Anlässlich der digitalen Anhörung zum Hebammenstellen-Förderprogramm im Bundesgesundheitsministerium sowie jüngsten Forschungsergebnissen zum Hebammenkreißssaal äußern sich Experten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zur Sicherheit unter der Geburt. Dabei erklären sie auch, aus welchen Gründen bei 90 % aller Geburten ärztliche GeburtshelferInnen anwesend sein müssen.

Wichtige Erkenntnisse für die Zusammenarbeit zwischen Hebammen und ärztlichen GeburtshelferInnen hat der Abschlussbericht zum „Forschungsprojekt Hebammenkreißsaal“ hervorgebracht, welchen Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann vorgestellt hat. Unter dem Strich profitieren die Gebärenden von einer guten, respekt- und vertrauensvollen interprofessionellen Zusammenarbeit und leiden bei einer schlechten. Gleichwohl sind ärztliche GeburtshelferInnen für die Sicherheit von Mutter und Kind in 90 % aller Geburten im Kreißsaal unabdingbar.

Evaluiertes Modell weitet Wahlfreiheit für Schwangere aus
Die Bilanz der Bonner Studie zeigt, dass ein Hebammenkreißsaal die Wahlfreiheit Schwangerer für ihre Geburtsbetreuung ausweitet1,2. Die Universitätsfrauenklinik Bonn hatte das Modell als erste Universitätsklinik Deutschlands eingeführt: „Nach elf Jahren blicken wir auf eine hohe Zufriedenheit bei Gebärenden, Hebammen und Ärzten zurück“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Gembruch, DGGG-Experte und geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Bonn. Die Geburt im Hebammenkreißsaal verlaufe schneller und mit weniger Interventionen, insbesondere mit weniger Episiotomien und Dammmrissen II. Grades, allerdings auf Kosten einer größeren Häufigkeit höhergradiger Geburtsverletzungen.

Hebammen spüren größere Freude durch mehr originäre Arbeit
Im Rahmen des Teilprojekts „Best Practice Hebammenkreißsaal NRW” wurden zwei Klausurtagungen mit VertreterInnen (ÄrztinnInnen und Hebammen) der Hebammenkreißsäle in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Hier haben die TeilnehmerInnen ihre Erfahrungen in der praktischen Umsetzung mit dem Versorgungsmodell herausgearbeitet. Insbesondere die Hebammen berichteten demnach über eine höhere Berufszufriedenheit – dies ist vor dem Hintergrund eines grassierenden Hebammenmangels ein erfreuliches Ergebnis. Gembruch erklärt: „Originäre Hebammenarbeit und selbstständiges Arbeiten rückten hier in den Mittelpunkt, ein ‚Spill-over‘-Effekt in das ärztlich geleitete Betreuungsmodell wurde beschrieben. Darüber hinaus betonten beide Professionen das bessere gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit.“

Weiterleitungsrate in ärztlich geführten Kreißsaal liegt bei 50 %
Konkret wurden in den jetzt veröffentlichten Analysen aus dem mehrteiligen Forschungsprojekt alle 612 hebammengeleiteten Geburten am Universitätsklinikum Bonn von 2010 bis 2017 bezüglich wichtiger medizinischer Merkmale für Mutter und Neugeborene untersucht. Ein wichtiges Resultat: Die Weiterleitungsrate in den ärztlich geführten Kreißsaal lag bei 50,3 %. „Diese Zahlen zeigen eindrücklich, wie wichtig flächendeckend verfügbare ärztliche GeburtshelferInnen für die Sicherheit von Mutter und Kind unter der Geburt sind“, betont Prof. Dr. Anton J. Scharl, Präsident der DGGG.

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