Am Wochenende sind in den saarländischen Impfzentren über die Hälfte aller Termine, die für medizinisches Personal geblockt wurde, ausgefallen. Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) hatte im saarländischen Landtag vorschnell die Schuldigen ausgemacht und schon den schwarzen Peter in Richtung der Impflinge. Dem widersprach die Kassenärztliche Vereinigung im Saarland, die vor allem Termin- und Kommunikationsfehler verantwortlich machte.
Nun schlägt der Gesundheitsministerin parteiübergreifende Kritik entgegen, auch der Koalitionspartner SPD hält sich nicht zurück. Die LINKE hat gar eine Sondersitzung des Gesundheitsausschuss zu dem Vorfall beantragt. Saar-SPD-Generalsekretärs Christian Petry dazu: „Monika Bachmann hat mit dem Kommunikationswirrwarr rund um die ausgefallenen Astra-Zenecca-Impfungen großen Schaden angerichtet. Sie schürt damit selbst die Akzeptanzprobleme für den Impfstoff, die sie fälschlicherweise als Grund für ausgefallene Termine benannt hat. Organisationsfehler sind entschuldbar – wer aber andere verurteilt, obwohl der Fehler offenbar bei einem selbst liegt, muss dies zumindest öffentlich klarstellen.“ Kira Braun, Landesvorsitzende der Jusos: “Ministerin Monika Bachmann muss sich umgehend bei den saarländischen Ärztinnen und Ärzten für ihre Aussagen entschuldigen. Mit ihren Aussagen im saarländischen Plenum hat sie dazu beigetragen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Impfstoff Astrazeneca sinkt. Eine fatale Auswirkung! Tatsächlich scheinen vorwiegend organisatorische Probleme dazu geführt zu haben, dass rund die Hälfte der Impftermine nicht wahrgenommen wurden. Ein Fehler aus dem Haus der Gesundheitsministerin, der sich in eine lange Kette von Fehlern einreiht.”, so Braun abschließend.
FDP Saar kritisiert Bachmann wegen ihrer Äußerung
Auch die freien Demokraten setzen Bachmann unter Druck, sehen in dem Vorgang eine misslungene Terminaktion, die das Gesundheitsministerium selbst zu verantworten hätte. Dazu Dr. Isringhaus, stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Saar und gesundheitspolitischer Sprecher: „Es kann nicht sein, dass Frau Bachmann die groben Fehler bei der Terminkoordination ihres Ministeriums und der nachgeordneten Behörden auf das medizinische Personal abwälzt. Hier entsteht in der Öffentlichkeit ein völlig falscher Eindruck. Das Ergebnis ist, dass das Vertrauen in den Impfstoff sinkt. Die Äußerung von Frau Bachmann waren daher gelinde gesagt sehr ungeschickt und das Gegenteil einer kraftvollen, von allen getragenen Impfaktion. Wir leben jetzt seit fast einem Jahr in einer Ausnahmesituation und die CDU Gesundheitsministerin hatte mehrere Monate Zeit einen funktionierenden Plan für die Umsetzung der Impfaktion zu erarbeiten.. Nach dem neuerlichen Debakel muss Ministerpräsident Hans die Konsequenzen ziehen. Das Saarland hat sich dank Frau Bachmann bundesweit blamiert.“
Jochen Flackus: Gesundheitsministerin Bachmann muss sich entschuldigen – Linksfraktion beantragt Sondersitzung des Gesundheitsausschusses
Als peinlich bezeichnet Jochen Flackus, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Saarländischen Landtag, die Organisationspannen im Gesundheitsministerium. „Nachdem nun klar ist, dass ein Organisationschaos im Ministerium schuld ist, ist es Zeit, dass sich die Ministerin bei den zu Unrecht von ihr angegriffenen Ärzten und Mitarbeitern entschuldigt“, so Flackus. „Viele Saarländerinnen und Saarländer fragen sich zudem, wieso die Landesregierung im Zusammenhang mit der Impf-Organisation so viel Geld für Dienste der ‚Wirtschaftsprüfungsgesellschaft‘ PricewaterhouseCoopers (PwC) ausgibt (allein im November und Dezember 229.000 Euro, Stundensätze von 175 Euro), wenn die Organisation dann offensichtlich immer noch nicht funktioniert.“ Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Astrid Schramm, hat daher nun kurzfristig eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses beantragt. Dabei soll Ministerin Bachmann über die Organisationspannen Rechenschaft ablegen und Auskunft darüber geben, wie ein solches Chaos in Zukunft vermieden werden kann. Darüber hinaus wird die Linksfraktion noch einmal nachdrücklich einfordern, dass die Landesregierung die aktuellen Zahlen der gestorbenen Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen vorlegt, und zwar sowohl derjenigen, die in den Heimen gestorben sind, als auch die derjenigen, die etwa zuvor ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dort verstarben.
Mit ihrem vorschnellen Vorstoß hat Gesundheitsministerin Monika Bachmann also nicht nur Ärztinnen und Ärzte gegen sich aufgebracht, sondern auch ein politisches Chaos ausgelöst. Vereinzelt werden schon Stimmen laut, die in Folge der Affäre gar einen Rücktritt von Bachmann fordern. Neben dem politischen Vertrauensverlust, wiegt aber wohl die unterstellte Ablehnung des AstraZeneca-Impfstoffs durch medizinisches Personal schwerer. Denn es sind gerade die Impfstoffe, die einen realistischen Ausweg aus der Corona-Pandemie versprechen – diesem möglichen Ausweg hat die Gesundheitsministerin nun einen Bärendienst erwiesen.