Symbolbild

Zu Beginn der Pandemie wurden hohe Sterberaten von über 80% bei intubierten Corona-Patienten beobachtet. Die Rolle nicht-invasiver Therapieverfahren bei einem Atemversagen (High-Flow-Sauerstoff, CPAP, nicht-invasive Beatmung/NIV) ergänzend zur konventionellen Sauerstoffgabe wird diskutiert. Deren hervorragende Wertigkeit ist inzwischen deutlich. Allerdings muss bei einigen Patienten nach Ausschöpfung nicht-invasiver Verfahren auf eine invasive Beatmung umgestellt werden. In den Leitlinien der Fachgesellschaften wird bei einem schweren Atemversagen ein Stufenschema vorgeschlagen.

Eine Infektion mit dem neuartigen Corona-Virus kann zu einer Lungenentzündung und in deren Folge zu einer mitunter schweren Störung der Atemfunktion kommen. Spätestens dann ist eine stationäre Behandlung in der Klinik angezeigt. Hier stehen neben medikamentösen Behandlungsstrategien unterschiedliche Therapieverfahren zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Körpers zur Verfügung. Diese werden in nicht-invasive und invasive Verfahren eingeteilt, wobei nicht-invasiv, also nicht „in den Körper hineingehend“, zum Ausdruck bringt, dass die Verbindungstelle zwischen den biologischen Atemwegen des Menschen einerseits und den künstlichen, Sauerstoff-zuführenden Schlauchsystemen andererseits außerhalb des menschlichen Körpers liegen, z.B. über eine Gesichtsmaske.

Als nicht-invasive Verfahren sind in der Medizin die Sauerstoffzufuhr über Nasenbrillen oder Gesichtsmasken, die High-Flow-Sauerstofftherapie mit hohen Sauerstoffkonzentrationen und Anfeuchtung der zugeführten Atemluft ebenfalls über Nasenbrillen und schließlich die nicht-invasive Beatmung (NIV = non-invasive ventilation) über Gesichtsmasken etabliert. Bei der NIV wird zusätzlich zur Sauerstoffgabe auch mit erhöhten Atemwegsdrücken gearbeitet, so dass zusätzlich zur Sauerstoffgabe damit entweder eine Beatmungstherapie mit unterschiedlichen Drücken während der Ein- und Ausatmung oder lediglich CPAP (continuous positive airway pressure) durchgeführt wird. Im Gegensatz dazu muss für die Gewährleistung der invasiven Beatmung ein Beatmungsschlauch (Tubus) über den Mund in die Luftröhre gelegt werden, ein Vorgang, den man als endotracheale Intubation bezeichnet.

Die genannten Verfahren unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihrer Wirksamkeit, in ihren Voraussetzungen zur korrekten Durchführung sowie ebenfalls in ihrem Nebenwirkungsprofil. Zudem richtet sich ihr Einsatz nach den individuellen Bedingungen der Patienten/innen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass eine invasive Beatmung nach Intubation zwar das effektivste Verfahren darstellt, wohl aber auch das weitaus größte Nebenwirkungs- und Komplikationsprofil aufweist. Dies ist unter anderem darin begründet, dass für die Dauer einer invasiven Beatmung über einen Endotrachealtubus in der Regel ein künstliches Koma aufrechterhalten werden muss, was eine Reihe von körpereigenen Funktionen über mehrere Tage oder sogar Wochen außer Kraft treten lässt, was wiederum Begleittherapien und entsprechende Komplikationen nach sich ziehen kann. Aus diesen Gründen gilt für schwere akute Atmungsstörungen grundsätzlich, eine Intubation mit nachfolgender invasiver Beatmung so lange wie möglich hinauszuzögern, ihren Zeitpunkt aber auch nicht zu verpassen, da dies ebenfalls mit einer erhöhten Komplikationsrate einhergehen kann. Nun ist in Deutschland eine Diskussion zur richtigen Anwendung dieser Verfahren entstanden. Diese Diskussion wird allerdings weniger in Fachkreisen geführt, findet aber vielmehr über die mediale Kommunikation eine erhebliche Verbreitung. Dies hat zu vielen Fragen und mitunter schweren Verunsicherungen in der Laien-Bevölkerung geführt.

Insbesondere wird postuliert, dass eine zu frühe Intubation für eine Vielzahl von Todesfällen in Deutschland verantwortlich sei. In der Tat haben sehr frühe wissenschaftlich ausgewertete Beobachtungen auch sehr hohe Todeszahlen für COVID-19-Infizierte zeigen können, wenn sie intubiert gewesen sind. Diese Behauptung der Intubations-verursachten Todesfälle ist für die aktuelle Phase der Pandemie in Deutschland dennoch sicherlich nicht haltbar: Denn die genannten Beobachtungen stammen primär aus anderen Ländern als Deutschland wie China oder Italien während der initialen Phase der Pandemie ohne entsprechende Vorbereitung und reflektieren vielmehr die damals chaotischen Zustände in den dortigen massiv überfüllten Notaufnahmen mit zudem schwer eingeschränkten Möglichkeiten zur intensivmedizinischen Überwachung. Entsprechend kann daraus nicht abgeleitet werden, dass eine invasive Beatmung nach Intubation per se den Tod von COVID-19-Patienten bedingt, wie es an einigen Stellen in der allgemeinen Presse suggeriert wird.

Tatsächlich existieren national und international keine vergleichenden Studien, welche nicht-invasive und invasive Therapieverfahren in ihrer Wirksamkeit und Komplikationsrate bei COVID-19 gegenüberstellen. Dies ist medizinisch-wissenschaftlich auch nicht nur sehr schwierig unter der Prämisse, „Real-Life-Bedingungen“ durchzuführen, sondern mitunter auch nicht sinnvoll. So sind nicht-invasive und invasive Beatmung grundsätzlich ja nicht kompetitiv zueinander ausgerichtet, sondern reflektieren unterschiedliche Therapiestrategien, die bei unterschiedlichen Schweregraden des Atemversagens ihre Einsatzberechtigung haben. Aktuelle Studien, insbesondere aus Frankreich und Italien, haben aber zeigen können, dass nicht-invasive Verfahren auch bei schwerster Störung der Atmungsfunktion ausreichend sein können, ohne dass eine Intubation notwendig wird. Dies bleibt aber im Einzelfall in Abhängigkeit von sehr vielen unterschiedlichen Parametern der Krankheitsschwere zu entscheiden. Dabei besteht heute ebenfalls Klarheit darüber, dass unter den Bedingungen erhaltener intensivmedizinischer Kapazitäten eine invasive Beatmung nach Intubation sehr wohl auch in der Lage ist, das Leben des Patienten zu retten und dass demgegenüber das kompromisslose Festhalten an nicht-invasiven Therapieverfahren prognostisch wiederum ungünstig sein kann.

Aus den genannten Gründen haben die wesentlichen an der Intensivmedizin beteiligten medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften unter der Mitarbeit führender Wissenschaftler in Deutschland im Konsens Leitlinien und Therapieempfehlungen zu COVID-19 publiziert. Danach wird ein Therapiealgorithmus als sinnvoll erachtet, welcher im Sinne eines Stufenschemas zunächst die Sauerstofftherapie und dann die High-Flow-Sauerstofftherapie als Therapiemaßnahme vorsieht, um dann auf nicht-invasive Beatmungsverfahren zu eskalieren, wenn die Initialtherapie unzureichend ist. Sollte auch diese nicht genügen, sind die Intubation und konsekutiv die invasive Beatmung zu erwägen. Es ist wichtig zu betonen, dass nach Maßgabe der Leitlinien nicht einzelne Parameter zu einer Therapieeskalation führen sollten. Vielmehr ist es das klinische Gesamtbild, welches unter den wachsamen Augen erfahrener Intensivmediziner/innen die Entscheidung zur Therapie-Eskalation oder auch –Deeskalation prägen soll.

Es ist zudem wichtig festzustellen, dass in Deutschland bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Engpässe in der intensivmedizinischen Versorgung von COVID-19-Patienten/innen aufgetreten sind und für die Zukunft gegenwärtig auch nicht erwartet werden. Deutschland verfügt über eine Vielzahl von Intensivstationen mit hoch qualifiziertem ärztlichen und pflegerischen Personal. Es gibt daher keinen Zweifel daran, dass Patienten/innen mit schwerer COVID-19-Infektion und Atemversagen flächendeckend in Deutschland gut und sachgerecht behandelt werden. Hier schaffen auch die gegenwärtig überarbeiteten Therapie-Leitlinien, welche die Pandemie-Erfahrungen über ein Jahr integrieren, Sicherheit für alle Krankenhäuser.

Vor diesen Hintergründen muss eine medial geführte Debatte zum richtigen oder falschen Zeitpunkt der Intubation als kontraproduktiv gelten. Eine solche Diskussion führt selbstverständlich beim medizinischen Laien zu Unsicherheit und mangelndem Vertrauen in die Medizin. Sie führt außerdem zu einer künstlichen Spaltung der Gesellschaft, indem sie fälschlicherweise suggeriert, es gäbe viele Mediziner die viel zu früh intubierten und damit das Leben von Betroffenen gefährdeten einerseits sowie solche, die fast immer ohne Intubation erfolgreich behandelten andererseits. Die medial geführte Debatte zur Intubation bei COVID-19-Erkrankung reiht sich außerdem in eine Summe von öffentlichen Diskussionen ein, die auch das Ziel verfolgen, Verantwortliche und Schuldige zu benennen, die maßgeblich an einer Verschlechterung der Pandemie-Situation beteiligt sind. Dies untergräbt allerdings die tatsächliche Gefährlichkeit der Erkrankung. Tatsächlich sterben Patienten an COVID-19 sowohl unter den Bedingungen einer invasiven Beatmung als auch unter Fortsetzung nicht-invasiver Therapiemaßnahmen. Dies zeigt nur einmal mehr die Bedeutung von Hygienemaßnahmen und vom Impfen als wesentliche Maßnahmen der Pandemiebekämpfung.

Im Falle eines schweren Krankheitsverlaufes einer COVID-19 Erkrankung stehen aber nach einem Jahr Pandemieerfahrung unterschiedliche medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen zur Verfügung, die in der Regel im Rahmen von Stufenschemata nach klinischer Einschätzung und unterstützt durch Leitlinien-Empfehlungen der Fachgesellschaften zum Einsatz kommen. Dies hat zu einer deutlichen Verbesserung der stationären Behandlungsmöglichkeiten geführt. Zum Arsenal der Beatmung gehören somit sowohl nicht-invasive als auch invasive Verfahren, die weder besser noch schlechter als das jeweils andere Verfahren sind, als vielmehr abhängig vom Schweregrad der Erkrankung sowie abhängig von Ko-Morbiditäten und anderen Patienten-individuellen Bedingungen zum Einsatz kommen.

Originalpublikation: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/113-001.html

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