Ein Beitrag von Dr. Theophil Gallo, dem Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar.
Der 1. Mai ist traditionell der Tag der Arbeit, der Feiertag der Arbeiterbewegung in Deutschland. In diesem Jahr steht er zusätzlich für ein wichtiges Datum der Freiheitsbewegung und für Europa: Es ist der 20. Jahrestag des Beitritts der Republik Polen zur Europäischen Union. Der Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 markiert einen weiteren historischen Wendepunkt sowohl für Polen als auch für die Europäische Union, nachdem der Beitritt Polens zur NATO bereits fünf Jahre zuvor, am 12. März 1999, vollzogen worden war. Nach Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft sorgte die Rückkehr in das politische und wirtschaftliche Gefüge Europas in Polen für Aufschwung in verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und ermöglichte der polnischen Bevölkerung, die sich bereits lange zuvor den gemeinsamen demokratischen Werten verschrieben hatte, den Traum der Freiheit und des Friedens zu verwirklichen.
Umgekehrt leistet Polen mit den vielen Errungenschaften, die das Land im Zuge seiner Integration in die EU erzielt hat, seit 20 Jahren einen unverzichtbaren Beitrag zur strukturellen Stärkung und stetigen Weiterentwicklung der EU. Als Mitgliedsstaat, der sich durch eine stabile Wirtschaftsleistung und einen dynamischen Arbeitsmarkt auszeichnet und sich in besonderem Maße für regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit und kulturellen Austausch einsetzt, bringt sich die polnische Nation in die europäische Gemeinschaft mit ein. Ein kleines Beispiel sind die vielen polnischen Frauen, die in Deutschland in der häuslichen Pflege segensreich wirken.
Bemerkenswert ist das Engagement Polens im Rahmen des Kriegs Russlands gegen die Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges steht das Land der ukrainischen Bevölkerung trotz einiger Reibungspunkte im Verhältnis beider Nachbarn bedingungslos bei und hat binnen kurzer Zeit zahlreiche regionale und internationale Hilfsnetzwerke aufgebaut. Dies zeigt, dass Polen ein verlässlicher Partner ist, auf dessen Unterstützung und langjährige Erfahrung man zählen kann.
Trotz aller Euphorie über solch positive Entwicklungen seien an der Stelle aber auch Differenzen und Streitigkeiten nicht verschwiegen, die gerade in den letzten Jahren unter der PIS-geführten Regierung die politische Großwetterlage in Europa nicht einfacher gestaltet haben. Es bedurfte etlicher Urteile des Europäischen Gerichtshofes, die Verstöße Polens gegen europäisches Recht sanktionierten und verhinderten, dass die PIS-Regierung weiter unser Rechtsstaatsgefüge untergräbt. Mit der Abwahl der PIS-Alleinregierung besteht die gute Aussicht, dass sich in Zukunft die zweifelsohne vorhandene Spannung im Verhältnis zwischen EU und Polen bessern wird.
Gleichwohl ist in diesem Verhältnis und auch im Verhältnis zu Deutschland sicher noch viel „Luft nach oben“. Das ist mit ein Grund dafür, warum sich der Saarpfalz-Kreis seit Jahren um eine Verstetigung und Intensivierung auf der zivilgesellschaftlichen Ebene bemüht. Im kulturellen und im schulischen Bereich sind es die Kontakte, die über den Verein „Begegnungen auf der Grenze BaG“ und über das Ökologische Schullandheim Spohns Haus in Gersheim aufgebaut wurden, wo sich seit fast 20 Jahren jährlich hunderte polnische, ukrainische, französischeund auch deutsche Schülerinnen und Schüler zum pädagogischen Austausch treffen.
An diesem Aufbauwerk hat Hans Bollinger als Vorsitzender des Vereins BaG ganz wesentlichen Anteil. Ebenso hat die Deutsch-Polnische Gesellschaft Saar – DPG – unter dem langjährigen Vorsitz von Landrat a. D. Siegfried Wack zu dieser Entwicklung vorwiegend im kulturellen Bereich beigetragen. Neben der Gründung der Partnerschaft zwischen dem Saarland und der Woiwodschaft Podkarpackie im Jahr 2009 war ein erster Schritt des Saarpfalz-Kreises, damals unter Landrat a. D. Clemens Lindemann, zur Stärkung der Beziehungen auf der Ebene der kommunalen Verwaltungen die 2011 erfolgte Gründung der Kooperation mit dem Landkreis Przemysl. Seit 2016 hat der Saarpfalz-Kreis unter Führung von Landrat Dr. Theophil Gallo seine Bemühungen in dieser Hinsicht deutlich verstärkt. Zu nennen sind die weitere Partnerschaft mit dem Landkreis Lancut ebenso wie die Partnerschaften mit den Biosphärenregionen Lubaczow und Biesczady, deren Schutzgebiete in die Ukraine hineinreichen. Mit dem 2022 gegründeten Homburger Bündnis, dem „Internationalen Bündnis für Frieden und Zusammenhalt in Europa“, ist ein europaweit einmaliges Netzwerk zwischen insgesamt 19 Landkreisen und Regionen aus fünf Nationen entstanden, das eng und konstruktiv zusammenarbeitet, um die Basis für ein wirklich geeintes Europa weiter zu stärken.
Landrat Dr. Theophil Gallo, seit 2018 Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Saar, sieht die enge kommunale Kooperation innerhalb dieses Netzwerks als ebenso unerlässliche wie effektive Basis für die Realisierung der Einheit Europas auf kommunaler Ebene, auf der zivilgesellschaftlichen Ebene. Dazu gehören praktische Bespiele wie das Internationale Museumsbündnis, die Mitwirkung am Trippstadter Bündnis, die Stärkung der Erinnerungskultur mit der Gedenkstätte im Kloster Gräfinthal. „Wir haben auch die Idee des Weimarer Dreiecks, aus dem unter Einbeziehung der Ukraine auch ein ‚Weimarer Dreieck plus‘ werden kann, im Blick, denn die Verbindung zwischen Frankreich, Deutschland und Polen sehe ich als den Nucleus eines starken und geeinten Europas. Mit Blick auf die 20-jährige Mitgliedschaft Polens in der EU freue ich mich, so viele polnische Kreise zu den Partnern des Saarpfalz-Kreises zählen zu dürfen, die wir über die eigens eingerichtete Stabsstelle Europa intensiv betreuen können. Ich appelliere bei der Gelegenheit an unsere Bürgerinnen und Bürger, bei den kommenden Europawahlen durch ihr Votum für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit die Organisation zu stärken, die uns seit fast 80 Jahren Frieden in Europa garantiert hat, nämlich die Europäische Union“, so Dr. Gallo.
Informationen zu den Kreispartnerschaften und zur Europaarbeit des Saarpfalz-Kreises sind bei der Leiterin der Stabstelle Europa und Europabeauftragten des Saarpfalz-Kreises, Dr. Violetta Frys, unter Tel. (06841) 104-8273 oder unter den E-Mail-Adressen europa@saarpfalz-kreis.de sowie violetta.frys@saarpfalz-kreis.de erhältlich.
