Symbolbild

Welche Faktoren entschieden darüber, wie gut Familien die Herausforderungen der Pandemie meisterten? Und welchen Einfluss spielte dabei soziale Ungleichheit? Eine neue Studie der Universität Hamburg gibt Antworten.

„Dass sich einzelne Faktoren auf die Betroffenheit durch die Pandemie auswirken, ist bereits untersucht, beispielsweise die Ressourcen Wohnraum, Einkommen oder auch Bildung“, erklärt die Soziologin Prof. Dr. Manderscheid von der Universität Hamburg. „Wir wollten hingegen wissen, wie verschiedene Faktoren im Alltag zusammenwirken und ob die Folgen der Maßnahmen ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen stärker treffen als bessergestellte.“

Um das herauszufinden, hat Manderscheid Familien aus verschiedenen sozio-ökonomischen Milieus im Sommer und Herbst 2021 befragt, wie sie die Pandemie erleben. Beteiligt waren auch Lorenz Gaedke und Ammar Ćuk von der Universität Hamburg und das Sozialforschungsinstitut „infas“ in Bonn. Die Befragungen fanden mittels einer Online-Umfrage und vor Ort in Bremerhaven und Schwerin in ausführlichen Interviews statt.

Manderscheid ermittelte vier Gruppen von Faktoren. Dies waren erstens die vorhandenen Ressourcen, zweitens strukturelle Bedingungen wie die Möglichkeit, Arbeitszeiten frei zu gestalten, drittens zusätzliche Belastungen wie eine Schwangerschaft, Krankheit oder Probleme mit Behörden und viertens sogenannte habituelle Dispositionen ­­­­– während des Heranwachsens erworbenen Prägungen und Kompetenzen also, die darüber bestimmen, wie Menschen eine Situation einschätzen oder welche Handlungsmöglichkeiten sie sehen. Dieses vorbewusste Orientierungsschema ist nicht frei wählbar und bleibt zeitlebens relativ stabil.

„Menschen mit einem eher asketischen Habitus sind diszipliniert und methodisch planend. Pflichterfüllung spielt in ihren Leben eine wichtige Rolle. Eltern mit einem solchen Habitus waren beispielsweise bereit und in der Lage, ihre Freizeit zu opfern und die Erwerbsarbeit in die Abendstunden zu verlegen, um tagsüber das Homeschooling ihrer Kinder zu betreuen. Sie kamen insgesamt besser durch die Pandemie“, so Manderscheid. Hingegen hatten Eltern mit einem eher hedonistischen Habitus, der erlebnis- und spaßorientiert ist und bei dem das Leben im Moment im Vordergrund steht, Probleme, eine stabile Tagesstruktur aufrecht zu erhalten oder ihre Kinder beim Homeschooling zu unterstützen. Dies wirkte sich negativ auf die schulischen Leistungen der Kinder aus. Die Eltern hingegen brachen beispielsweise Weiterbildungen ab, weil diese während der Lockdowns auf Online-Angebote umgestellt worden waren.

Entscheidend war jedoch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren. „Die Bereitschaft der Eltern, die eigene Freizeit zu Gunsten der Kinderbetreuung zu opfern, garantierte allein ebenso wenig eine erfolgreiche Bewältigung der Krise wie eine große Wohnung oder ein hohes Einkommen“, erklärt die Professorin für Soziologie. „Sobald Familien auf mehr als einem Feld Probleme bekamen, litt ihre Fähigkeit zur Krisenbewältigung enorm.“ Ihre Ergebnisse wollen die Forschenden im Herbst publizieren – und der Politik zur Verfügung stellen, damit betroffene Familien künftig besser unterstützt werden können. Das Projekt wurde im Programm Corona Crisis and Beyond – Perspectives for Science, Scholarship and Society von der VolkswagenStiftung finanziert und endet im August 2022.

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