig; neuzeitliche Dichter könnten möglicherweise den Bexbacher Kulturbahnhof zum „Heiligtum“ erheben. Damals wie heute geht es um die Gunst des Publikums und darum, wie individueller künstlerischer Ausdruck zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine Gruppe von Menschen wirkt, die ihr Angesprochensein mit unterschiedlich starkem Applaus kundtun. Die Qualität des Beifallsturmes entscheidet dann darüber, welcher Künstler als Sieger eines Wettstreites hervorgeht, also nicht zwangsläufig die tatsächliche Qualität eines Werkes. Insofern sind an diesem Punkt die Unterschiede zwischen dem einstigen Sängerwettstreit auf der Wartburg und dem 1. Bexbacher Poetry Slam im Kulturbahnhof vernachlässigbar gering. Letzterer wurde am Freitag zu einem tollen Erfolg für die Mitwirkenden und die Veranstalter.

Poetry Slams haben sich nach ihren grandiosen Erfolgen in den USA auch hierzulande festes Terrain erobert. Nicht nur in den Metropolen, sondern zunehmend auch in der Provinz. Dass im Bexbacher Kulturbahnhof dann auch noch mit Anna Lisa Azur ein „Landei“ aus Wermelskirchen (aktuell Berlin) den Preis abstaubte, unterstrich lebhaft, dass es hier um Kunstvielfalt mit Breitenwirkung bis in die letzten Winkel der Republik geht. Die Idee, im Bexbacher Kulturbahnhof einen Dichterwettstreit stattfinden zu lassen, kam der zuständigen Bereichsleiterin in der Stadtverwaltung, Maximiliane Simon. Als sie darüber nachdachte, welche neuen Veranstaltungsfomate man in Bexbach etablieren könnte, um gleichzeitig auch ein neues Publikum zu gewinnen, stolperte sie über den Begriff Poetry Slam und begann zu recherchieren. Verblüfft stellte sie fest, dass es auch im Saarland eine wachsende Szene von textenden Menschen gibt, die ihre Geschichten, Gedichte und Sprüche im Rahmen von Wettbewerben und Lesungen präsentieren und bewerten lassen.

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Keimzelle ist die Initiative „Dichterdschungel“ in Saarbrücken, die regelmäßig solche Veranstaltungen organisiert. Bei einer solchen war vor Jahren Andrea Maria Fahrenkampf zur Landessiegerin eines Poetry Slams gekürt worden. Als Slammerin und Moderatorin hat sie sich seither bundesweit einen Namen gemacht, tritt bisweilen vor mehreren Tausend Zuschauern auf. Gut vernetzt wie sie inzwischen ist, organisiert und moderiert sie inzwischen selbst Poetry Slams. Eine Aufgabe, die sie nun auch im Auftrag der Stadt Bexbach übernommen hatte.

Die Rechnung ging auf. Es war – im Vergleich zu vorherigen Veranstaltungen – ein überwiegend neues Publikum, das den Weg in den Kulturbahnhof gefunden hatte und das am Ende gewaltig begeistert war von den gehörten Texten und deren Autorinnen und Autoren. Die Mischung war bunt, emotional und kurzweilig, sie machte nachdenklich und regte zum Lachen an. Fahrenkampf hatte Slam-erfahrene Texter aber auch Newcomer eingeladen. So war etwa Mark Heydrich mit von der Partie, ein Urgestein der saarländischen Poetry Slam-Szene, der es bis in die Schlussrunde schaffte und mit seiner Ode an das Moos unvergessen bleiben wird. Lacher, die nicht voll gelacht werden konnten, weil der Verstand nicht einzuordnen wusste, ob das Humor oder Ernst war, ob es sich um Kitsch oder Überzeugung handelte. Mancher Besucher saß schweigend mit großen Augen da, andere warfen sich weg und hatten Probleme, dass sie nicht vor Lachen platzten. Suggestiv und hypnotisch, fast drohend am Ende des Beitrages die Worte: „Moos findet Dich!“. Themen waren Liebe, Beziehung, Heimat und die persönlichen Lebenswelten.

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Angemeldet hatten sich neben den bereits Genannten Kim Catrin, Mikado, Hedda, Tala, Rafael, und Andrej Winterholler. Ganz spontan hatte sich Marina am Abend gemeldet und durfte als neunte Vortragende auftreten. Sie überraschte mit einem Blick in die Lebenssituation eines Arbeiters in Katar, der die WM mitvorbereitete. Aktueller und gesellschaftskritischer ging nicht. Jeder Vortragende hatte maximal sechseinhalb Minuten Redezeit. Hier konnte man soviele Texte reinpacken wie man wollte. Im Publikum waren zuvor Juroren gefunden worden, die die Beiträge bewerten mussten. In der Schlussrunde galt dann allerdings die Lautsärke des Beifalles als Wertungsmaß. Und da nahm Anna Lisa Azur dann nach einem zunächst nur schwer zu analysierenden ersten Durchgang am Ende die Trophäe – eine Mikrofon-Skulptur – als strahlende Siegerin entgegen. Fortsetzung folgt im kommenden Jahr.

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