Dringenden Handlungsbedarf beim Hochlauf der E-Mobilität sieht der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Das legen die Ergebnisse einer Blitzumfrage im Automobilhandel nahe, die heute in Berlin vorgestellt wurden.
Die größten Hemmnisse aus Sicht der befragten 790 Autohäuser auf dem Weg, 15 Millionen vollelektrische Pkw bis zum Jahr 2030 zuzulassen, liegen im hohen Anschaffungspreis (23 %), gefolgt von Unsicherheiten bezüglich der Ladeinfrastruktur (18 %), der begrenzten Reichweite der Fahrzeuge (16 %) sowie den hohen Strompreisen (10 %). Alle anderen Aspekte – allgemeine Skepsis gegenüber E-Mobilität, Ladedauer, Restwertrisiko, Totalverlustrisiko bei Batterieschaden, unübersichtliche Ladetarife, kompliziertes Bezahlen an der Ladesäule – bewegen sich im Bereich zwischen 4 und 8 %.
“Der Weg hin zur E-Mobilität ist vorgezeichnet, die Politik gibt den Rahmen, die Automobilhersteller beschreiten diesen Weg. Aber eins ist ebenfalls klar: Es gibt noch viele Schlaglöcher auf diesem Weg. Der Erfolg der Elektromobilität ist kein Selbstläufer”, so ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. “Die Kunden haben viele Fragen: Preis, Reichweite, Ladegeschwindigkeit, Batterielebensdauer, Restwerte. Es sind die Händler, die den Kunden davon überzeugen müssen: Das nächste Fahrzeug sollte ein Elektrofahrzeug sein. Ohne das Engagement des Handels wird der von der Politik gewollte schnelle Hochlauf der Elektromobilität nicht funktionieren.”
Verbrenner-Bestand mit E-Fuels bald klimaneutral stellen
Zur Klimaneutralität im Verkehr gehören für den ZDK-Präsidenten auch klimaneutral hergestellte synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) für den Verbrenner-Bestand. “Gerade aus Sicht der Autofahrer ist es dringend geboten, auch den Bestand von Verbrennerfahrzeugen möglichst bald klimaneutral zu stellen. Andernfalls wird der Druck zunehmen, weitere Maßnahmen im Verkehrssektor zum Erreichen der Klimaziele anzuordnen – vom Tempolimit über Fahrverbote bis hin zu höheren Kfz-Steuern für Verbrenner”, befürchtet Karpinski. “Die Kosten für die individuelle Mobilität werden steigen. Das trifft viele Millionen Menschen, die auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind, sowohl beruflich als auch privat. Diesen Aspekt muss auch die Politik bei ihren Entscheidungen beachten.”
Individuelle Mobilität soll erschwert werden
Die neu angefachte Diskussion um das Tempolimit ist laut Karpinski Teil einer Reihe von Aktionen, mit denen die individuelle Auto-Mobilität Schritt für Schritt erschwert werden soll. “Wer das Parken für Anwohner massiv verteuert, den Parkraum in Stadtzentren verknappt und durch Maßnahmen im Straßenraum Staus geradezu provoziert, der nimmt den Menschen ein gutes Stück ihrer individuellen Mobilität. Intelligente Verkehrspolitik sieht anders aus”, betont Karpinski. Es führe nicht weiter, einen Kulturkampf um das Auto auszurufen. “Jeder Verkehrsträger hat seine Berechtigung. Statt den Verkehrsraum einseitig zu Lasten des Automobils neu aufzuteilen gilt es, ein intelligentes Miteinander aller am Straßenverkehr Beteiligten zu organisieren – unter Berücksichtigung der Fußgänger, der Radfahrer, des ÖPNV und der Automobile. Ohne Auto geht es auch in Zukunft nicht.”
Autojahr 2022 brachte Zuwächse bei Umsatz und Ertrag
Trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen ist der Umsatz im Kraftfahrzeuggewerbe im Jahr 2022 über alle drei Geschäftsbereiche (Neuwagen, Gebrauchtwagen, Service) um 3 Prozent auf 185,2 Mrd. Euro gestiegen. Bei stagnierenden Stückzahlen ist das Umsatz-Plus laut dem ZDK in erster Linie auf die deutlich gestiegenen Fahrzeugpreise zurückzuführen. In den Werkstätten war die Auslastung hoch, und insbesondere die Reparaturkosten sind gestiegen. Infolgedessen hat sich die Ertragssituation verbessert. Im Durchschnitt lag die vorläufige Umsatzrendite im Pkw-Bereich bei 3,1 Prozent. Im Jahr 2021 waren es 1,6 Prozent.
Die Anzahl der Kfz-Betriebe ist im vergangenen Jahr um minus 0,4 % auf 36.420 bzw. minus 150 Betriebe zurückgegangen. Während die Zahl der fabrikatsgebundenen Betriebe um minus 1,2 % bzw. 170 Betriebe auf 14.290 schrumpfte, legte die Zahl der nicht fabrikatsgebundenen Betriebe leicht um 0,1 % bzw. 20 Betriebe auf 22.130 zu. Die Anzahl der Beschäftigten blieb mit 434.000 nahezu konstant (minus 0,2 % bzw. 1.000 Personen). Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Kfz-Gewerbe ist im vergangenen Jahr überdurchschnitt angestiegen, und zwar um 5,1 % auf 26.709 im Vergleich zu 2021.
Autohandel besorgt über ausbleibende Aufträge
Besorgt zeigt sich der ZDK über den deutlichen Rückgang der Auftragseingänge bei E-Fahrzeugen. Laut ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn, Sprecher des Fabrikatshandels, sei diese rückläufige Tendenz schon seit dem dritten Quartal 2022 zu verzeichnen und setze sich auch zu Beginn des Jahres 2023 fort. Das zeigten die Ergebnisse einer aktuellen Online-Befragung der Redaktion “kfz-betrieb” im Automobilhandel. Demnach nehmen 91 % der Befragten gesunkene oder stark gesunkene Neubestellungen bei Plug-in-Hybriden wahr. Bei den batterieelektrischen Modellen berichten 54 Prozent von stark gesunkenen Neubestellungen, bei 35 Prozent sind sie gesunken.
Thomas Peckruhn: “Mit den geänderten Förderungsbedingungen hat die Bundesregierung dem selbst postulierten Ziel eines kräftigen Hochlaufs der E-Mobilität einen Bärendienst erwiesen. Die Kunden, aber auch der Handel brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, sonst lassen sich die angestrebten Zulassungsmengen nicht erreichen.”
Werkstatt-Geschäft bleibt 2023 stabil
Laut ZDK-Vizepräsident Detlef Peter Grün, Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks, wird sich das Servicegeschäft im laufenden Jahr auf dem hohen Niveau des Vorjahres bewegen. Die Quote der durchschnittlichen Werkstatt-Auslastung lag im Januar bei 84 % und damit um drei Prozent-Punkte über dem Wert des Vorjahres. Die Gründe sieht Grün im weiter gewachsenen
Fahrzeugbestand von 48,7 Mio. Pkw. “Außerdem ist anzunehmen, dass die Jahresfahrleistungen der Pkw in diesem Jahr aufgrund des Wegfalls der Corona-Restriktionen wieder zunehmen werden. Auch das hohe Durchschnittsalter der Pkw von knapp über 10 Jahren trägt dazu bei, dass der Bedarf an Wartungs- und Reparaturleistungen hoch bleibt. Die Arbeit in den Werkstätten geht uns also nicht aus. Allerdings wird die inflationäre Belastung der Betriebe weiter wachsen”, so Grün.