Erfahrungsreichtum, Pfiffigkeit und Kreativität der Mitarbeiter sind ein Gewinn für jedes Unternehmen. Traditionell gehörte der Bosch-Konzern in der Vergangenheit zu jenen Unternehmungen, die das mitberücksichtigten. Zuletzt wurde 2020 am Standort Homburg im gemeinsamen Dialog von Belegschaft, Betriebsrat, IG-Metall und Führungsebene eine Standortvereinbarung festgeklopft, die Zukunft sicherer machen sollte.
Einig waren sich alle, dass mit Brennstoffzellentechnik und LKW-Diesel-Injektoren der Standort gesichert werden soll. Und auch 2023 schien es so, dass Konzernführung und Arbeitnehmervertreter die Kultur des Dialoges auch weiterhin gemeinsam pflegen wollen. Vereinbart wurde da eine Stärkung der Beteiligungsrechte der Betriebsräte bei Unternehmensentscheidungen. „Doch kaum waren die Verträge unterschrieben, wurde an den Standorten Feuerbach und Schwieberdingen ein Stellenabbau angekündigt. 40-Stunden-Verträge wurden gekündigt, ohne Beteiligung der Betriebsräte. Das ist keine Zusammenarbeit und kein Dialog“, kritisiert Oliver Simon, Betriebsratsvorsitzender von Bosch Homburg und spricht von einem Kulturbruch bei Bosch.
Insgesamt plane der Konzern in Deutschland die Streichung von 3000 Arbeitsplätzen, die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, die Rücknahme von Produktzusagen und Streichung von Innovationsthemen. Ein solches ist Wasserstoff. Ein Thema, das insbesondere den Bosch-Standort Homburg betrifft, wo intensiv geforscht und entwickelt wird und wichtige Weichen für die anstehenden Transformationsprozesse der Industrie gestellt werden. „Wer, wenn nicht Bosch, schafft die Transformation“, blickt der Homburger IG-Metall-Bevollmächtigte Salvatore Vicari mit großem Respekt auch auf die Innovationskraft der Boschianer in Homburg.
Der Konzern investiere insgesamt sieben Milliarden Euro in Forschung und bringe damit Innovation voran. Bis in die jüngste Zeit seien Ingenieure eingestellt worden. Nun mache die Konzernführung eine Kehrtwendung und nehme einen Kurswechsel vor, der von Personalabbau, Streichung und Verlagerung geprägt ist. Gewerkschafter und Betriebsräte sehen sich deshalb nicht nur in Sachen Dialog-Kultur ausgebootet, sie fürchten insgesamt mit den Beschäftigten an allen deutschen Bosch-Standorten, dass die industrielle Transformation so nicht gelingen kann, und dass am Ende Industriearbeiter mit ihren Familien auf der Strecke bleiben. Gewerkschafter und Betriebsräte wie Vicari und Simon und ihre Kollegen Damian Kroj, Christian Rübel (beide ebenfalls Bosch Homburg) und Alex Kreutz (Bosch-Rexroth Homburg) kritisieren, dass Unternehmensentscheidungen jetzt ausschließlich nach dem Diktat der Rendite und ohne Beteiligung der Arbeitnehmer getroffen werden. Insofern unterstützen sie den Gesamtbetriebsrat von Bosch, der am 20. März zum „1. Bosch-Aktionstag“ aufgerufen hat. An allen deutschen Boschstandorten soll mit Kundgebungen Druck auf die Konzernführung ausgeübt werden, die Zukunft gemeinsam mit den Beschäftigten zu gestalten.
Betriebsrat und IG-Metall-Vertrauensleute in Homburg laden für diesen Tag um 12.30 Uhr zu einer Kundgebung im Werk West an der Bexbacher Straße ein. Ab 11.45 Uhr stehen für die Kollegen im Werk Ost Busse parat. Oliver Simon rechnet schon jetzt mit einem Riesenerfolg und geht bundesweit von 18.000 Beschäftigten aus, die an den Kundgebungen teilnehmen werden. Gemeinsam Zukunftschancen an den Standorten zu erarbeiten, ist das Ziel der Arbeitnehmervertreter. Diese Zukunftschancen sehen sie für den Standort Homburg in Gefahr.
Bei der Fortentwicklung der Wasserstofftechnologie bremse der Konzern und denke über die Verlagerung nach China nach. Die hohen Energiekosten in Deutschland würden als Hauptargument angeführt. Für Homburg bedeute dies, dass die Entwicklung für die kommenden zwei bis drei Jahre ausgebremst wird. Hierfür erwarten die Betriebsräte einen Ersatz im Produktionsgeschehen. Alex Kreutz nennt als Beispiel Wärmepumpen. Für ihn ist nicht nachvollziehbar, dass Bosch in Polen ein Werk für die Wärmepumpenproduktion neu aufbaut, obgleich an deutschen Standorten Kapazitäten vorhanden sind, die Beschäftigung garantierten. Generell fordern die Arbeitnehmervertreter, dass Transformation mit und nicht gegen die Beschäftigten gestaltet werden müsse, dass mit den Betriebsräten Alternativen zum Stellenabbau erarbeitet und gemeinsam über Zukunftsprodukte und Wachstumschancen der Standorte verhandelt werden müsse. Eine ganz konkrete Forderung hat der Betriebsrat von Bosch Homburg bereits formuliert: Die Produktion von LKW-Injektoren müsse in Homburg konzentriert bleiben, um das Überleben des Standortes zu sichern.
Die Ankündigung, eine Produktionslinie in der Türkei aufzubauen, verunsichere und zermürbe die Belegschaft im Werk Homburg. Es dürfe nicht sein, dass in Homburg zwar in die Forschung und Entwicklung investiert wird, die Produktion dann aber im Ausland stattfinde. Durch den Wegfall der Wasserstoffprodukte und die Verlagerung der Injektoren-Produktion sei der Standort Homburg in Gefahr.