In Zeiten der Corona-Pandemie hat Wissenschaftskommunikation Hochkonjunktur: Forscher sind als Experten Dauergäste in TV-Talkshows, ein Virologe bedient mit seinem Podcast Millionen von Zuhörern. Anders sieht es im Bereich Wissenschaftsvideos im Internet aus. Hier erreichen Laien mit ihren Videos das größte Publikum. Von Wissenschaftlern, Forschungseinrichtungen oder Universitäten produzierte Videos werden dagegen kaum wahrgenommen. Das ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts „Audio-Visuelle Wissenschaftsvermittlung“ an der Universität Trier.

Für den Medienwissenschaftler und Studienleiter Prof. em. Dr. Hans-Jürgen Bucher gehören deshalb auch die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der in den Internet-Videos vermittelten Informationen und die Rolle der Wissenschaft in den sozialen Medien auf die Forschungsagenda. „Im Internet ist ein neuer und reichweitenstarker Kommunikationsraum mit neuen Akteuren für Wissenschaftsthemen entstanden. Für die Wissenschaft ist diese Transformation Herausforderung und Chance zugleich, indem sie Konkurrenz mit nicht-wissenschaftlichen Kommunikatoren, aber auch neue Kommunikationsmöglichkeiten schafft.“

Im Rahmen seines Projekts hat das Trierer Forschungsteam 400 deutschsprachige Wissenschafts-Videos auf YouTube ausgewertet. Die Mehrheit dieser Wissenschaftsvideos (214) wurde von Nicht-Wissenschaftlern produziert. Unter den 50 beliebtesten Videos findet sich keines, das von Wissenschaftlern oder Forschungseinrichtungen eingestellt wurde. Während populäre Videos innerhalb weniger Wochen mehr als 500.000 Aufrufe erreichen, kommen Videos von Wissenschaftseinrichtungen selbst nach Jahren oft nicht über einige tausend Aufrufe hinaus. „Ich halte es für eine problematische Entwicklung, dass Wissenschaftskommunikation auf YouTube in diesem Ausmaß Laien überlassen wird“, sagt Projektmitarbeiterin Bettina Boy.

Als wichtigste Erfolgsfaktoren der von Nicht-Wissenschaftlern produzierten Videos hat die Forschungsgruppe zwei Aspekte identifiziert. Während wissenschaftliche Einrichtungen YouTube meist nur zum Hochladen von Videos nutzen, schöpfen erfolgreiche Videoproduzenten die interaktiven und kommunikativen Optionen voll aus und bauen mithilfe der Plattform soziale Netzwerke auf. „YouTuber rufen im Rahmen ihrer Videos häufig zur Partizipation auf. So vermitteln sie ihren Zuschauern das Gefühl, an der thematischen und inhaltlichen Ausrichtung des Kanals beteiligt zu sein und erreichen damit, dass ihre Videos auf YouTube besser platziert sind“, erklärt Projekt-Mitarbeiterin Katharina Christ, die im Rahmen der Studie Kommentare und andere Reaktionen auf die Videos ausgewertet hat.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Wahl des Videotyps. Die Trierer Medienwissenschaftler haben vier Kategorien von Wissenschaftsvideos identifiziert, die im Hinblick auf die Attraktivität für die Zuschauer und auf die Eignung zum Vermitteln von Wissen unterschiedliche Potentiale aufweisen. Die mit Abstand höchsten Aufrufzahlen (140.000) erreichen Präsentations- und Animationsvideos. Die Videotypen Erklär- und Expertenvideos, in denen oft eine Forscherpersönlichkeit im Zentrum steht, kommen im Durchschnitt lediglich auf 25.000 oder gar nur 4.000 Aufrufe. Diese beiden wenig beachteten Videoformate werden überwiegend von Kommunikatoren aus der Wissenschaft verwendet. Für Hans-Jürgen Bucher ergibt sich aus daraus eine Konsequenz: „Die etablierten Forschungseinrichtungen können ihren publizistischen Rückstand nur aufholen, wenn sie sich auf die Medienlogik von YouTube einstellen und beispielsweise auch auf typische YouTube-Formate wie Animationsfilm und Präsentationsfilm setzen.“

Neben der Reichweite der Wissenschaftsvideos wurde in dem Projekt auch deren Rezeption mit verschiedenen Wissenstests, Blickaufzeichnungen und einer Online-Umfrage gemessen. Die Befunde zeigen, dass die Wissensvermittlung mit Wissenschaftsvideos nur eingeschränkt erfolgreich ist. „Einerseits verschaffen Videos Zugang zu einem Massenpublikum. Zur Vermittlung von Wissen sind Bewegtbilder aber nicht allumfassend geeignet“, schränkt Bucher ein. So lässt sich Faktenwissen mit Videos deutlich besser weitergeben als das für eine intensivere und nachhaltigere Informationsverarbeitung erforderliche Strukturwissen.

In Bezug auf die reine Wissensvermittlung verfügen die Formate Erklär- und Animationsvideo über das größte Potenzial. Experten- und Präsentationsvideos erreichen in dieser Hinsicht deutlich schlechtere Werte. „Vor der Produktion eines Videos ist es daher wichtig, sich die Frage zu stellen, welches Ziel man damit verfolgen und wen man erreichen will“, rät Bettina Boy. Die vielfältigen Ergebnisse der aufwendigen Forschungsarbeit sollen nun allen zugutekommen, die Wissenschaftsvideos herstellen. Das Team um Hans-Jürgen Bucher arbeitet derzeit daran, anwendungs- und praxisorientierte Empfehlungen für die Produktion und Konzepte für Weiterbildungsangebote zu entwickeln.
Weitere Informationen zu dem Projekt: www.uni-trier.de

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