Wahrnehmung und Wirkung der dritten TV-Debatte 2021 zwischen den Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) haben die Universität Koblenz-Landau, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die Technische Universität Kaiserslautern im Rahmen eines Live-Experiments untersucht.

Die Hauptergebnisse des Live-Experiments mit 114 Teilnehmern lauten: Annalena Baerbock hat auch das letzte Triell für sich entschieden. Armin Laschet agierte so zurückhaltend wie noch in keiner der TV-Debatten. Olaf Scholz gelang es erneut, für seine Politik zu werben und sich Kontroversen zu entziehen. Die Debatte hatte erneut einen erheb-lichen Einfluss auf die Kanzlerpräferenz. Annalena Baerbock ist die Gewinnerin der TV-Debatte. 36 Prozent der Studienteilnehmer haben sie als Debattensiegerin gesehen. Armin Laschet wurde von 13 Prozent, Olaf Scholz von 20 Prozent der Teilnehmer als Sieger benannt. 32 Prozent der Befragten konnte keinen Sieger erkennen.

Da die Bewertung der Debattenleistung der Kandidaten in erheblichem Maße von den parteipolitischen Grundüberzeugungen der Zuschauer beeinflusst wird, „lohnt sich deshalb ein Blick auf Personen, die keiner Partei nahestehen“, unterstreicht Jürgen Maier, Politikprofessor am Campus Landau der Universität Koblenz-Landau. Auch diese sehen Baerbock mit 39 Prozent deutlich vor Scholz (18 Prozent) und Laschet (14 Prozent).
Die in den Fragebögen erfassten Eindrücke korrespondieren mit den in Echtzeit über die App abgegeben Bewertungen der Kandidaten. Wie schon in den ersten beiden Debatten zeigen sich hier viele Passagen, in denen Laschet an Zustimmung verloren hat. Baerbock und Scholz konnten die Zuschauer häufiger von ihren Argumenten überzeugen als Laschet, wobei Baerbock alle Themenblöcke mit Ausnahme des Eingangsstatements, bei dem Scholz am besten abschnitt, für sich entscheiden konnte.

Laschet hat insbesondere im Vergleich zur zweiten Debatte seine Strategie geändert und versuchte nun, moderater aufzutreten. 58 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass er seine Gegner häufig angegriffen hat. In der ersten Debatte waren dies 69 Prozent der Studienteilnehmer, in der zweiten Debatte 91 Prozent. Allerdings geriet er auch häufig in die Defensive: 63 Prozent stimmten der Aussage zu, dass er sich häufig verteidigen musste. „Dies ist eine mögliche Erklärung für sein schlechtes Abschneiden“, so Maier. Baerbock agierte wie gewohnt angriffslustig. Wie schon in der ersten Debatte gelang es Scholz, eine Amtsinhaberstrategie zu verfolgen: viel Werbung für die eigene Politik, wenige Angriffe auf den Gegner, nicht zu häufig im Verteidigungsmodus.

Wirkung der TV-Debatte

Das Triell hat einen starken unmittelbaren Einfluss auf politische Einstellungen, so ein weiteres Ergebnis des Live-Experiments. 19 Prozent der Teilnehmer haben aufgrund der Debatte ihre Kanzlerpräferenz verändert. In der ersten Debatte waren dies 21 Prozent, in der zweiten Debatte 18 Prozent. Vor allem der Anteil der Unentschiedenen ist im Zuge der Debatte von 25 Prozent auf 17 Prozent gesunken.

So bewerteten die Befragten die Kandidaten während des Triells
Quelle: Prof. Dr. Jürgen Maier / Universität Koblenz-Landau

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung vor allem aus drei Gründen von Befragungsdaten abweichen können, die bisher zum dritten TV-Triell veröffentlicht wurden: Erstens handelt es sich bei der Untersuchung um ein experimentelles Design. Wesentlicher Bestandteil der Untersuchungsanlage ist, dass die hier berichteten Befragungsdaten direkt vor und nach der Debatte erhoben wurden. Durch den Vergleich der vor und nach der Debatte erhobenen Befragungsdaten lassen sich direkte, von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation weitgehend unbeeinflusste Debattenwirkungen nachweisen. Zweitens die gesammelten Daten sind nicht repräsentativ. Drittens ist die Teilnehmerzahl geringer als bei anderen Befragungen.

Die Stichprobe ist eine Gelegenheitsstichprobe, die durch Werbung auf E-Mail-Verteilern und in den sozialen Medien für die Teilnahme an der Studie rekrutiert wurde. 58 Prozent der Teilnehmer sind männlich. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer beträgt 34 Jahre – Minimum 18 Jahre, Maximum 69 Jahre. 88 Prozent der Teilnehmer verfügen über (Fach-)Abitur. 14 Prozent haben eine Parteiidentifikation mit der CDU/CSU, 14 Prozent mit der SPD, sechs Prozent mit der FDP, fünf Prozent mit den Linken, 35 Prozent mit Bündnis 90/Die Grünen und zwei Prozent mit einer anderen Partei. 24 Prozent haben keine Parteibindung.

Wie sich die Kandidaten während der Debatte schlugen, wurde ebenfalls abgefragt
Quelle: Prof. Dr. Jürgen Maier / Universität Koblenz-Landau

Für das Experiment haben die Partner eigens eine App entwickelt. Diese basiert auf Softwaretechnologien der coneno GmbH, einem DFKI Spin-Off, das Systeme zur Durchführung von dynamischen, partizipativen Studien entwickelt. Das Entwicklerteam von coneno hat in enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern das System speziell für diese Studie um Komponenten zur Echtzeitdatenanalyse erweitert. Dadurch ist es möglich, dass Teilnehmer die Kandidaten während der Debatte von zu Hause mit ihrem Smartphone permanent und in Echtzeit bewerten. Mithilfe von Fragebögen konnten sie ihre zusammenfassenden Meinungen vor und nach dem Duell abgeben. Die App wurde schon bei den ersten beiden TV-Debatten verwendet.

Weitere Informationen zur Studie sind unter fernsehdebatte.uni-landau.de nachzulesen.

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