Seit nunmehr vier Jahren ist Tobias Hans Ministerpräsident des Saarlandes, in einigen Tagen möchte der CDU-Politiker sein Amt bei der Landtagswahl verteidigen. Wenn man den Umfragen Glauben schenkt, sieht es nicht gut aus für den 44-Jährigen. Hans versucht, gegenzusteuern. Und das nicht nur mit aufsehenerregenden Videos. Ein Porträt.
Da rutscht es mal aus ihm heraus. Sonst sehr darum bemüht, das saarländische Idiom nicht zu stark an den Mann zu bringen, fällt in diesem Video doch der ein oder andere Ausdruck auf „Platt“. Ist das Kalkül? Oder doch echter Empörung geschuldet? Zumindest wirkt der Ministerpräsident in dem einminütigen Clip wie ein ganz normaler Bürger. Mit vom Wind zerzaustem Haar steht der 44-Jährige vor einer Tankstelle und beklagt wortreich die hohen Spritpreise. Und dann dieser Satz: „Das trifft jetzt nicht nur Geringverdiener, sondern die vielen fleißigen Leute, die tanken müssen.“
In der gnadenlosen Welt der sozialen Medien fliegen ihm diese Worte natürlich noch Tage später um die Ohren. Für einen Ministerpräsidenten im Wahlkampf ist er ein Desaster. Gerade deshalb, weil der 44-Jährige sonst so ruhig und beherrscht wirkt. Nicht nur vor den Kameras, sondern auch bei Gesprächen hinter den Kulissen. Nun fährt er einmal aus der Haut – und das geht auch noch schief. Ein weiterer Tiefschlag für den CDU-Politiker, für den es in den Umfragen gar nicht gut aussieht. Da liegt er in den Beliebtheitswerten deutlich hinter SPD-Herausforderin Anke Rehlinger. Ungewöhnlich für einen amtierenden Ministerpräsidenten.
Dabei wirkte seine Karriere bis vor wenigen Monaten wie aus dem Bilderbuch. Als Nachfolger der beliebten Annegret Kramp-Karrenbauer übernahm er als gerade einmal 40-Jähriger die Saarbrücker Staatskanzlei. Zwar hatte sich der gebürtige Neunkircher nicht bei einer Landtagswahl durchgesetzt, sondern war durch den Rücktritt von “AKK” gewissermaßen aufgerückt. Doch die anfänglich durchaus vernehmbare Kritik aus der Bevölkerung an diesem Umstand wurde zunehmend leiser. Zu groß die Herausforderungen für das im Strukturwandel steckende Land, zu geräuschlos die Arbeit der Großen Koalition. Hans’ ruhige, ausgleichende Art wurde mit der Zeit durchaus zu schätzen gelernt. Erst recht in den ersten Monaten der Corona-Krise. Der junge Ministerpräsident wirkte wie ein Ruhepol in hektischen Zeiten, auch wenn er es an Mahnungen durchaus nicht fehlen ließ. Bei der Bevölkerung kam dieser Stil offenbar gut an, teilweise konnte die CDU in Umfragen an das fulminante 40%-Wahlergebnis von 2017 anknüpfen. Auch bundesweit wurde der Saarländer immer bekannter, war bald häufig gesehener Gast in Nachrichtenformaten und Talkshows. Das ist er auch heute noch, doch der Höhenflug in den Umfragen ist vorbei.
Dass es nun nicht mehr so gut aussieht, erklärt Hans im Gespräch einmal mit der Bundestagswahl. „Da hat die CDU ein schlechtes Ergebnis eingefahren, weil weder das personelle noch das inhaltliche Angebot überzeugt haben. So etwas ist mit einer gewissen zeitlichen Nähe zu einer Bundestagswahl ein Problem.“ Außerdem seien Linke und Grüne im Saarland in einer „schwierigen Lage“, wovon die SPD profitiere. Nun mag da etwas dran sein. Doch zur Wahrheit gehört auch: In Schleswig-Holstein steht sein Parteikollege Daniel Günther ebenfalls in einigen Wochen zur Wahl und dessen Umfragewerte sind exzellent. Außerdem sind auch die kleineren Parteien im konservativ-bürgerlichen Spektrum an der Saar nicht unbedingt Überflieger. Woran es auch liegen mag, dass Hans um sein Amt bangen muss: Ans Aufgeben denkt er nicht.
Am Ende komme es nicht auf Umfragen, sondern auf Wahlergebnisse an, betont Hans. „Ich kämpfe dafür, dass die CDU stärkste Kraft wird, denn nur mit der CDU bekommt man eine Landesregierung, die auch klar sagt, wie es weitergeht.“ So ist denn auch wohl sein Tankstellen-Video als Kampfansage zu verstehen. Als Versuch, Aufmerksamkeit zu generieren und den politischen Ton zu setzen. Das tut Hans aber durchaus nicht nur über die mediale Inszenierung. Auch inhaltlich versucht er, Pflöcke in den Boden zu rammen. Da sind die Abkehr von G8, das 365-Tage-Ticket für alle, die Beitragsfreiheit bei den Kitas. Und allen voran: die Digitalisierung. Wer sich länger mit Hans unterhält, der bekommt den Eindruck, dass sich der CDU-Politiker in erster Linie als Modernisierer sieht.
Der Ausbau der Breitbandnetze sei für ihn schon zu Beginn „Chefsache“ gewesen, gleich bei Amtsantritt habe er ein Digitalisierungspaket angekündigt, das nun verabschiedet sei. Der ÖPNV müsse stärker digitalisiert werden, beim stationären Handel seien Online-Angebote eine „Riesenchance“. Da passt es ins Bild, dass Hans ungewöhnlich energisch widerspricht, wenn man die mangelnde Digitalisierung in den Schulen anspricht. „Da ist sehr viel geschehen. So haben wir vor zwei Jahren einen Gigabitpakt für die Schulen ausgerufen, der dafür sorgt, dass diese an das Glasfasernetz angeschlossen werden.“ Wohlgemerkt „werden“ und nicht „wurden“. Vielleicht ist genau das derzeit Hans’ Problem. Er mag einiges angestoßen haben, die Früchte konnten jedoch bisher nicht geerntet werden. Das wird wohl erst in den kommenden Jahren passieren. Für Hans könnte es da schon zu spät sein.